Am Ende war es dann doch überraschend: Fußball-Bundesligist Werder Bremen und Thomas Schaaf gehen seit gestern ‚einvernehmlich’ getrennte Wege. Der 52-Jährige, seit 1972 im Verein und seit 1999 Cheftrainer der Bundesligamannschaft, wird auf eigenen Wunsch nicht mehr beim Auswärtsspiel beim 1. FC Nürnberg auf der Bank sitzen. Die Betreuung der Mannschaft in den letzten beiden Wochen der Saison übernehmen Schaafs bisherige Co-Trainer Wolfgang Rolff und Matthias Hönerbach. Damit geht eine 14 Jahre währende Ära zu Ende. Schaaf, dessen Karriere als Chefcoach an der Weser 5119 Tage dauerte und damit nur unwesentlich kürzer als die von Werders Trainer-Dino Otto Rehhagel (5202) war, hatte sich gestern Morgen von den Spielern und seinen Trainerkollegen verabschiedet und seinen Arbeitsplatz verlassen.
Natürlich musste man sich zuvor fragen, wie es nach dieser vermurksten Saison weitergehen soll. Und auch die Frage, ob Schaaf weiterhin Cheftrainer bleiben soll, konnte nicht vom Tisch gewischt werden. „Wir haben in den vergangenen Tagen unsere sportliche Entwicklung analysiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir einen Neuanfang wagen wollen.“, sagte Sportdirektor Thomas Eichin auch im Namen seiner beiden Geschäftsführerkollegen Klaus Filbry und Klaus-Dieter Fischer. Einen Neuanfang ohne Thomas Schaaf.
Jetzt lautet die Frage natürlich: Wenn ohne Thomas Schaaf, mit wem aber dann?
Ein Blick zurück? Eigentlich begann die Saison 2012/2013 vielversprechend. Werder gewann den Liga total!-Pokal gegen Bayern München und Borussia Dortmund und zeigte alte Tugenden – den Dran nach vorn. Der angestrebte Umbruch schien auf gutem Weg: neuer Wind wehte im Werder-Segel. Aber schon bald ließ man viele Punkte liegen und erreichte zur Halbzeit nur den 12. Tabellenplatz, immerhin mit 10 Punkten Vorsprung auf den 16. Tabellen-, den Relegationsplatz. Die angekündigte Aufholjagd wurde aber schon bald im Keim erstickt. Und da war dann zuvor auch noch der Abschied von Klaus Allofs, Sportdirektor und Vorsitzender der Geschäftsführung, und sein Wechsel nach Wolfsburg.
Thomas Schaaf war plötzlich dort, wo er vor 14 Jahren begann, als schon einmal der Abstieg drohte. Was war geschehen und welchen Anteil hatte Thomas Schaaf an diesem Niedergang? Es ist müßig, die Ursachen zu ergründen. Viele individuelle Fehler von einzelnen Spieler sorgten für zu viele Gegentore. Arnautovic, in der Hinrunde endlich auf einem guten Weg, wollte es jetzt besonders gut machen – und machte so ziemlich alles falsch. Zudem verfiel er wieder in die alte Agonie. Und Elia, sein Kumpel aus alten Zeiten beim FC Twente, kam erst gar nicht in Gang. Die Suspendierung der beiden durch Schaaf kurz vor Saisonende spricht Bände. Ist die Mannschaft einmal verunsichert, fehlt ihr das nötige Selbstvertrauen, dann läuft einfach nicht mehr viel zusammen. Hier gelang es Thomas Schaaf nicht ausreichend, die Spieler zu motivieren. Und plötzlich fehlte ihm auch das notwendige ‚glückliche Händchen’, das er früher immer wieder bei der Aufstellung oder bei Einwechselungen hatte. Manche Anfangsaufstellung erwies sich sogar als gehöriger Schuss nach hinten. Der mächtige Geschäftsführer Fischer hatte vor Tagen bereits den Finger in die Wunde gelegt. „Wir haben es nicht geschafft, an die Europa League heranzurücken. Wir sind nicht glücklich mit den Einkäufen der letzten Zeit. Und nicht mit der Zuführung junger Spieler in den Profi-Kader. All das müssen wir diskutieren.“ Werder wird sich keine teuren Neueinkäufe leisten können. So müssen junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs an die 1. Mannschaft herangeführt werden. Das ist Thomas Schaaf nur ansatzweise gelungen. Auch ist aufgefallen, dass Schaaf in letzter Zeit viel lamentierte und nur wenig Konkretes aussagen konnte.
