- „Die verbotenste Zeitschrift Deutschlands.“
(Der Spiegel)
Am Anfang war der Nikel, Hans A. Nikel, Gründer und Herausgeber der literarisch-satirischen Zeitschrift Pardon (eigentlich kleingeschrieben: pardon), die 1962 zum ersten mal auf den Markt kam und in Spitzenzeiten bis zu 320.000 Exemplare verlegte und damit eine Zeitlang Europas größte Satirezeitschrift war. Man glaubt es kaum, aber Loriot gestaltete damals das erste Titelblatt und Literaten wie Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser und Günter Grass waren als Autoren tätig. Heute bestens bekannte Schriftsteller und Zeichner wirkten mit: Robert Gernhardt, F.W. Bernstein, Kurt Halbritter, Hans Traxler, F.K. Waechter (Markenzeichen von Pardon war F. K. Waechters Teufelchen, das seine Melone lupft) und Chlodwig Poth, um nur einige zu nennen.
„Die Zeitschrift Pardon, 1962 gegründet, befand sich nach einem guten Jahrzehnt verdienstvollen Satireschaffens (Aber hallo! Gesellschaftspolitische Aufmisch-Aktionen im glorreichen 68er-Schwung!) nun leider im Zustand des Siechtums. Jedenfalls sahen das all diejenigen so, die dort bereits längere Zeit mitgearbeitet und sich inzwischen einer nach dem anderen davongemacht hatten.
Es war ja nicht mehr zum Aushalten gewesen! Autoritäre Strukturen in antiautoritären Zeiten. Läppisch servile Servicebeiträge statt knallhart komischer Satire. Und schließlich […] auch noch der tiefe Fall des allmächtigen Ein Mann-Besitzers und Chefredakteurs aus den lichten Höhen rational aufklärerischer Satire in die Schleimgruben esoterischer Weltsicht.“
(aus: TITANIC – Das Erstbeste aus 30 Jahren – s.u.)
Hans A. Nikel konvertierte zu Johannes Nikel.
Einige Mitarbeiter trennten sich also, fanden sich zur Neuen Frankfurter Schule zusammen und gründeten 1979 die TITANIC als Konkurrenzmagazin. Nikel beendete seine Herausgebertätigkeit Ende 1980 und verkaufte Pardon an den Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza. Chefredakteur mit neuer Redaktion in Hamburg wurde Henning Venske. Während dieser Zeit erschien das Blatt nicht mehr geklammert, sondern wie eine Zeitung gefaltet. 1982 wurde Pardon eingestellt. Im April 2004 begann der Jenaer Satiriker Bernd Zeller (eine Zeitlang auch Mitarbeiter bei der TITANIC) mit der Herausgabe einer gleichnamigen Zeitschrift, nachdem er die Namensrechte von Nikel erworben hatte. Ich habe mir ab und zu ein Heft gegönnt (siehe meinen Beitrag Eulenspiegel, pardon oder Titanic?), wenn ich im Zeitschriftenhandel über eines stolperte. Im September 2007 wurde die Zeitschrift mit nur noch 1.000 Abonnenten eingestellt, der Onlineauftritt wird unter dem Namen Darvins Illustrierte fortgeführt. Am 6. Dezember soll zum 50. Jahrestag angeblich eine einmalige Ausgabe der Pardon erscheinen.
Es gibt sicherlich eine Menge satirischer Blätter, meist aber nur in kleinen Auflagen. Neben Eulenspiegel (Website des Eulenspiegel), der 1954 aus dem Satireblatt Frischer Wind hervorging und in Ostdeutschland gegründet wurde, ist seit 1979 TITANIC das meist gelesene Satiremagazin.
„Als die TITANIC von Robert Gernhardt, Peter Knorr, Chlodwig Poth, Hans Traxler und F.K. Waechter 1979 gegründet wurde, da glaubte man, bestenfalls drei Jahre über die Runden zu kommen. Nachrückende neue Kräfte, hoffnungslose Jungsatiriker aus der Provinz und andere Totalversager würden das Blatt dann schon erfolgreich zugrunde richten. Doch bisher sind alle nachwachsenden Generationen an diesem Projekt gescheitert. Zur Verblüffung ihrer Gründer hat sich die TITANIC als unsenkbar entpuppt. Dieses Buch versammelt nicht nur die besten Geschichten, Cartoons und Fotowitze aus dreißig Jahren – vom Buntstiftlutscher bei ‚Wetten, dass ..?‘ über ‚Genschman‘ und die ‚Zonen-Gaby‘ bis zum Fresskorb, mit dem die Fußball-WM 2006 ins Land gelockt wurde -, sondern auch zahlreiche unveröffentlichte Originalbeiträge. Ein Muß für alle Fans von intelligenter Satire.“
(Klappentext aus: TITANIC – Das Erstbeste aus 30 Jahren)
TITANIC besteht also jetzt seit über 30 Jahren. Zum 30. Jubiläum erschien das Buch als gebundene Ausgabe. Und vor einigen Wochen ist es auch für schlappe 14 € 95 als großformatiges, gut 410 Seiten starkes Taschenbuch erhältlich: 30 Jahre TITANIC
Natürlich als Liebhaber der Satire (und in jungen Jahren zusammen mit meinem alten Kumpel Hajo Graue Verfasser satirisch angehauchter Texte – siehe u.a.: Der Idiot) habe ich mir neben dem einen oder anderen Heftchen auch dieses Buch begönnt. Es ist eine Zeitreise in die Politik, Kultur und das Sexualverhalten sowie die größten Saufgelagen der letzten drei Jahrzehnte, ironisch-gepfeffert, satirisch-gesalzen und sarkastisch in Gurkenwasser getränkt, dass einem die Spucke wegbleibt. Wie hieß es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Die TITANIC ist das Flaggschiff des deutschen Humors.“ Diese ironische Überspitzung trifft voll ins Blaue, also daneben: TITANIC ist das Ätzendste was einer/einem unter die Augen kommen kann. Also Vorsicht: Gefahrgut! Nichts für verzärtelte Gemüter! Daher nur heiß zu empfehlen.
Siehe auch meinen Beitrag: Titanic versus Blogger
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