Was ist bloß mit Ian los? Teil 38: Friede auf Erden

Hallo Wilfried,

im Kollegenkreis habe ich jene Leute über Maria Laach informiert, von denen ich weiß, dass sie JT kennen. Das sind nicht alle. Deshalb war meine Formulierung „fast die ganze Abteilung“ sicher übertrieben. Die schriftstellerische Freiheit ist einfach mit mir durchgegangen…

Die Beobachtungen des Herrn Weber über das Headset decken sich mit meinen Eindrücken. Da gehe ich mit ihm konform. Mit den kontroversen Ansichten meinte ich die unterschiedlichen Bewertungen, zu denen Herr Weber und ich beim „Roots“-Album kommen. Ich fürchte, meine sprachliche Präzision lässt in letzter Zeit zu Wünschen übrig.

Dass das Familienfoto doch schon acht Jahre alt ist, betrübt mich ein wenig. Naja, in gut einer Woche weiß ich ganz genau, wie der Meister aktuell aussieht. Seine Äußerungen zum Milchtrinken lege ich in die Schublade der Anderson’schen Ironie. Ich finde immer häufiger Fotos, die ihn mit einer Bierflasche zeigen. Jedesmal diese dunkelgrünen Pullen, jedesmal zu dreiviertel gefüllt.

Deine Theorie, dass „No Lullaby“ für seinen Sohn geschrieben ist, kann ich nicht unterstützen. Im gesamten Text ist von Drachen, Ungeheuern, Waffen, Tod und Teufel die Rede. So etwas schreibt niemand, der unter dem Einfluss von frischen Vaterfreuden steht. Einen augenfälligen Hinweis auf Rechtsradikalismus sehe ich allerdings auch nicht.

“Jack-a-Lynn“ halte ich schon für ein Liebeslied. Der Song kommt zwar ohne die gebräuchlichen Vokabeln wie Liebe, lieben, Sehnsucht usw. aus, aber in meinen Augen beschreibt er das Verlangen des Sängers, bei seiner Jacky zu sein. Du schreibst, der Song sei „alles andere als ein Liebeslied“. Was ist es in Deinen Augen ? Selbst Mr. Anderson ist nicht kaltschnäuzig genug, um sich auf die Bühne oder in ein Studio zu stellen und seine Frau zu schmähen.

Was die Bedeutung der JT-Texte angeht, wirst Du mich zukünftig ernst nehmen müssen:
Seit heute liegt mir Karl Schramms Songbook (mit den deutschen Übersetzungen!) vor. Ein Kollege, der sich mit den Internet-Antiquariaten auskennt, hat es für mich an Land gezogen. Die dritte Auflage von 1997. Es fehlen also jene Titel, von denen ich die meisten sowieso nicht kenne. Wenn ich mich recht erinnere, hast Du Dich gefragt, wer in der Textzeile aus TAAB „Where the hell was Biggles…?“ dieser Biggles sei. Also: Who the hell is Biggles ? Hierauf gibt das Buch eine Antwort: Biggles ist eine Romanfigur, ein Flieger aus dem Ersten Weltkrieg. Wahrscheinlich ein Superheld, der jedermanns Probleme ohne Mühen lösen kann.

Doppel-G-Punkt Anderson:
Entgegen den Äußerungen in meiner letzten mail glaube ich nicht daran, dass Herr Schlagerfuzzi die zwei Gs in seinen Namen aufgenommen hat, um erotische Extasen zu suggerieren. Vielmehr wird der Grund hierfür in seinem bürgerlichen Namen zu finden sein: Gerd Günther Grabowski. Aber Du hast Recht: Der Typ spukt schon seit Jahren durch meinen Kopf. Trotz seines kommerziellen Erfolges ist er für mich der Archetypus eines Schlager-Deppen. Davon gibt es zwar viele, aber ihn halte ich für die Krönung. Besonders sein „Mädchen, Mädchen“ finde ich unterirdisch schlecht, absolut peinlich und vollkommen unmöglich. Geradezu unaussprechlich. Und ausgerechnet dieser Knilch muss sich Anderson nennen. Klar, das ist ein geläufiger Name. Aber jemand wie ich assoziiert damit unweigerlich den Meister. Hätte er sich G.G. Jackson genannt, wäre meine Welt in Ordnung. Aber – wir haben Advent. Keine Hasstiraden mehr.

