Heute Ruhetag (25): Daniel Defoe – Robinson Crusoes Leben und seltsame Abenteuer

Es gibt bei uns in Deutschland eine Reihe von Romanen, die z.T. stark gekürzt als Jugend- oder gar Kinderbücher auf den Markt kommen, obwohl sie ursprünglich für Erwachsene geschrieben wurden. Es handelt sich dabei um so genannte Abenteuer- oder Phantasieromane, die sicherlich für junge Menschen von besonderem Interesse sind. Was vielleicht nicht so ganz jugendfrei darin ist, wurde getilgt; das Ganze dann auf ein übersichtliches Maß reduziert, da es sich meist um sehr umfangreiche Romane handelt. Gullivers Reisen von Jonathan Swift gehört ohne Zweifel dazu, oft gekürzt um die Teile 3. und 4. und natürlich ohne die sozialkritischen und satirischen Positionen, die Swift in diesem Buch einnimmt. Ein ähnliches Schicksal ereilt meist auch den Ritter von der traurigen Gestalt, Don Quixote, von Miguel de Cervantes. Und obwohl auch voll Abenteuer und Phantasie blieb François Rabelais’ Gargantua und Pantagruel davon verschont, weil es wohl zu viele anzügliche Stellen beinhaltet, die nun einmal nicht jugendfrei sind.

Wie von Gullivers Reisen so finden wir im Buchladen eher eine Jugendausgabe vom Robinson Crusoe als den nach dem Original ins Deutsche übersetzten Roman. Daniel Defoe hat mit diesem Robinson einen Archetypen von Abenteurer geschaffen, der auch heute noch die Phantasie der Menschen, ob jung oder alt, beflügelt. Als etwas abgeschmackte Variante kommt dann so etwas wie das Dschungelcamp heraus, in dem sich C- und D-Prominente als Robinson versuchen dürfen.

Die Vorstellung, allein ohne jegliche Hilfsmittel auf einer Insel überleben zu müssen, hat natürlich etwas Beängstigendes. In gewisser Hinsicht muss man dann die Zivilisation für sich neu erfinden, muss schöpferisch tätig werden, denn sonst ist man schnell am Ende. Und es ist natürlich etwas völlig anderes, ob man sein Robinson-Dasein als Spiel oder als bittere Realität erlebt.

Heute Ruhetag = Lesetag!

Ich bin geboren zu York im Jahre 1632, als Kind angesehener Leute, die ursprünglich nicht aus jener Gegend stammten. Mein Vater, ein Ausländer, aus Bremen gebürtig, hatte sich zuerst in Hull niedergelassen, war dort als Kaufmann zu hübschem Vermögen gekommen und dann, nachdem er sein Geschäft aufgegeben hatte, nach York gezogen. Hier heirathete er meine Mutter, eine geborene Robinson. Nach der geachteten Familie, welcher sie angehörte, wurde ich Robinson Kreuznaer genannt. In England aber ist es Mode, die Worte zu verunstalten, und so heißen wir jetzt Crusoe, nennen und schreiben uns sogar selbst so, und diesen Namen habe auch ich von jeher unter meinen Bekannten geführt.

[…]

Nachdem ich nun meine Seele in solcher Weise an der tröstlichen Seite meiner Lage erhoben hatte, begann ich umherzublicken und auszuschauen, auf was für einem Lande ich mich eigentlich befinde und was zunächst zu thun sei. Da sank nun bald wieder mein Muth und ich erkannte, daß meine Errettung eine furchtbare Begünstigung sei. Ich war durchnäßt und konnte die Kleider nicht wechseln; hatte weder etwas zu essen, noch etwas zu meiner Stärkung zu trinken; keine andere Aussicht bot sich mir, als Hungers zu sterben oder von den wilden Thieren gefressen zu werden; und, was mich besonders bekümmerte, ich besaß keine Waffen, um irgend ein Thier zu meiner Nahrung zu tödten, oder mich gegen andere, die mich zu der ihrigen zu verwenden Lust hätten, zu wehren. Nichts trug ich bei mir als ein Messer, eine Tabakspfeife und ein wenig Tabak in einem Beutel. Dies war meine ganze Habe, und ich gerieth darob in solche Verzweiflung, daß ich wie wahnsinnig hin und her lief. Die Nacht kam, und ich begann schweren Herzens zu überlegen, was mein Loos sein würde, wenn es hier wilde Thiere gäbe, von denen ich wußte, daß sie stets des Nachts auf Beute auszugehen pflegen.

Die einzige Auskunft, die mir einfiel, war, einen dicken buschigen Baum, eine Art dorniger Fichte, die in meiner Nähe stand, zu erklettern. Ich beschloß, dort die ganze Nacht sitzen zu bleiben und am nächsten Tag die Art, wie ich meinen Tod finden wolle, zu wählen, denn auf das Leben selbst hoffte ich nicht mehr. Ich ging einige Schritte am Strande her, um nach frischem Wasser zu suchen: das fand ich denn auch zu meiner großen Freude. Nachdem ich getrunken und etwas Tabak in den Mund gesteckt hatte, um den Hunger abzuwehren, erstieg ich den Baum und versuchte mich in demselben so zu lagern, daß ich im Schlafe nicht herunter fallen könnte. Vorher hatte ich mir einen kurzen Stock, eine Art von Prügel zu meiner Vertheidigung abgeschnitten, und dann verfiel ich in Folge meiner großen Müdigkeit auf dem Baum in einen tiefen Schlaf und schlief so erquickend, wie es wohl Wenige in meiner Lage vermocht hätten. Nie im Leben hat mir, glaube ich, der Schlummer so wohl gethan wie damals.

Daniel Defoe: Robinson Crusoes Leben und seltsame Abenteuer

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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