Was ist bloß mit Ian los? Teil 17: Too Old to Rock ‚n’ Roll?

Hallo Wilfried,

das Rheinische Wörterbuch kannte ich noch nicht. Sieht interessant aus. Vielen Dank ! Danach bedeutet ‚Krau‘ : Pack, Gesindel. Das ist im Grunde das, was ich meinte, wenn ich auch in meine Umschreibung mehr Nachdruck gelegt habe. Wenn Du an Sprache intensiv interessiert bist: Vor Jahren hat mir ein Sprachwissenschaftler der TU Braunschweig ein Standardwerk dazu empfohlen: Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache von David Crystal, Campus-Verlag. Ist auch für den Laien verständlich und gar nicht so teuer.

Ich habe den ein oder anderen Anderson-Text übersetzt oder zumindest den Versuch gestartet. Auch habe ich schon vereinzelte Übersetzungen im Netz gefunden. So zum Beispiel vom alten Rocker. Die Übersetzung fand ich gar nicht so schwer; alle Begriffe fanden sich in meinem kleinen Langenscheidt. Überhaupt finde ich „Too old…“ ziemlich untypisch für Anderson. Es wirkt auf mich sehr seicht, fast schlagermäßig. Eine eingängige Melodie mit dem Zeug zum Ohrwurm. Das bedeutet aber auch, dass man sich daran schnell satt gehört hat. Ich käme nicht auf die Idee, dieses Lied so oft zu hören wie „Bohnenstroh“ oder „Passionplay“.

Deine Idee mit den Übersetzungen finde ich gut. Vorschlag: Sollen wir diese „Arbeit“ aufteilen, um Doppelarbeit zu vermeiden ? Man könnte z.B. nach Alben sortiert vorgehen. Beispielsweise würde ich mir „Heavy Horses“ vornehmen und Du Dir die paar restlichen Alben. Über eine genaue Aufteilung können wir uns noch austauschen. Auch sollten wir uns vorher über die Standards der Übersetzung einig werden; übersetzen wir so, dass der englische Text bestmöglich in eine geläufige deutsche Sprache transferiert wird, oder so, dass der Sinn (speach intention, wie die Anglikaner sagen) des Originaltextes so gut wie möglich erhalten wird ? Dass das zwei Paar Schuhe sind, wird klar, wenn man sich die Übersetzung von Lokomotiven-Atem anschaut. Hier wurde das Schwergewicht auf den Erhalt des Sinns gelegt. Beides unter einen Hut zu bekommen, schaffen nur Experten. Wenn überhaupt. Auf das Songbook von Karl Schramm warte ich seit drei Jahren. Einmal jährlich sendet der Verlag eine Nachricht an meine Buchhandlung, dass sich die Neuauflage verzögert. Langsam glaube ich nicht mehr daran.

Zur Konfession:
Soweit sich meine Ahnenreihe zurückverfolgen lässt, sind hier nur Katholiken zu finden. Mein Bruder war der Erste, der damit gebrochen hat; er hat eine Protestantin geheiratet. Der Westen unserer Republik ist überwiegend katholisch (fast hätte ich geschrieben: Lebt unter dem Römischen Joch); die Familie meiner Schwägerin stammt väterlicherseits aus Ostpreußen. Die Töchter meines Bruders und meine Kinder werden katholisch erzogen und haben die für ihr Alter vorgesehenen Sakramente erhalten.

Über das Verhältnis zu Gott, Religion, Konfession können wir bei entsprechender Interessenlage Deinerseits in einigen Jahren einen gesonderten Mail-Zyklus starten. Vorab nur soviel: Obwohl ich in und mit den kath. Traditionen lebe, sehe ich mich als Agnostiker.