Ich bin nicht sicher, ob ich Deine letzte Frage „Samstag noch nach Aachen?“ richtig interpretiere. Falls Du damit meinst, ob ich in die Stadt zum Einkaufen muss, so lautet die Antwort nein. Falls Du meinst, ob ich mir Samstag unsere Alemannia auf dem Tivoli anschauen werde, ist die Antwort die Gleiche. Falls Du etwas ganz anders meinen solltest, bitte ich um Aufklärung. Apropos einkaufen: Ein Kollege von mir war letztes Wochenende in Oberhausen, im „Centro“. Er hat eine Stunde gebraucht, um aus dem Parkhaus zu kommen.

Friede auf Erden den Menschen und Mitarbeitern des Einzelhandels.
So langsam wird das Thema Weihnachten ernst.
Eine gute Zeit wünscht Euch
Lockwood

14.12.2006

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Hallo Lockwood,

die Spannung steigt, da Weihnachten naht und damit der Fernsehauftritt von Herrn Anderson. Lt. ZDF tritt der Meister mit Band auf. Wer dazu gehört, kann man nur erahnen. Ich denke aber, dass Sohnemann James Duncan wieder am Schlagzeug sitzt und der 21/22-jährige Rosenheimer/Münchner Florian Opahle die Gitarre zupft. Lassen wir uns überraschen. Natürlich bin ich auch gespannt, was gespielt wird. Da die Sendung eine Stunde dauert, Mario Adorf und wohl auch der Bundespräsident höchst persönlich etwas vorlesen, die gute Carmen Nebel das Ganze moderiert, bleibt nicht viel Zeit – vielleicht für zwei, maximal drei Stücke (Bourree ist schon obligatorisch für solche Konzerte und dann noch etwas vom Christmas Album, voraussichtlich Instrumentaltitel, allerhöchstens „The Christmas song“ mit Gesang – „the christmas spirit ist not what you drink!“).

Nur kurz noch etwas zu „Roots to Branches“. Herr Weber äußert sich besonders positiv zu der Leistung des Drummers Doane Perry. Ich kann das nur unterstützen. Ich habe bei youtube.com einige Live-Mitschnitte von einer Sendung zum 300. Geburtstag von Johann Sebastian Bach eingestellt („Bach-Rock“), die aus 1985 stammen und in denen bereits Doane Perry die Schlagstöcker wirbelt. Übrigens findest Du auch Herrn Jobson hier wieder, der wohl kurzzeitig für dieses Konzert angeheuert wurde. Es ist darüber hinaus das einzigste Konzert, dass Jethro Tull 1985 gab (lt. ministry-of-information.co.uk). Beachtenswert ist die Kopfbedeckung, die der Meister hierbei trug: ein Baseball-Käppi. Das ganze Konzert hat etwas Kurioses. Wenn Du dabei Dein Augen- und Ohrenmerk einmal dem Mann an der Schießbude widmest, wirst Du einen sehr agilen Mann erleben, der sichtlich Spaß an seinem Job hat (und das zudem auch sehr ordentlich bewerkstelligt). Überhaupt ist das Konzert ganz in Ordnung, bedenkt man, dass den Jungs die Auftrittspraxis fehlt. Nur Herrn Andersons Stimme klingt hier schon ziemlich eingerostet (hatte wohl damals schon einen Knacks weg).

Zu dem Foto des Ehepaars Anderson: Vielleicht trinkt Herr Anderson Milch aus dunkelgrünen Flaschen?

Ich habe nicht gesagt, dass Ian Anderson das Lied „No Lullaby“ für seinen Sohn geschrieben hat. Von Widmungen, welcher Art auch immer, hält er wohl nicht viel (oder täusche ich mich da? Werde die Plattencover einmal danach durchforsten – das ist auf jeden Fall ein nicht unwichtiger Aspekt, oder was meinst Du?). Wenn er von Ungeheuern usw. schreibt und singt, dann meint er das wie so oft im übertragenem Sinne. Von daher ist es durchaus möglich, dass er im Erstarken faschistischer Umtriebe Ungeheuer usw. gesehen hat. Auf der anderen Seite steht ein Text wie

Keep your eyes open and prick up your ears
rehearse your loudest cry.
There’s folk out there who would do you harm
so I’ll sing you no lullaby.

für die Wachsamkeit z.B. des Vaters, den Sohn vor Gefahren zu schützen. Wiegenlieder allein helfen da nicht.

