Nein, es geht nicht um Harry Potter und Hermine Granger (englisch Hermione). Schon vor den beiden gab es einen Roman, in dem allerdings ein Harry Haller und eine Hermine die Hauptfiguren spielten: Hermann Hesses Der Steppenwolf. Harry Haller ist der Steppenwolf.
Bei der Betrachtung von ‚Romananfängen’ ragt dieser Roman gewissermaßen dadurch hervor, dass er nicht nur einen Romananfang, sondern am Ende derer ganze drei beinhaltet. Es geht los mit einem ‚Vorwort des Herausgebers’. Dieses gehört entgegen sonstigen Vorworten mit zum Roman, denn der fiktive Herausgeber ist kein anderer als Hesse selbst, der Verfasser des gesamten Romans. Entnommen sind folgende Texte der mir vorliegenden Ausgabe: suhrkamp taschenbuch st 175 – Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 4. Auflage, 151. – 190. Tausend 1975:
Vorwort des Herausgebers
Dieses Buch enthält die uns gebliebenen Aufzeichnungen jenes Mannes, welchen wir mit einen Ausdruck, den er selbst mehrmals gebrauchte, den „Steppenwolf“ nannten. Ob sein Manuskript eines einführenden Vorwortes bedürfe, sei dahingestellt; mir jedenfalls ist es ein Bedürfnis, den Blättern des Steppenwolfes einige beizufügen, auf denen ich versuche, meine Erinnerung an ihn aufzuzeichnen. […] (S. 7)
Den Großteil des Romans bilden, wie aus dem Vorwort bereits ersichtlich ist, die Aufzeichnungen jenes Harry Hallers. Haller ist Untermieter in einer kleinen Mansarde in dem Haus, das der Tante des Vorwortverfassers gehört. Daher auch die Bekanntschaft mit dem Steppenwolf. Dieser ist in etwa 50 Jahre alt und geht keiner geregelten Arbeit nach, wie man heute wohl sagen würde. Er lebt außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft und verschwindet dann auch nach knapp einem Jahr spurlos, hinterlässt aber jenes Manuskript, seine Aufzeichnungen mit dem Hinweis, der Vorwortverfasser könne damit tun, was ihm beliebt.
Harry Hallers Aufzeichnungen
Nur für Verrückte
Der Tag war vergangen, wie eben die Tage so vergehen; ich hatte ihn herumgebracht, hatte ihn sanft umgebracht, mit meiner primitiven und schüchternen Art von Lebenskunst; ich hatte einige Stunden gearbeitet, alte Bücher gewälzt, ich hatte zwei Stunden lang Schmerzen gehabt, wie ältere Leute sie eben haben, hatte ein Pulver genommen und mich gefreut, daß die Schmerzen sich überlisten ließen, hatte in einem heißen Bad gelegen und die liebe Wärme eingesogen, hatte dreimal die Post empfangen und all die entbehrlichen Briefe und Drucksachen durchgesehen, hatte meine Atemübungen gemacht, die Gedankenübungen aber heut aus Bequemlichkeit weggelassen, war eine Stunde spazieren gewesen und hatte schöne, zarte, kostbare Federwölkchenmuster in den Himmel gezeichnet gefunden. […] (S. 29).
Auf einem abendlichen Spaziergang erfährt Harry Haller, der Steppenwolf eine Einladung:
Magisches Theater
Eintritt nicht für jedermann
Nur – für – Ver – rückte! (S. 37)
Wenig später wird ihm auf der Straße ein kleines Büchlein überreicht, das mit ihn aus der Sicht scheinbar Außenstehender analysiert. Es ist also ein Buch im Buch. Daher hier nun auch ein weiterer ‚Romananfang’:
Tractat vom Steppenwolf
Nur für Verrückte
Es war einmal einer namens Harry, genannt der Steppenwolf. Er ging auf zwei Beinen, trug Kleider und war ein Mensch, aber eigentlich war es doch eben ein Steppenwolf. Er hatte vieles von dem gelernt, was Menschen mit gutem Verstande lernen können, und war ein ziemlich kluger Mann. Was er aber nicht gelernt hatte, was dies: mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein. […] (S. 46)
Soviel zu den ‚Romananfängen’ in Hermann Hesses ‚Der Steppenwolf’. Zum Buch selbst, das übrigens 1927, also zu Hesses 50. Geburtstag, erschien und das ich zum ersten Mal 1976 in Händen hielt und zz. zum vierten oder fünften Mal lese, komme ich später noch einmal ausführlicher zurück. Dieses Jahr begehen wir wie bereits erwähnt Hesses 50. Todestag und gleichzeitig den 135. Jahrestag seiner Geburt. Auch zu Hesse dann etwas mehr.