Heute Ruhetag (27): Charles Dickens – Oliver Twist

Im Februar vor 200 Jahren wurde Charles John Huffam Dickens in Landport bei Portsmouth geboren. Also noch ein Jahrestag, denn wir gedenken sollten. Zu seinen bekanntesten Werken gehören Oliver Twist, David Copperfield, Eine Geschichte aus zwei Städten, Große Erwartungen sowie – Weihnachten steht ja fast schon wieder vor der Tür: Eine Weihnachtsgeschichte. Nur wenige Schriftsteller wurden so oft verfilmt wie Charles Dickens. Ein Grund dafür dürften Dickens’ Charaktere sein, die sich nicht nur durch ihre skurrilen Namen auszeichnen, sondern auch sehr einprägsam sind. Wer kennt eigentlich nicht Gestalten wie Ebenezer Scrooge, Oliver Twist, David Copperfield oder Uriah Heep, nach dem sich sogar eine Rockgruppe benannt hat. In seinen Werken finden sich oft konkrete Hinweise auf die sozialen Missstände des viktorianischen Zeitalters, etwa durch die beispielhafte Darstellung der kritischen Situation der armen Stadtbevölkerung oder der damals vorherrschenden Sozialstrukturen. So gewinnen wir einen bleibenden Eindruck von der damaligen Zeit.

Heute Ruhetag = Lesetag!

In einer Stadt, die ich aus mancherlei Gründen weder nennen will, noch mit einem erdichteten Namen bezeichnen möchte, befand sich unter anderen öffentlichen Gebäuden auch eines, dessen sich die meisten Städte rühmen können, nämlich ein Armenhaus. In diesem wurde an einem Tage, dessen Datum dem Leser kaum von Interesse sein kann, der Kandidat der Sterblichkeit geboren, dessen Namen die Kapitelüberschrift nennt.

Lange noch, nachdem er bereits durch den Armenarzt in dieses irdische Jammertal eingeführt war, blieb es höchst zweifelhaft, ob das Kind lange genug leben würde, um überhaupt eines Namens zu bedürfen. Es hielt nämlich ungern ein schwer, Oliver zu bewegen, die Mühe des Atmens auf sich zu nehmen, allerdings eine schwere Arbeit, die jedoch die Gewohnheit zu unserm Wohlbefinden nötig gemacht hat. So lag er, eine geraume Zeit nach Luft ringend, auf einer kleinen Matratze, wobei sich die Waagschale seines Lebens entschieden einer besseren Welt zuneigte. Wäre Oliver damals von sorglichen Großmüttern, ängstlichen Tanten, erfahrenen Wärterinnen und hochgelehrten Ärzten umgeben gewesen, so wäre er unzweifelhaft mit dem Tode abgegangen, so aber war niemand bei ihm als eine arme alte Frau, die infolge ungewohnten Biergenusses ziemlich benebelt war, und ein Armenarzt, der vertragsgemäß bei Geburten Hilfe leisten mußte. Oliver hatte deshalb die Sache mit der Natur allein auszufechten. Das Ergebnis war, daß Oliver nach einigen Anstrengungen atmete, nieste und endlich damit zustande kam, den Bewohnern des Armenhauses die Ankunft einer neuen Bürde für die Gemeinde durch ein so lautes Schreien anzukündigen, als sich füglich von einem Jungen erwarten ließ, der die ungemein nützliche Beigabe einer Stimme erst seit drei und einer viertel Minute besaß. Da erhob sich das bleiche Gesicht einer jungen Frau mit Mühe von den Kissen und eine schwache Stimme flüsterte kaum vernehmbar: „Lassen Sie mich das Kind sehen, dann will ich gern sterben.“

[…]

Erstes Kapitel – Handelt von dem Orte, wo Oliver Twist geboren ward, und von Umständen, die seine Geburt begleiteten

Signatur: Charles Dickens

Charles Dickens: Oliver Twist

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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