Zu Mr. Anderson, Gewichtsproblemen und Malern aus Braunau: Die Welt versteht mich nicht. Ich wollte Mr. Anderson keinen Strick daraus drehen, dass er nicht mehr so schlank ist wie früher. Ich selber wiege etwa 110 kg und zähle damit nicht zu den Schlanken im Lande. Wie sollte ich da mit Steinen schmeißen ? Dass Mr. Anderson die Aftershow-Party früh verlassen hat, um am nächsten Morgen joggen zu können, halte ich für genau so glaubwürdig wie die Story mit der kneifenden Unterhose, die ihn dazu bewogen hat, auf einem Bein zu stehen. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Mr. Anderson sich in der Gesellschaft von größeren Menschenansammlungen nicht wohlfühlt und deshalb nach einem Vorwand gesucht hat, sich zu verdrücken. Denk‘ mal an die Zugfahrt, auf der Du ihn in einem Einzel-Abteil gesehen hast. Er hält es nicht einmal mit seinen Kollegen aus. (Was wäre wohl passiert, wenn Du Dich zu ihm gesetzt hättest ???)

Unbestritten ist, dass Alfred Tetzlaff eine Kopie des österreichischen Gefreiten sein soll. Aber ich habe in meiner mail den Begriff „Ekel Alfred“ nur gewählt, um Dir den Schauspieler Heinz Schubert in Erinnerung zu rufen. Es war nun mal seine bekannteste Rolle. Aber nicht in allen Rollen sah er aus wie Hitler. Das Bild soll verdeutlichen, was ich meine. Herr Schubert auf Plateausohlen, den Bart um das Kinn herum wachsen lassen, 10 kg weniger auf den Rippen und schon wird klar, was ich sagen wollte. Herr Schubert war in geschmacklichen Dingen übrigens sehr sicher: Nie sah man ihn mit Kopftuch. Bruno Ganz sah im „Untergang“ auch aus wie Hitler, jenseits der Rolle war aber überhaupt keine Ähnlichkeit zwischen beiden festzustellen. Noch einmal zur Sicherheit: Ich wollte Mr. Anderson nie in die Nähe von Hitler rücken. Diesen Vergleich hast Du mir in den Mund bzw. in die Tastatur gelegt. Davon distanziere ich mich entschieden !

Der kleine Finger ist also nun geklärt. Bleibt uns noch herauszufinden, wie es zu dem steifen Gelenk gekommen ist. Unfall, Geburtsfehler oder sonst was. Hat in meinen Augen aber keine Eile. Es würde mich nicht wundern, wenn die Laufi-Gemeinde die Antwort schon kennt.

In einem Punkt muss ich Dir Recht geben: Mr. Anderson gefällt mir nicht mehr mit und ohne Kopftuch. Das ist aber nicht seine Schuld. Für mich ist er ein Rockstar. Und es ist verdammt schwer, mit Ende 50 als Rockstar durchzugehen. Das hat, glaube ich, noch niemand geschafft. Kein Francis Rossi, kein Brian May, kein Bruce Springsteen. In den Köpfen der Menschheit hat ein glaubwürdiger Rocker jung, arm und schmutzig zu sein. Rock’n’Roll wurde auf der Straße geboren. Wird der Rocker älter und / oder wohlhabend, kommt es zwangsläufig zu Imageproblemen. Ganz krass in diesem Zusammenhang finde ich die Vita von Garry Glitter: In seinen Songs ist er der Macher, der Macho, der Leader of the Gang, und in der Realität vergeht er sich an kleinen Kindern. Aber das nur nebenbei.

Ich werde verrückt ! Ein Video von Wuthering Heights !! Das habe ich noch nie gesehen ! Wenn ich das Video 1978 schon gekannt hätte, wäre meine Pubertät ganz anders verlaufen. Auf der gelinkten Seite finden sich noch mehr Videos der Meisterin. Ich stehe tief in Deiner Schuld !

Zu Loreena McKennit werde ich Dir in den nächsten Tagen ihr „Dante’s Prayer“ rüberkabeln. Es ist vielleicht nicht ihr typischster Song, aber besonders schön durch den geschickt eingeflochtenen Chorgesang. Wenn Du in melancholischer Stimmung bist und dann noch dieses Lied hörst, schießt Dir unweigerlich das Wasser in die Augen.

