„Ich beginne ein Unternehmen, welches beispiellos dasteht und bei dem ich keinen Nachahmer finden werde.“ So beginnt Jean-Jacques Rousseau seine ‚Confessions’. Nun spätestens in Hermann Hesse mit dessen Steppenwolf hat er einen Nachahmer gefunden, denn dieser Roman ist nichts anderes als ein Bekenntnisbuch, in dem der Autor seine Seele bis in den Grund ausgeleuchtet hat.
„Die Bekenntnisse von Jean-Jacques Rousseau sind die erste Autobiographie von Rang, die nicht – wie zum Beispiel die Confessiones des Augustinus, auf die sich der Titel bezieht, – die religiösen Erfahrungen, sondern das gesamte Leben, nicht zuletzt das psychologische Selbstverständnis zum Gegenstand haben.“
Ich beginne ein Unternehmen, welches beispiellos dasteht und bei dem ich keinen Nachahmer finden werde. Ich will der Welt einen Menschen in seiner ganzen Naturwahrheit zeigen, und dieser Mensch werde ich selber sein.
Ich allein. Ich verstehe in meinem Herzen zu lesen und kenne die Menschen. Meine Natur ist von der aller, die ich gesehen habe, verschieden; ich wage sogar zu glauben, nicht wie ein einziges von allen menschlichen Wesen geschaffen zu sein. Bin ich auch nicht besser, so bin ich doch anders. Ob die Natur recht oder unrecht gethan hat, die Form, in der sie mich gegossen, zu zerbrechen, darüber wird man sich erst ein Urtheil bilden können, wenn man mich gelesen hat.
Möge die Posaune des jüngsten Gerichtes ertönen, wann sie will, ich werde mit diesem Buche in der Hand vor dem Richterstuhle des Allmächtigen erscheinen. Ich werde laut sagen: Hier ist, was ich gethan, was ich gedacht, was ich gewesen. Mit demselben Freimuthe habe ich das Gute und das Schlechte erzählt. Ich habe nichts Unrechtes verschwiegen, nichts Gutes übertrieben, und wenn ich mir etwa irgend eine unschuldige Ausschmückung habe zu Schulden kommen lassen, so muß man das meiner Gedächtnisschwäche zu Gute halten, um deren willen ich gezwungen war, hier und da eine Lücke auszufüllen. […]
Jean-Jacques Rousseau: Les Confessions (Die Bekenntnisse), 1782