Sparstrumpf Oder: Hinter den Kulissen der Finanzwelt

Auf einem Sparkonto habe ich etwas Geld aus einer kleinen Erbschaft angelegt, für das ich im letzten Jahr sage und schreibe etwa 0,24 % Zinsen bekam. Ein Witz! Genauso gut hätte ich das Geld in einem Sparstrumpf aufbewahren können. Dafür beträgt der Zinssatz für Dispositionskredite 12,3 % bzw. 16,9 % für geduldete Kontoüberziehungen. Früher hätte man das Wucherzinsen genannt. Ich erinnere mich an Zeiten, da bekam man für sein Erspartes Zinssätze um die 8 %.

Für Banken sind die Geldanlagen und die Kreditvergaben an uns ‚kleine Leute’ nur noch Kleinkram, der kaum die Portokasse deckt. Lieber macht man in großen Geschäften und jongliert mit abstrusen Finanzprodukten, jenen Derivaten. Es darf gezockt werden. Ein etwas kurioses, reichlich überspitztes Beispiel ist die Tatort-Folge Die Ballade von Cenk und Valerie aus dem vorigen Jahr, in der gewissermaßen auf den Tod des Bundeskanzlers ‚gewettet’ wurde.

Wohin diese Zockerei führt, hat uns die Finanzkrise gezeigt:

Die Finanzkrise kam über Deutschland wie ein Tsunami, von weit her und völlig unvorhersehbar. Verantwortlich sind die USA, die Leidtragenden sind wir. Diese These ist ebenso eingängig wie falsch.

Verdeutlicht wird das in der filmischen Dokumentation Banken außer Kontrolle – Wie die Politik uns in die Krise führte in der ARD. Die Autoren Julia Klüssendorf und Stefan Jäger zeigen, wie alle Regierungen in Deutschland seit den Neunzigern die vorhandenen Alarmsignale ignoriert haben. Die Autoren blicken hinter die Kulissen und zeigen, warum unsere Politiker den Bankern freie Hand ließen.

ARD: Banken außer Kontrolle (2013)

Um die deutsche Finanzwelt gegenüber dem Weltmarkt zu stärken, hatten Politiker alle Schranken, die die Geldgeschäfte hemmen konnten, fallen gelassen. Das begann in den 90er Jahren unter Helmut Kohl und setzte sich bis heute fort.

Von der Euphorie des Börsenfiebers der Neunziger ist nicht viel übrig. Quer durch die Parteien gibt es heute Befürworter einer Regulierung der Finanzmärkte. Die aber kommt nur schleppend voran.

2008 hatte ich mich bereits etwas genauer mit der Situation beschäftigt (Der Anfang vom Ende). Und nach der Finanzkrise kam dann fast zwangsläufig auch die Euro-Krise. Während für die Bankenrettung angeblich 74 Milliarden Euro aufzubringen waren (siehe Film-Doku), dürfte die Rettung des Euros den deutschen Steuerzahlern noch einmal ein Vielfaches von dem kosten (zz. haften wir für annähernd 770 Milliarden Euro).

Wohin das führt, kann man nur erahnen. Soviel ist sicher: Die Politik hat auf der ganzen Linie versagt und wird es auch in Zukunft tun, denn es fehlt ihr an Kompetenz – oder sie macht den Bock zum Gärtner (z.B. als man sich Rat bei Herrn Ackermann, Ex-Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bank, holte). Sieht man, wer während der großen Koalition (Merkel als Kanzlerin, Steinbrück als Finanzminister) immer noch für eine Deregulierung der Finanzmärkte eintrat und letztendlich die Finanzkrise und deren Auswirkungen viel zu lange unterschätzte, und sieht man, wer künftig die politischen Richtlinien bestimmen will (Merkel oder Steinbrück), dann kann einem nur angst und bange werden.

Schon allein dadurch, dass betont wird, die Spareinlagen der ‚kleinen Leute’ wären sicher, zeigt sich, dass man selbst hier das Schlimmste befürchten muss (siehe Zypern – Zypern ist näher als man glaubt). Schon melden sich Propheten (Trittbrettfahrer würde ich sie eher nennen), die behaupten, das Allheilmittel zu kennen, um den Spargroschen gewinnbringend zu sichern. Sie verkünden bereits fürs nächste Jahr den totalen Crash: Euro-Zusammenbruch. Schuldenchaos. Wirtschaftskrise. Und dabei liegen sie gar nicht einmal so verkehrt. Nur muss man zuvor Ängste schüren, um dann mit dem tollen Angebot herauszurücken? Das stinkt natürlich gewaltig! Überhaupt: Welche Anlage ist überhaupt noch sicher: Viele, die glaubten, ihr Geld in Gold sicher angelegt zu haben, mussten erleben, dass selbst der Goldpreis in den Keller sacken kann. Dann doch lieber den Sparstrumpf!

Nun, ich glaube längst nicht mehr, dass es einen Markt geben wird, der sich auf sein eigentliches Geschäft besinnt, z.B. der Händler verkauft seine Ware, der Banker verleiht Geld für Investitionen. Das wäre ja einfach zu banal. Solange ich ungestraft mit dem Geld anderer spekulieren und fette Boni kassieren kann, was soll ich da kleine Brötchen backen und mit deren Verkauf meine Existenz fristen. Und wenn’s in die Hose geht, dann wird eben der Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Bundestagswahlen stehen an. Ich habe immer dafür plädiert, zur Wahl zu geben, denn sonst sollte man die Klappe halten. Aber diesmal weiß ich wirklich nicht, ob ich meine beiden Kreuzlein machen werde. Das kleinere Übel ist an Übel schon zuviel. Und verarschen kann ich mich auch allein.

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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