Ich kenne Cover-Versionen (nicht von JT), die besser als das Original sind. Aber ob das bei JT auch funktioniert ? In meinen Ohren klingt es nicht einmal gut, wenn Mr. Anderson sich selber covert, wie bei den Orchestral-Tull – Projekten. Vor Monaten sah ich im Netz ein Tull-Cover, dargeboten von einer Reihe von Stümpern. Es war grauenhaft. Aber es machte deutlich, wie handwerklich gut die Tull-Musiker sind und wie schwer es ist, eine ansprechende Bühnenshow auf die Beine zu stellen. Das schafft(e) eben nur der Meister !

Das Nasenrätsel habe ich lösen können. Nette Idee übrigens. Meine Nase habe ich zuerst erkannt, weil wir sehr aneinander hängen. Deine Nase habe ich erkannt, weil der untere Teil Deiner Brille zu sehen ist. Bei Branduardi sind die Augen zu sehen. Mr. Anderson’s Nase war dann leicht im Ausschlussverfahren zu bestimmen.

Bis die Tage
Lockwood

19.09.2006

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Hallo Wilfried,

als Anlage erhältst Du „Dante’s Prayer“ von Mrs. McKennitt. Du kannst die Lautstärke ein wenig aufdrehen, das Stück beginnt recht leise. Es ist möglich, dass die Datei nicht an jeder Stelle 100% läuft; sie ist von einer gebrannten CD kopiert. Den Männergesang im Stil russischer Mönchschöre zu Beginn und zum Schluss des Liedes finde ich einfach phänomenal. Männerchöre à la Sergej Jaroff halte ich für die Krönung menschlicher Sangeskunst. In meiner Plattensammlung findet sich ein Sammelalbum der Don-Kosaken. Der Original Don-Kosaken, versteht sich. Der Titel ist nicht geschützt, jeder Kegelclub darf sich so nennen.

Kurz zu Mr. Anderson, nur so zwischendurch: Mir ist aufgefallen, dass er bei jedem Konzert eine Armbanduhr trägt. So, als müsste er fürchten, den Bus zu verpassen. Dabei habe ich nie beobachtet, dass er einmal draufschaut. Hauptsache, er hat sie am Arm. Ohne sie fühlt er sich bestimmt nackt. Er achtet eben sehr auf sein Äußeres.

Noch was:
Dem Experten für Popmusik fällt auf, dass ABBA (welch ein Sprung!) viele ihrer Lieder im Baukastenprinzip komponieren. D.h., es gibt Melodiesequenzen, die in mehreren Songs nahezu unverändert übernommen worden sind. Das geben die Herren Komponisten unumwunden zu. Ich denke, Mr. Anderson arbeitet hin und wieder ähnlich. Auch bei JT – Liedern sind mir identische „Bausteine“ aufgefallen. Genau wie im Fall von ABBA muss das nicht schlecht sein; entscheidend ist, dass sich der Baustein nahtlos in den Song einfügt. Und das gelingt beiden. Einen besonders deutlichen Baustein entdeckt man bei „Salamander“ und „Cold Wind to Valhalla“ in Form der akustischen Gitarre zu Beginn.

Just in diesem Moment kommt mir die Idee zum Musikprojekt des Jahrhunderts: Mr. Anderson besinnt sich auf seine Fähigkeiten und komponiert ein Folk-Album unter Mitwirkung eines russischen Mönchschores ! Mit diesem Gedanken lasse ich Dich jetzt allein.

Bis bald
Lockwood

20.09.2006

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Hallo Lockwood,

hoffentlich bringe ich dich jetzt nicht zunehmend um Deinen Schlaf. Aber es ist schon erstaunlich, was man so im Internet findet und youtube.com ist wirklich nicht übel. Dass nun Deine Pubertät anders verlaufen wäre, wenn Du bereits 1978 Kate Bushs Wuthering Heights gesehen hättest, bezweifle ich dann doch. Immerhin: Solche Freude-Attacken kenne ich natürlich auch. Ich bin schon oft genug an die Decke gesprungen (Ausruf der Begeisterung: „Meine Fresse!“).

