Am 30. Juli wird sie auch schon 55 Jahre alt. So wie die Heroen meiner Jugendzeit, die Herren Musiker mit ihren heute meist schon über 60 Jahren auf dem Buckel über alle Maße gealtert sind, so muss entgegen meiner Ansicht, Frauen altern nicht, doch festgestellt werden, dass auch sie nicht nur in die Jahre gekommen ist, sondern auch ein ihrer Jahre entsprechendes Aussehen angenommen hat. Die Rede ist von Kate Bush. Da hilft nur viel Schminke und das richtige Licht, um sie jünger erscheinen zu lassen.
Kate Bush: ca. 2011 |
Kate Bush: Director’s Cut (2011) |
Ja, das Altern. Pillen helfen nicht dagegen – und Botox auch nur scheinbar. Was hilft: Man muss zu seinem Alter stehen. Es darf spekuliert werden. Seit 1979 gibt Kate Bush keine Konzerte mehr. Vielleicht ist das dem Alter geschuldet, was sie aber nicht davon abhält, weiterhin, wenn auch in großen Abständen, ihre Musik unters Volk zu bringen. Ist ja auch gut so.
Das Jahr 2011 war in dieser Hinsicht ein sehr produktives Jahr für Kate Bush. Hatte es immerhin 12 Jahre gedauert, bis im November 2005 ihr Doppelalum „Aerial“ veröffentlicht wurde (Kate is back), so mussten weitere sechs Jahre vergehen, bis Kate Bush zunächst Director’s Cut, dann im November 2011 50 Words of Snow auf den Markt brachte – letzteres habe ich bereits eingehend angesprochen (Kate Bushs Gespür für Schnee).
‚Director’s Cut’ ist eigentlich nichts anderes als ein Album, für das Kate Bush Original-Tonspuren von Tracks aus ihren Alben The Sensual World (1989) und The Red Shoes (1993) frisch aufgearbeitet. Alle Lead Vocals und alle Schlagzeug-Spuren der Songs sind dabei neu aufgenommen worden. Drei Stücke wurden komplett neu eingespielt, darunter „This Woman’s Work“. ‚Director’s Cut’ ist auch als Collector’s Edition mit den remasterten Alben ‘The Sensual World’ und ‘The Red Shoes’ erhältlich.
Beide Alben kannte ich bisher nur zum Teil. Es handelt sich dann auch um die letzten beiden Album bis eben 12 Jahre später das Doppelalum „Aerial“ erschien. Zum einen war Kate Bush wohl nicht so zufrieden mit den beiden Alben, zum anderen sehe ich in den Neuaufnahmen, besonders des Gesangs, eine Einübung auf das dann folgende Album ‚50 Words of Snow’. Die Stimme war etwas eingerostet und brauchte wohl ihre Zeit, wieder ‚in Gang’ zu kommen. Besonders deutlich wird das bei ‚Rubberband Girl’, dem letzten Lied auf dem neuen Album. Es klingt wie eine schlechte Kate Bush-Karaoke-Parodie. Ich weiß nicht, was Frau Bush hier eingefallen ist. Bei den anderen Liedern klingt das dann schon wesentlich besser. Unverkennbar ist aber, dass ihre Stimme nicht mehr die prickelnde Frische von eisigem Quellwasser hat, wie ich einst schrieb, sie klingt nicht mehr nach klarem Kristall. Die Stimme ist gereift, um einige Nuancen dunkler geworden. Manchmal erkennt man leider auch nicht andeutungsweise heraus, dass Kate Bush hier singt. Es könnte jede beliebige andere Pop-Sängerin sein. Was aber besonders stört, ist die schlechte Tonqualität, die Abmischung der Aufnahmen. Hier frage ich mich, was Frau Bush getrieben hat. Der Klang ist reichlich dumpf, ohne Dynamik, das neu aufgenommene Schlagzeug scheppert zwar nicht mehr, geht aber dafür bei einigen Stücken fast unter. Leidet Frau Bush vielleicht an einem Hörschaden? Meine Ohren sind mit dem Alter (ja, wieder das leidige Alter) auch nicht mehr die besten. Aber es sind wesentliche Unterschiede zwischen den alten Aufnahmen (aus 1989 und 1993) und diesem aufgearbeiteten Material aus dem Jahre 2011.