Die Trennung ist ‚einvernehmlich’, eben ‚werder-like’. Schaaf und Allofs haben viel dazu beigetragen, dass der SV Werder über die Region hinaus viele Anhänger hinter sich versammeln konnte. Werder stand unter ihrer Aufsicht für attraktiven Angriffsfußball, aber auch für Fairness, Toleranz und einem guten Einvernehmen mit den Fans. Wenn Schaaf jetzt geht, freiwillig geht, so ist es auch seine Frustration, die der jahrelange Kampf mit ‚Problemspielern’ (eben Arnautovic, Elia u.a.) mit sich bringt. Und wenn man Schaaf jetzt gehen lässt, dann eben auch wegen der Einsicht, dass genau diese Problemspieler nicht auf die Straße gesetzt werden können, sie binden immerhin noch Kapital, sondern dass weiterhin der Versuch unternommen werden muss, sie in die Mannschaft zu integrieren. Diese Differenz zwischen Wollen (bei Schaaf) und Müssen (bei der Vereinsführung) dürfte mit einer der Gründe für die Gehen von Thomas Schaaf sein.
Wer den Abschied von Thomas Schaaf begrüßt, sollte dann auch eine Alternative zu ihm nennen. Genau das ist jetzt der Punkt. Wer soll, kann und wird sein Nachfolger bei Werder Bremen als Cheftrainer werden? Als Nachfolger wurden Mehmet Scholl und Holger Stanislawski (1. FC Köln), die beide allerdings bereits abgesagt haben sollen, Stefan Effenberg, Norbert Meier (Fortuna Düsseldorf), Ralph Hasenhüttl (VfR Aalen) und sogar Felix Magath gehandelt. Für mich käme auf dem ersten Blick nur Norbert Meier in Frage. Fortuna Düsseldorf droht noch die Relegation gegen den 3. der 2. Liga, 1. FC Kaiserslautern. Bis dahin wird Norbert Meier den Rheinländern die Stange halten wollen. Gegen Meier, der jahrelang für den SV Werder gespielt hat (alte Rehhagel-Schule!), spricht die Aussage des Sportdirektors Thomas Eichin: „“Es wird ein Trainer von außen kommen, einer, der hier nicht jeden Stein kennt“.
Ich selbst habe Thomas Schaaf (und damals auch Klaus Allofs – allein schon wegen vieler Fehleinkäufe, die beide zu verantworten hatten) öfter kritisiert. Mir war aber dabei immer klar, dass ich ihn nicht ‚in die Wüste’ schicken kann, wenn ich nicht einen geeigneten und vor allem besseren Nachfolger benennen kann. Dieser muss nämlich auch zu Werder passen. Magath, nur als Beispiel, hat sich da vor Jahren als völlig ungeeignet erwiesen (aber nicht nur in Bremen). Da das Kind nun einmal in den Brunnen gefallen ist, ein Nachfolger für Thomas Schaaf gefunden werden muss … da könnte mir der Name Ralph Hasenhüttl, der den VfR Aalen in die 2. Liga und dort auch gleich auf einen guten Platz im Mittelfeld geführt hat, plötzlich gefallen. Angesichts roter Zahlen auf Werders Bankkonten wäre dieser wohl auch finanziell tragbar. Aber genug: Lassen wir uns überraschen und hoffen zunächst auf ein gutes Saisonende im Spiel am Samstag in Nürnberg.