Entschuldige, wenn ich mich erst nach einigen Tage Pause melde. Was ich Dir hier schreibe, ist so nach und nach in diesen Tagen zu Papier (dem elektronischen) gebracht worden. Es kommen dann immer wieder Unterbrechungen …

Apropos youtube! Ich habe einmal wieder Im Forum von laufi.de gestöbert und bin dabei über diverse Links auf Material gestoßen. Hier das Gefundene in aller Kürze:

Tull im Net -> Auf der Seite www.upthedownstair.net findet man unter „Show 35“ und „Show 50“ ein komplettes Tull-Konzert, leider in eher bescheidener Tonqualität. Trotzdem interessant !!! -> als MP3 (hab ich selbst noch nicht hineingehört)

Dark Ages – ZDF Musikkanal…… -> hierzu bei youtube.com

Ich habe hierzu die DVD – es handelt sich um eine Sendung der BBC mit dem Titel „LIVELY ARTS“ und dokumentiert u.a. die U.S. Tour von JT aus dem Jahre 1979 (etwa 57 Min. Sendezeit), die auch über den Digitalsender ZDF Musikkanal ausgestrahlt wurde – interessant auch die privaten Bilder (das müsste Dich doch interessieren), u.a. von Klein-James Duncan.

Noch etwas zum weinen ausgegraben: nette Homestories und Sweet Dreams live

List every concert that could easily be put on DVD here

Hier gibt es eine Zusammenstellung aller bekannten Videomitschnitte, u.a. auch, wer diese besitzt Also auch wieder youtube.

Außerdem bin ich dort auf ein Interview vom August 2006 mit Ian Anderson gestoßen; u.a. steht dort::

Our drummer, Doane Perry, has been with us for twenty years but may never play again because of two pieces of surgery he had in a last few months – at least for now he’s unable to even think about playing drums.

Siehe bei laufi.de

Okay, außer Ian und auch Martin interessiert Dich wohl keiner sonderlich von den heutigen Tull-Musikanten. Aber Doane Perry ist immerhin 20 Jahre bei der Truppe und damit nach Martin das dienstälteste Mitglied. Dabei ist eigentlich interessant, dass Anderson für den jetzt beginnenden Herbst eine Art 2. „A little light Music“-Tour (bezieht sich auf Mozarts „kleine Nachtmusik“ -> light ~ night) plant. Neben dem Drummer nimmt wohl auch Andrew Giddings nicht daran teil, das Ganze soll aber unter dem Bandnamen „Jethro Tull“ laufen. Wie wird dann also die Besetzung aussehen? Die Laufi.de-Leute spekulieren bereits und geben alten Tull-Größen (z.B. Clive Bunker) gewisse Chancen. Auf der anderen Seite sehen einige im möglichen „Abgang“ von Doane Perry weitere Auflösungserscheinungen der Gruppe. Weshalb ich das hier erwähne: Irgendwie könnte sich der Herbst spannend entwickelt! Gucken wir also, wie es weitergeht. Auch mehren sich die Gerüchte, Anderson & Co. (wer auch immer das ist) hätten nach dem Weg ins nächste Musikstudio gefragt.

Noch eine Anmerkung zur kleinen Gitarre, die Ian jetzt meist spielt. Auf einer Seite (ich hatte bereits darauf in einer früheren Mail verwiesen) schreibt der Meister sehr ausführlich von dieser (hatte ich wohl in der Eile überlesen):

During the eighties, I switched to guitars from Andrew Manson, an English luthier, who works in Devon producing hand-made guitars for aficionados of acoustic instruments. Based on traditional designs by the Martin Company as well as on the ideas of Andy and myself, we have come up with modern variations on the theme, giving a compact guitar with the resonance and playability associated previously with the big „jumbo“ style guitars favoured by Country artists. The sexy little parlour guitars are not at all common in pop and rock music: indeed, I am probably one of the very few to use them. The instrument currently on tour with me is the smallest ever! It is a 3/4 size parlour guitar based on a French design of 150 years ago. I sent Andrew Manson the drawings and measurements and even he was surprised at how well it played and sounded, especially fitted with one of the Fishman transducer pick-ups which I have been using since the late eighties.

