Ry Cooder and Corridos Famosos – live in San Francisco 2011

Zu Ry Cooder habe ich hier schon vieles geschrieben. Er ist für mich die musikalische Verkörperung eines besseren Amerika. Wie er heute über Obama, den er letztes Jahr mit seinem Album Election Special indirekt im Wahlkampf unterstützt hatte, denkt, weiß ich nicht. Er dürfte ähnlich enttäuscht sein wie viele hier bei uns. Aber wir haben ja auch erst eine Wahl hinter uns und harren jetzt der Dinge, die da auf uns zukommen werden (es stinkt nach großer Koalition, was wohl das Beste wäre). Genug …

Ry Cooder, inzwischen auch schon 66 Jahre alt, ist immer noch nicht der Typ, der sich zurücklehnt. Und sollte es dann doch einmal etwas ‚Luft’ geben, dann füllt er diese auf andere Weise. Da hat er also vor gut zwei Jahren am 31. August und 1. September 2011 zwei Konzerte in der ehrwürdigen Great American Music Hall in San Francisco gegeben und sich nun entschlossen, einen Zusammenschnitt als seine bisher erst zweite offizielle Live-CD auf den Markt zu bringen: Ry Cooder & Corridos Famosos live – und gottlob ist es nicht einfach ein Zusammenschnitt, sondern es „ist ein Konzertalbum alter Schule: Kleine Unsauberkeiten werden nicht im Mix versteckt, Beifall und Zwischenansage sind in voller Länge zu hören. Das klingt als säße man zuhause auf dem Sofa nur ein paar Meter vor der Bühne – und das bei einem der schönsten Konzerte, das Ry Cooder je gegeben hat.“ (Quelle: br.de)


Größere Kartenansicht
Great American Music Hall – San Francisco, O’Farrell Street

Corridos Famosos hat Ry Cooder seine Begleitband für dieses Live-Projekt genannt, was man in etwa mit ‚berühmte Asylanten’ (Flüchtlinge) übersetzen könnte, aber auch mit ‚bekannte Romanzen bzw. Moritaten’ (siehe das Lied „El Corrido de Jesse James“). Corridos sind ein „musikalisches Genre, das vor allem in der mexikanischen Mestizenkultur weit verbreitet ist. Es hat seine Ursprünge in den spanischen Romanzen des 15. Jahrhunderts.“ Das erste kann man als deutlichen Seitenhieb auf die Flüchtlingsproblematik der USA an der mexikanischen Grenze deuten und ist damit auch an Obama gerichtet (wenn der jetzt noch seine Gesundheitsreform ‚in die Tonne tritt’, dann ist er fast soweit wie bei seinem Amtsantritt vor nun fast fünf Jahren, nur das er jetzt auch noch Syrien ‚an der Backe’ hat; wofür hat der noch einmal den Friedensnobelpreis bekommen?).

    Ry Cooder and Corridos Famosos – live in San Francisco 2011

„Neben alten Weggefährten zählen zu Cooders Begleitband auch sein Sohn Joachim am Schlagzeug, der Bassist Robert Francis und die 11-köpfige Blaskapelle La Banda Juvenil, die zwischendurch immer mal wieder mächtig Gas gibt, etwa in dem zweisprachig gesungenen Walzer ‚El Corrido de Jesse James’“. (Quelle nochmals: br.de) Und das halbe Familienkonzert wird durch Juliette Commagere vervollständig, Ehefrau von Joachim Cooder (hier auch seine Facebook-Seite) und damit Schwiegertochter von Ry.

Hier die gesamte Mannschaft der Konzerte im Überblick:

Ry Cooder / Guitar. Mandola, Vocal
Joachim Cooder / Drums
Robert Francis / Bass

Flaco Jimenez / Accordion
Terry Evans / Vocal auf „Dark End of the Street“, Chorus
Arnold Mcculler / Vocal auf „Dark End of the Street“, Chorus
Arturo Gallardo / Alto Sax, Baritone Sax, Clarinet
Juliette Commagere / Vocal auf „Volver Volver” (auf Spanisch)

& die mexikanische ‘Blaskapelle’ La Banda Juvenil

Hier dann auch gleich die Playlist des Live-Albums:

1. „Crazy ‚Bout an Automobile (Every Woman I Know)“
2. „Why Don’t You Try Me“
3. „Boomer’s Story“
4. „Lord Tell Me Why“
5. „Do Re Mi“
6. „School Is Out“
7. „Dark End of the Street“
8. „El Corrido de Jesse James“
9. „Wooly Bully“
10. „Volver Volver“
11. „Vigilante Man“
12. „Goodnight Irene“

Zunächst eine Aufnahme, die nicht auf der Scheibe erschienen ist, aber doch bei den beiden Konzerten aufgezeichnet wurde:


Ry Cooder and Corridos Famosos: No Banker Left Behind

Nach „Crazy ‚Bout an Automobile“ am Anfang, einem alten Haudegenstück, das wie all die anderen Lieder gewissermaßen mit Ry Cooder ‚verwachsen’ ist, hören wir:


Ry Cooder and Corridos Famosos: Why Don’t You Try Me

So sehr mir die Scheibe gefällt, so vermisse ich doch (ich bin nun einmal ein visueller Typ) die laufenden Bilder. Auch wenn diese reichlich verwackelt sind (eigentlich hasse ich diese verquasten Handyaufnahmen), so ist es dann doch besser als nichts – zu „Why Don’t You Try Me“ also ein Video mit laufenden Bilder (die Bläser sind stark!).

Auch „The Dark End of the Street“ haben wir oft schon gehört. Terry Evans und Arnold Mcculler geben hier aber wieder einmal ihr Bestes bei dieser langsamen Soul-Nummer:


Ry Cooder and Corridos Famosos: The Dark End of the Street

Und hier geht nun wirklich die Post ab. Manch einer wird da an Bayernzeltstimmung denken. Ich bitte doch sehr. Natürlich fließt hier einiges zusammen, was man All American Roots Music – also eine Art amerikanische Volksmusik des 20. Jahrhunderts – nennen könnte. Warum sollte da keine ausgelassene Stimmung aufkommen?


Ry Cooder and Corridos Famosos: El Corrido de Jesse James

Und da es gerade fetzt, folgt der alter Rock and Roll-Standard „Wooly Bully“, bei dem ich die Bläser einfach ‚geil’ finde. Hier wieder mit zwar verwackelten laufenden Bildern, aber immerhin laufen die Bilder:


Ry Cooder and Corridos Famosos: Wolly Bully

Ry Cooder ohne ein Lied von Woody Guthrie wäre wie eine Suppe ohne Salz. Dessen „Vigilante Man” ist längst Teil von Ry Cooders Musikerbiographie geworden. Hier interpretiert Cooder das Lied ganz sacht, zupft mal hier, mal dort eine Saite an. Das Gitarrensolo, wenn man es noch so nennen kann, wird so zur „Gospelpredigt“.

Und er interpretiert diese Songs nicht nur, er lebt sie gewissermaßen, sie sind inzwischen Teil seiner Musikerbiographie. Da kann – wie bei Woody Guthries „Vigilante Man“ – ein Gitarrensolo auch mal zur Gospelpredigt werden.


Ry Cooder and Corridos Famosos: Vigilante Man

Das Konzert (und damit dieses Live-Album) endet mit dem schon fast obligatorischen „Goodnight Irene“. Zwei stimmungsvolle Konzerte finden ihren Abschluss. Man mag von Ry Cooder halten, was man will. Für mich ist er der Hüter US-amerikanischer Musiktradition. Er weiß dabei, dass sich diese Tradition multikulturell entwickelt hat. So bilden Folk und Rock ’n‘ Roll, Soul, Blues, Tex Mex und ich weiß nicht, was sonst noch, die Wurzeln dieser Musik, die wesentlich auch unsere heutige Musik prägen. Ich mag den Mann mit der heiseren, etwas kaputten Stimme und ich mag sein Gitarrenspiel. Ich wäre gern bei einem der beiden Konzerte dabei gewesen.

Ach ja, noch eins: Ich finde es immer toll, wenn die Künstler selbst (oder wie hier die Plattenfirma) ein Video eines ihrer Lieder bei Youtube einstellen und die Dumpfbacken bei der GEMA das dann für Deutschland sperren: Ry Cooder & Corridos Famosos – Lord Tell Me Why (Live)

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.