Und zum „Jack-a-Lynn“-Text: Würdest Du es für ein typisches Liedeslied halten, wenn jemand kalte Flugzeuge, langsame Boote und warme Züge in Verbindung mit seiner Liebsten bringt („Cold aeroplanes, slow boats, warm trains remind me of Jack-A-Lynn”)? Da wir wissen, dass Ian Anderson viel unterwegs ist, dann ist es mit Sicherheit nicht verwunderlich, wenn er sich nach seiner Frau sehnt, wenn er im Flugzeug friert oder im überhitzten Zug schwitzt usw. Meine Formulierung „alles andere als ein Liebeslied“ war eigentlich anders gemeint. Das Wörtchen „herkömmlich“ fehlt: … alles andere als ein herkömmliches (typisches) Liebeslied!

So, Du bist jetzt also stolzer Besitzer des Schramm-Songbuches? Das sollte in überarbeiteter Auflage im Herbst diesen Jahres auf den Markt kommen (auch der Preis von 29,90 € steht schon lange fest). Ist es aber nicht. Wo hast du es dann gefunden im Internet? Ich habe (fast) alle Online-Antiquariate abgeklappert. Lediglich aus den USA hätte ich es mir für rund 100 € bestellen können (was mir dann doch etwas zu viel ist – war wohl auch nicht das mit deutschen Übersetzungen). Da brauche ich in Zukunft nur Dich zu fragen, wenn ich mit Übersetzungen nicht weiterweiß?! Das mit Biggles hatte ich übrigens schon selbst dank Internet geklärt. Ist ein Serienbuchheld und auch eine Comic-Figur, um genau zu sein.

Gerd Günther Grabowski ist allerdings wirklich kein Name, um als Schlagerfritzi die Herzen der Damen zu erobern (und drei G’s wären mindestens eines zu viel). Aber Anderson musste es nun nicht gerade sein. Kann ja auch keiner so schöne Namen wie wir haben, oder? Da kann man in allen Branchen Karriere machen – auch ohne Namensänderung respektive Künstlernamen. Was ich nie so ganz verstanden habe: Wenn ein Schlagerheini deutsche Texte singt, warum muss der dann einen englischen (oder englisch klingenden) Namen haben? Hierfür gibt es ja noch viele andere Beispiele (Roy Black, der Inbegriff deutschen Schlagertums schlechthin). Wohlklingende deutsche Namen würden es doch auch tun (nicht nur die unserigen).

„Samstag nach Aachen“ war mit Einkaufen gemeint. Ich weiß doch, dass Du kein Fußball-Fan bist (erstaunlich nur, dass Du von „unserer Alemannia“ schreibst – reiner Lokalpatriotismus?). Bei uns ist, wenn es ums Shoppen geht (oder Kinobesuch), meist Hamburg-Harburg angesagt. Mit der Bahn sind das keine 20 Minuten von uns – und dort gibt es seit etwas einem Jahr ein großes Einkaufszentrum. Ansonsten hängen wir noch etwa 10 Minuten Fahrzeit dran und fahren bis Hamburg Hbf.

Nun, lass Dich die wenigen Tage vor Weihnachten nicht aus der Ruhe bringen. Schon für einen Weihnachtsbaum gesorgt? Wir haben uns gestern frischgesägt einen Baum geholt.

Bis bald
Wilfried

P.S. Zum Lesen von Harry Mulischs „Die Entdeckung des Himmels“ bin ich bisher nicht gekommen. Ich hatte an dem besagten Abend, als die Verfilmung im Fernsehen lief, zwar keine Zeit, habe aber den Film aufgenommen und werde ihn mir beizeiten angucken. Einigen Kritiken zufolge soll er aber nicht ganz so gut sein. Ich werde sehen. Dank für den Hinweis.

18.12.2006

English Translation for Ian Anderson