Zu der Meisters Texten und einer Übertragung in die deutsche Sprache: Unter lyric.de bin ich nicht nur auf Dich als Mitglied gestoßen (Du treibst Dich auch überall herum), sondern auch auf Übersetzungen von drei weiteren Tull-Texten. Hier zunächst der erste Text:

Jethro Tull – Too old to Rock“n“Roll: Too young to die

The old Rocker wore his hair too long, wore his trouser cuffs too tight.
Unfashionable to the end drank his ale too light.
Death’s head belt buckle yesterday’s dreams the transport caf‘ prophet of doom. Ringing no change in his double-sewn
seams in his post-war-babe gloom.

Now he’s too old to Rock’n’Roll but he’s too young to die.

Seine Haare waren einfach einen Tick zu lang.
Und die Hosen einen Tick zu eng.
Und das Bier einen Tick zu schal.
Halt einen Tick zu alt, der ganze Typ.
Hatte so einen Totenschädel auf seiner Gürtelschnalle.
Hatte dauernd was vom Weltuntergang gefaselt mit seinen uralt-Jeans, so mit gedoppelten Nähten.
Lebte irgendwie noch in der Nachkriegszeit.
He once owned a Harley Davidson and a Triumph Bonneville.
Counted his friends in burned-out spark plugs and prays that he always will.
But he’s the last of the blue blood greaser boys
all of his mates are doing time: married with three kids up by
the ring road sold their souls straight down the line.
And some of them own little sports cars and meet at the tennis club do’s.
For drinks on a Sunday work on Monday. They’ve thrown away their blue suede shoes.

Now they’re too old to Rock’n’Roll and they’re too young to die.

Er sagte, daß er mal ne Harley gehabt hat und nen Triumph Bonneville.
Freunde hatte er angeblich soviel gehabt,
wie er Zündkerzen runtergefahren hat in seinem Leben.
Und das sollte auch so bleiben, sagt er.
Aber er war irgendwie der letzte von seiner Schmiernippel-Gang.
Seine alten Kumpel sind irgendwie weggegangen.
Verheiratet, drei Kinder, Häuschen.
Die haben halt ihre Seele verkauft, sagte er.
Und manche von denen fahren keine Harley mehr,
sondern irgend so ein kleines Cabrio,
und sie treffen sich manchmal im Tennisclub.
Und ihr Leben heißt:
– Sonntags saufen, Montags malochen.
Haben halt ihre „Blue Suede Shoes“ an den Nagel gehängt.
So the old Rocker gets out his bike to make a ton before he takes his leave.
Up on the A1 by Scotch Corner just like it used to be.
And as he flies tears in his eyes his wind-whipped
words echo the final take and he hits the trunk road doing around 120
with no room left to brake.
 

And he was too old to Rock’n’Roll but he was too young to die.
No, you’re never too old to Rock’n’Roll if you’re too young to die.

Gestern hat er seine alte Harley nochmal rausgeholt.
Wollte wohl noch mal ne letzte Runde drehen,
die alte Tour, die A 1 rauf nach Scotch Corner.
Und dann isser losgedonnert, die Haare im Wind und Tränen in den Augen.
Mit 120 in die Sackgasse.
Zum Bremsen war da kein Platz mehr.

Er war einen Tick zu alt für Rock „n Roll.

