Es heißt, Günter Grass sei durch sein Eingeständnis, in der Waffen-SS gedient zu haben, bevorstehenden Enthüllungen aus Stasi-Akten zuvorgekommen. Bisher war in seiner Biografie lediglich zu lesen, dass er am Ende des 2. Weltkrieges als Flakhelfer tätig war.
Ich gebe zu, dass mich dieses so späte Eingeständnis zunächst sehr irritiert hat. Günter Grass‘ schriftstellerisches Werk habe ich genossen, sei es die Blechtrommel, der Butt oder sein kleines Geschichtenbuch ‚Mein Jahrhundert‘. Sein politisches Engagement in Sachen Aussöhnung mit dem Osten, sein unermütliches Mahnen, die Gräuel der Nazizeit nicht zu vergessen, haben ihn zu einer moralischen Instanz in Deutschland werden lassen, die besonders im Ausland für Aufmerksamkeit sorgte. Der Lohn war u.a. der Nobelpreis für Literatur.
Und nun das späte Geständnis, dass er als 17-Jähriger freiwillig der Waffen-SS beigetreten sei, einer paramilitärischen Organisation, der man besonders schwere Kriegsverbrechen zur Last legt. Er beteuert glaubhaft, an keinem Verbrechen teilgenommen zu haben. Aber allein die Mitgliedschaft wirft einen sehr dunklen Schatten auf den Menschen Günter Grass. Und selbst wenn man es als verzeihliche Jugendsünde abtun mag, so bleibt der Vorwurf, dieses Eingeständnis erst so spät publik gemacht zu haben.
In einem Forum zum Geständnis des Günter Grass bei zdf.de las ich nun folgende Stellungnahme:
Es geht für mich nicht darum, was jemand im Alter von 17 Jahren begreift oder nicht begreift. Für mich ganz persönlich geht es nur darum, ob jemand über seine Fehler reflektiert, Einsicht hat und den Mut mit dieser Einsicht Konsequenzen zu ziehen. Ich habe Grass‘ Kritik an anderen stets so verstanden, dass diese bis heute nicht verstehen. Diese Kritik von Grass ist für mich nach wie vor ein elementarer Beitrag zur Aufarbeitung der menschlichen Seele, des menschlichen Charakters. Zudem bin ich dankbar, dass es solch intellektuelle Größen wie Grass gibt.
Ich kann dem nur zustimmen, auch wenn ich nicht immer der gleichen Meinung wie Günter Grass war. Die Mitgliedschaft zur Waffen-SS hat Günter Grass bei der Gefangenennahme im Mai 1945 durch die Amerikaner in einer ‚Erklärung des Kriegsgefangenen‘ dokumentiert. Dieses Dokument ist bis heute allgemein zugängig. Der als Vorwurf geäußerte Hinweis, Grass wäre mit seinem so späten Eingeständnis nur einer bevorstehenden Veröffentlichung von Stasi-Akten, die ebenfalls die Waffen-SS-Vergangenheit nachweisen, zuvorgekommen, ist ziemlich weit hergeholt. Dann hätte Grass seine Autobiografie „Beim Häuten der Zwiebel“ ja über Nacht schreiben müssen. In einem ARD-Interview sagte er dazu: „In diesem Buch, da ist es Thema, ich habe drei Jahre daran gearbeitet, und da steht alles, was ich zu der Sache zu sagen habe. Wer richten will, mag richten.“
Auszug aus der ‚Erklärung des Kriegsgefangenen‘ von Günter Grass
Dass Grass aus Scham geschwiegen hat, nehme ich ihm gern ab. Wer geht schon mit einem solchen dunklen Abschnitt seiner Biografie hausieren. Und wie kein anderer wird Grass selbst wissen, dass sein Geständnis sehr spät gekommen ist, ich denke aber – nicht zu spät!
u.a. siehe auch zdf.de