Siegfried Kauder, CDU-Politiker und Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, fordert ein so genanntes Two-Strikes-Warnmodell und will, dass Urheberechtsverletzern für 3 Wochen der Internetanschluss gekappt wird. Wenn damit dem Abmahn-Wahn (hier ein Beispiel aus den USA und eines aus Deutschland), der durchaus auch Unschuldige treffen kann, endlich ein Ende gesetzt würde, wäre das schon fast ein Fortschritt.
Aber das kann es eigentlich nicht sein: Zum einen gibt es verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber Kauders Idee, zum anderen stufen die Vereinten Nationen Internetsperren als Verstoß gegen die Meinungs- und Pressefreiheit ein und halten den Internetzugang für ein Menschenrecht; dann steht sie „auch im grellen Widerspruch zum Koalitionsvertrag: ‚Wir werden’, heißt es da unmissverständlich auf Seite 103 f., ‚keine Initiativen für gesetzliche Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen ergreifen.’“ (Quelle: blog.zdf.de/hyperland). Außerdem ist eine inhaltliche Kontrolle kaum möglich.
Nun hat ein findiger Internetnutzer herausbekommen, dass Herr Siegfried Kauder es selbst mit dem Urheberrecht nicht ganz so genau nimmt. „Nun habe ich auf Ihrer Website […] zwei urheberrechtlich geschützte Bilder entdeckt …“, so schreibt Alexander Double an Herrn Siegfried Kauder (siehe auch: Die fragwürdigen Fotos auf Kauders Homepage)
Dem nicht genug (es sind übrigens nicht nur zwei Bilder), so hat Herr Kauder wahrscheinlich auch ganze Textpassagen plagiiert.
Inzwischen wurde Herrn Kauder über Abgeordnetenwatch die Frage gestellt, ob es sich tatsächlich um Urheberrechtsverletzungen handle. Ein Antwort dort steht noch aus. Dafür hat er sich zu einer äußerst skurrilen Stellungnahme u.a. gegenüber Spiegel-Online hinreißen lassen, in der er die Urheberrechtsverletzung zugibt:
„Ich bin denen dankbar, die mir Gelegenheit gegeben haben zu zeigen, dass das Warnmodell funktionieren kann. Ich wurde auf die Verwendung von zwei Lichtbildern auf meiner Homepage aufmerksam gemacht, die urheberrechtlich geschützt sind.“ Tatsächlich betrachtet Kauder sich in seiner Idee eines dreistufigen Vorgehens mit Androhung von Internet-Entzug gegen Copyright-Sünder bestätigt: „Die Fotos sind entfernt. Also: Das Warnmodell funktioniert.“
Bei heise.de heißt es weiter dazu: „Auf den Hinweis, er begehe eine Urheberrechtsverletzung (also die erste Stufe des 3-Strikes-Modells) habe er angemessen reagiert und sich die Rechte an dem Bildern nun gesichert.
Kauder bittet in diesem Zusammenhang um Kenntnisnahme, ‚dass die Urheberrechte an den beiden Fotos inzwischen mir zustehen. Dies als Warnhinweis für eine eventuelle Absicht, die Fotos im Rahmen ihrer Berichterstattung anderweitig verwenden zu wollen.’ Wie sich der CDU-Politiker das grundsätzlich nicht veräußerbare Urheberrecht an den Bildern gesichert haben will und ob der ertappte Abgeordnete die Veröffentlichungen der Fotos anderswo nun verfolgen wird, geht aus der Stellungnahme nicht hervor.“
Ergänzend schreibt piratig.de hierzu: „Die Urheberrechte stehen nur dem Urheber der Fotos zu, oder seinen Erben, nicht Herrn Kauder, der nicht der Urheber ist. Er kann diese Rechte nicht erwerben, höchstens die Nutzungsrechte. Das müsste Herr Kauder eigentlich wissen, denn erstens ist er Jurist, zweitens als Mitglied des Bundestags und VORSITZENDER im Rechtsauschuss, und als solcher war er sicherlich an den Beratungen zur Urheberechtsverlängerung von Musikern von 50 auf 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers beteiligt, und wir hoffen alle, dass er zumindest dort die Urheberrechte mit den Nutzungsrechten nicht durcheinander gebracht hat.“
Was Herr Kauder da von sich gibt, ist nicht nur skurril, es ist dreist, dumm-dreist. Wenn er sich schon so ausführlich um die Urheberrechte anderer sorgt, dann sollte er – zudem als Jurist und Vorsitzender des Bundestags-Rechtausschusses – den Unterschied zwischen eben dem Urheberrecht und einem Nutzungsrecht kennen. Sein „Warnhinweis für eine eventuelle Absicht, die Fotos im Rahmen ihrer Berichterstattung anderweitig verwenden zu wollen“ ist doch wohl nur ein übler Scherz? Die Idee Kauders mit dem Two- bzw. 3-Strikes-Warnmodell ist mit Sicherheit nicht allein auf seinem Mist gewachsen. Kauder versteht sich allem Anschein nach als Vertreter der Musikindustrie, denen das Urheberecht nur als Vorwand dient, eine Art Letztverwertung zu betreiben (Massenklagen sind für Rechtsanwälte und Musikbranche lukrativ). Als Politiker sollte der gute Mann aber nicht der Industrie dienlich sein, sondern dem Wähler: Das sind Sie aber nicht, Herr Kauder, wenn sie das halbe Volk kriminalisieren. Nehmen Sie Ihren Hut!
Ergänzend verweise ich auf eine Pressemitteilung des Digitale Gesellschaft e.V.:
Urheberrecht: „Two Strikes und Verwarnmodelle – Unionsparteien weiter auf dem netzpolitischen Holzweg“
sieh auch zdf.de: Bilderserie #modegeworden: Kreativer Protest im Netz