Die vorliegenden Übersetzungen sind in einer bewusst geläufigen Sprache gehalten. Das hat natürlich den Vorteil, dass man ohne Umschweife erfährt, um was es sich im Text handelt. Die sprachlichen Feinheiten gehen dabei aber völlig und ganz verloren. Und das sollte nicht geschehen. Wie auf cupofwonder.com könnte man vielleicht mit Anmerkungen arbeiten (und auch die dort vorhandenen Erklärungen nutzen). Aber ich sehe bereits, dass hier viel Arbeit auf uns wartet. Die hierfür nötige Zeit habe ich vorerst wirklich nicht. Das Ganze kann dann aber vielleicht peu a peu über die Bühne gehen. Und die vorhandenen Texte (siehe oben) können für den Anfang als Ausgangsmaterial dienen.

“Roll us both down a mountain and I’m sure the Lockwood would win.” Du bist ja ein richtiger Brecher! Da würde ich schon wissen wollen, wie groß Du eigentlich bist. Irgendwie muss sich die Masse doch verteilen. Und so einer lästert über Anderson! Da bin ich mit meinen knapp 85 kg (bei 1 Meter 82, wenn das noch stimmt, man schrumpft ja im Alter) richtig schlank und rank, obwohl ich mich manchmal wie das Gegenteil davon fühle.

Wegen der Aftershow-Party (nach der RTL-Chartshow) gebe ich Dir natürlich Recht. Der Meister hatte keinen Bock auf längeres Small Talk. Und Milch gab es sowieso nicht. Trotzdem glaube ich schon, dass er morgens ganz gern eine Runde irgendwo im Park oder so dreht. Altersmäßig fühle ich mich ihm ziemlich verbunden, habe auch einen Bauchansatz, der auch durch Fasten nicht mehr weg zu bekommen ist. Da nutze ich schon gern die Gelegenheit, wenn das Wetter mitspielt, eine Runde zu joggen. Als wir z.B. im letzten Jahr in Edinburgh waren, dort im Süden der Stadt in der Pinto Street eine Bed&Breakfast-Unterkunft fanden, bin ich morgens vor dem Frühstück über Newington Road und Hope Park Terrace losgelaufen, um im Park „The Meadows“ (Die Wiesen) meine Runden zu drehen.

Und damals im Einzelabteil Anfang 1981, als ich im gleichen Zug mit Herrn Anderson fuhr, da war der Meister ziemlich beschäftigt, wenn ich mich richtig erinnere, während die anderen Tull-Brüder eher ausgelassen bis gelangweilt im Abteil nebenan saßen. Dass es Anderson selbst mit seinen Kollegen nicht aushält, wie Du schreibst, würde ich nicht behaupten.

Das mit den kleinen Finger vom Meister werde ich weiterhin beobachten. Ich habe ja noch ältere Videos und da gibt es auch noch Fotos aus Jugendjahren auf der Website einer alten Freundin (nicht meiner, sondern die von Anderson) oder aus alten Zeiten der John Evans Band. Auf einem Bild aus Jugendzeiten ist seine rechte Hand zu sehen, allerdings hält er da einen Regenschirm. Bei Tullpress habe ich ein Foto aus der Anfangszeit von Tull gefunden (1968), da umklammert Ian Anderson seine Flöte, aber auch schon damals hatte er den krummen kleinen Finger. Später mehr:

Ians kleiner Finger 1968

Ich will hier keine Widersprüche bei Dir aufdecken. Aber irgendwie fühle ich mich wie bereits erwähnt Ian Anderson altersmäßig verbunden. Nun Du schreibst, er wäre für Dich ein Rockstar und als glaubwürdiger Rocker geht man nur als jung, arm und schmutzig durch. Geht das nicht in Richtung Typ a la Too Old to Rock ’n’ Roll? Ich glaube zwar nicht, dass Anderson unbedingt ein Rockstar sein wollte. Er hatte Lust auf Musik und wollte immer als Musiker auch ernst genommen werden. So hat er sich öfter geäußert. Zum Rockstar wurde er durch andere, z.B. durchs Management, auch durch seine Fans. Er hat das Spiel mitgespielt, hat Gefallen daran gefunden. Wenn Du jetzt meinst, dass eben jenes Too Old to Rock ’n’ Roll nicht typisch Anderson und Tull ist, dann denke ich eher: Anderson hat schon früh erkannt, wohin der Weg eines alten Rockers führt. Ab mit 180 Sachen in den Tod – oder in die Lächerlichkeit. Und da er nicht sterben wollte, blieb ihn kein anderer Ausweg. Er weiß also längst, dass er lächerlich wirkt. Und macht sich daraus einen Spaß. Und wenn er lesen würde, wie Du über ihn denkst, dann könntest Du ihn lächeln sehen (und würde beim nächsten Auftritt auch noch mit Augenklappe erscheinen).

