Der dänische Regisseur Lars von Trier gilt als einer der markantesten und umstrittensten europäischen Filmemacher der Gegenwart. Seine Werke sind düster und werfen einen äußerst pessimistischen Blick auf die menschliche Existenz. „Ich provoziere nicht nur die anderen, ich erkläre mir, meiner Erziehung, meinen Werten, auch ständig selbst den Krieg.“ (Quelle: zeit.de)
Auf den Filmfestspielen in Cannes stellte Lars von Trier jetzt seinen neuesten Film „Melancholia“, eine düstere Geschichte um Depressionen und die Apokalypse, vor. Während einer Pressekonferenz verhaspelte es sich förmlich und erzählte, dass seine Familie deutsche Wurzeln habe. „Ich bin ein Nazi“, schlussfolgerte er und fügte hinzu: „Ich verstehe Hitler. Ich glaube, dass er ein paar schlechte Dinge gemacht hat, klar, aber ich kann ihn mir in seinem Bunker vorstellen, am Ende.“ Außerdem möge er die Architektur von Albert Speer.
Die Empörung war natürlich groß. Die Festivalleitung des Filmfestes in Cannes erklärte Lars von Trier zur unerwünschten Person. Bereits am Abend nach dem Interview entschuldigte sich der Däne für seine Bemerkungen: „Wenn ich heute Morgen jemanden durch meine Worte verletzt habe, möchte ich mich aufrichtig entschuldigen. Ich bin weder antisemitisch, habe keine rassistischen Vorurteile, noch bin ich ein Nazi.“
Also Aufregung um nichts? „Weil Lars von Trier seit Jahren als Garant für jede Art von Provokationen gilt und gerade wegen seiner Rolle als Enfant terrible geschätzt und eingeladen wird. Wenn man sich schon wundern will, dann darüber, dass von Trier mittlerweile auch zur billigsten aller Provokationen greift, um Aufmerksamkeit zu heischen.“ (Quelle: zeit.de)
Die Frage ist, ob mehr hinter dieser geistigen Entgleisung von Lars von Trier steckt. Hitler, der Nationalsozialismus, das ganze Drumherum um diese menschverachtende Ideologie hat immer wieder Künstler veranlasst, nach dem Warum zu fragen. Vielleicht ist das ein Aspekt, der von Trier zu diesen unsinnigen Äußerungen veranlasst hat: Hitler im Bunker, am Ende! Lars von Trier ist kein Nazi. Die gegenteilige Bemerkung war scherzhaft gemeint, ging aber völlig in die Hose. Die Reaktion der Festivalleitung war ebenso unsinnig und überzogen – und zudem inkonsequent. Auch sein Film hätte dann aus dem Wettbewerb genommen werden müssen.
Was mich dabei beschäftigt, ist die Frage nach dem Umgang mit solchen Äußerungen. Im Falle von Triers ist sein Ausschluss bestimmt nicht die richtige Lösung, auch wenn er über alle Maßen die Geschmacksgrenzen überschritten hat. Im Grunde ist nicht nur von Triers Provokation billig – es ist auch die Aufregung darüber. Warum ist es eigentlich ein so Leichtes, immer wieder Empörung zu erzielen, wenn man mit dem Namen Hitler herausfordern möchte? Besteht nicht die Gefahr, in aller Erregung am Ende verlogen, zumindest überzogen oder gar albern zu wirken? Jede Überempfindlichkeit ist wenig dienlich. Und Ausgrenzung bestärkt nur den Ausgegrenzten in seinen gedanklichen Vorstellungen. Neo-Nazis berufen sich immer wieder darauf, ausgegrenzt zu sein und leiten daraus ein besonderes Recht (eine Art Märtyrertum) für sich ab. Wenn, dann müssen wir uns der Provokation stellen, sie als das entlarven, was sie ist und verdeutlichen, das es zu diesem besonderen Recht keine Veranlassung gibt, im Gegenteil: das einige ganz gezielt Profite erzielen wollen, indem sie ihre Gesinnungsgenossen schamlos abzocken.
Lars von Trier ist ein Misanthrop, aber er ist kein Nazi. Er ist ein außergewöhnlicher Künstler, der gern provoziert. Jetzt ist Cannes hat er sich ziemlich vergaloppiert und damit seine Karriere aufs Spiel gesetzt. Immerhin ist sein Film „Melancholia“ im Wettbewerb von Cannes 2011 geblieben und hat Kirsten Dunst den Preis als beste Hauptdarstellerin eingebracht.
Siehe auch spiegel.de: Was bleibt, ist Melancholie