Kleine Nachtmusik

Der Bahnhof meines Wohnortes wird umgebaut. Und diese Bauarbeiten beginnen meist dann, wenn der Normalbürger sich schlafen legt. Und morgens, wenn ich gegen 6 Uhr zur Arbeit fahre, enden sie. Klar, in der Nacht ist am wenigsten Verkehr (Bahnverkehr meine ich).

Und dann tuten sie wieder. Und rödeln. Und hämmern usw. Es hat schon etwas, wenn man morgens auf dem Bahnsteig auf seinen Zug wartet und mindestens vier der sieben Bauarbeiter damit beschäftigt sieht (beschäftigt?), wie diese über die Sicherheit der anderen wachen. Nähert sich ein Zug, dann wird getrötet: Trööööötööööt!

Der eine achtet auf den Verkehr von links, der andere von rechts. Und die beiden anderen unterhalten sich in der Mitte ganz angeregt. Worüber wachen denn die? Der eine guckt aufs Gleis, als könnte sich die Erde auftun, um tausend Teufel zu entlassen. Klar, wäre eine echte Gefahr für die anderen (und auch für die Fahrgäste). Der vierte obachtgebende Geselle schaut gen Himmel. Himmel? Ach, ja Vogelgrippe! Könnten vielleicht vorbeifliegende Zugvögel gefährlich werden.

Bauarbeiten bei der DB

Immerhin zwei arbeiten noch wirklich. Wirklich ist gut. Der eine raucht erst einmal eine genußvoll. Und der siebte im Bunde (wie im Handball besteht ein Bautrupp wohl aus sieben Leuten) kurvt mit einem Baufahrzeug auf dem einen Gleis hin und her, als würde er dafür bezahlt werden, die Beschleunigung seines Fahrzeugs von 0 auf 100 km/h zu testen – und den Bremsweg.

Aber der eine (von mir aus rechte) baut bereits seine Tröte wieder ab (wie nennt man dieses mark-und-bein-erschütternde Hupgerät eigentlich im Fachjargon?). Feierabend! Er hat ja mit seinen Kollegen auch lang und oft genug des Nachts getutet, sodass auch der letzte Einwohner meines Wohnortes aus dem Bett gefallen ist.

Die Bahn will ja jetzt diese weckfunktionalen Tröt-Warn-und-Alarmierungsgerät mit harmonischeren Tonfolgen ausstatten, z.B. mit den ersten zwei Takten aus Mozarts ‚Kleiner Nachtmusik‘. Ein Versuch mit handelsüblichen Klingeltönen ging leider daneben, weil zwei Bauarbeiter fast ums Leben gekamen, als diese zu ihren Handys griffen, statt sich aus dem Gefahrenbereich zu entfernen.

Um die durch die Umrüstung entstehenden Kosten zu decken, plant die Bahn weiterhin, die alten Tröt-Töne als Klingelton zu vermarkten. Damit in Zukunft keiner ohne Getute auskommen muss.

siehe auch meinen Beitrag: Nun tuten sie wieder

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!