Überhaupt zu den alten Rockopis. Ich habe dieser Tage die neueste Scheibe von Bob Dylan angehört. Der ist inzwischen 65. Und wenn dessen Stimme schon auf Scheibe so kaputt klingt, dann möchte ich nicht hören, wie die sich live anhört. Dagegen ist Andersons Stimme die eines Chorknaben.

Aber genug: Solange Anderson sich nicht an kleinen Kindern vergeht, sondern nur auf geigende junge Damen zu stehen scheint, ist es mir egal. Wünschen würde ich mir schon ein neues schönes Album von ihm, klar, mit viel Folk und so. Aber wir müssen es eben akzeptieren, dass der gute Mann älter geworden ist und das nicht mehr so viel von ihm kommen wird. Gern lassen wir uns eines Besseren belehren.

Ich habe deine Mail mit dem Lied von Loreena McKennit erhalten. Vielen Dank dafür. Von deren Website hatte ich mir schon einiges angehört. Es klingt alles sehr schön. Besonders die Harfe ist wirklich ein Instrument, das zu Musik mit keltischen Wurzeln passt. Zu den Gesängen im Hintergrund komme ich wohl später einmal zurück (sonst werde ich mit dieser Mail nie fertig, denn es ist eine längere Geschichte). Die Stücke von Loreena McKennit sind allerdings eine Musik, die nicht zu ‚allen Anlässen’ passt. Ich bin sehr ‚wetterfühlig’, um es einmal so auszudrücken. Gerade der jetzt beginnende Herbst hat z.B. so seine melancholische Seite. Da passt die Musik sicherlich sehr gut. Aber manchmal darf und muss es auch dröhnend und schmetternd sein. Da wir hier über Jethro Tull und Co. schreiben, denke ich z.B. an Blodwyn Pig, einen Ableger von Tull (übrigens noch ein weiteres Thema). Davon schon etwas gehört? Ich meine Musik!

Cover-Versionen: Ich habe Dir eine Version von „Life is a Long Song“ beigelegt. Einige der Cover-Versionen wurden mit alten Tull-Mitgliedern aus der Anfangszeit eingespielt (Mick Abrahams, Clive Bunker und Glenn Cornick). Man könnte denken, dass die Herren den alten Zeiten nachtrauern. Besonders Mick Abrahams hatte da wohl auch schon seine Probleme mit Ian Anderson, weil der gute Mick auf den Plakaten zu einer Tournee den Namen Jethro Tull (wahrscheinlich mit einem Ex- vorneweg) größer geschrieben hatte als den eigenen. Das Stück, das ich Dir mitsende, ist von Dave Pegg, dem Ex-Bassisten von Tull und Hauptagitator von Fairport Convention, und seinem Sohn Matt eingespielt worden. Daves Stimme … na ja, irgendwie kommt mir das Thema bekannt vor (von alten Herren, die den Bühnenausgang nicht finden).


Matt & Dave Pegg: Life ia a Long Song

Auch zu Konfession und Religion später mehr.

Dir und Deinen Lieben ein schönes Wochenende (und genieße einmal wieder die frische Luft).

Bis später
Wilfried

P.S. Als Anhang neben dem Doppel-Pegg auch noch eine Studioversion von „Jack-a-Lynn“, die mit dem Doppelalbum „20 Years of …“ erschienen war. Kennst Du die Scheiben? Da gibt es auch noch einige andere Stücke, die Dich interessieren müssten.

22.09.2006

English Translation for Ian Anderson