Hier die Setlist des Albums ‚Director’s Cut’ (2011):
1. Flower Of The Mountain (im Original betitelt als: The Sensual World)
2. Song Of Solomon
3. Lily
4. Deeper Understanding
5. The Red Shoes
6. This Woman’s Work
7. Moments Of Pleasure
8. Never Be Mine
9. Top Of The City
10. And So Is Love
11. Rubberband Girl
Das titelgebende erste Stück des Albums, „The Sensual World“, schrieb Bush inspiriert von James Joyces Roman Ulysses (Original: Volltext). Sie bezog sich dabei im Speziellen auf die Redepassage der weiblichen Protagonistin des Buches (Molly Bloom), die sie im Wortlaut gegen Ende des Liedes zitieren wollte (Mollys inneren Monolog). Bush hatte die Stimmaufnahme im Studio bereits eingespielt, erhielt jedoch von den Erben des Schriftstellers letztendlich keine Verwendungserlaubnis. Bush ersetzte die Textstelle durch einen entfernt ähnlich klingenden neuen Text. Als Bush für das Album „Director’s Cut“ unter anderem auch den Titel „The Sensual World“ neu einspielte, wurde ihr dieses Mal gestattet, auf Joyces Originaltext zurückzugreifen. Bush setzte entsprechend ihre ursprüngliche Textidee um und gab den Stück mit „Flower of the Mountain“ einen neuen Namen.
The Flower of the Mountain (The Sensual World)
yeeeees first I gave him the bit of seedcake out of my mouth and it was leapyear like now yes
16 years ago my God after that long kiss I near lost my breath yes he said
was a flower of the mountain yes so we are flowers all a woman’s body yes
stepping out of the page into the sensual world….
stepping out of the page into the sensual world….
and Gibraltar as a girl where I was a Flower of the mountain yes
when I put the rose in my hair like the Andalusian girls used or shall
I wear a red yes and how he kissed me under the Moorish wall and
I thought well as well him as another
stepping out of the page into the sensual world….
stepping out of the page into the sensual world….
and then I asked him with my eyes
to ask again yes and then he asked me would I yes to say yes my mountain flower
and first I put my arms around him yes and drew him down to me so he could feel
my breasts all perfume yes and his heart was going like mad and yes I said yes I will Yes.
„und hab ihn mit den Augen gebeten er soll doch nochmal fragen ja und dann hat er mich gefragt ob ich will ja sag ja meine Bergblume und ich hab ihm zuerst die Arme um den Hals gelegt und ihn zu mir niedergezogen daß er meine Brüste fühlen konnte wie sie dufteten und das Herz ging ihm wie verrückt und ich hab ja gesagt ja ich will Ja.“
Kate Bush: Flower Of The Mountain (Originally Titled The Sensual World) from Sky Vibes on Vimeo.
Hier noch die Neuaufnahme von ‚Deeper Understanding’, ebenfalls vom The Sensual World-Album. Während die ‚Computer’-Stimme in der alten Version (1989) noch ziemlich menschlich klang, ist sie hier bedeutend verfremdet – klingt mir dann eher wie eine Computer-Stimme aus fernen Zeiten (z.B. 1989). Oder habe ich da etwas verwechselt? Nein, ich habe nicht …
Kate Bush – Deeper Understanding (Version 2011)
Wie gesagt – für mich klingt ‚Director’s Cut’ wie das stimmliche Einüben zum Album ‚50 Words of Snow’. Was ihr auf ersterem noch nicht gelingt, ist auf dem letzteren schon wieder eine Klasse für sich. Natürlich ist auch dort die Stimme wesentlich dunkler als zu früheren Zeiten. Aber das Gesangstraining hat sich gelohnt. Um ‚Director’s Cut’ nicht völlig zu verreißen: Natürlich ist es interessant, die stimmlichen Unterschiede zu vergleichen. In manchen Passagen legt sich Kate Bush bei den Neueinspielungen auch mächtig ins Zeug. Aber insgesamt ist das Album höchstens ein Muss für völlig eingefleischte Kate Bush-Fans. Obwohl ich Kate Bush mag, so eingefleischt bin ich dann wohl doch nicht.
Zuletzt auch noch einige bewegte Bilder mit Kate Bush aus dem Jahre 2012 anlässlich einer Preisverleihung an Kate Bush für ihr ‚50 Words of Snow’-Album (etwas pummelig geworden ist sie denn ja auch noch):
Kate Bush – South Bank Sky Arts Pop Award 2012