Bildung ist wie ein angefressener Bauch. Es nützt nichts, sich einmal den Wanst voll zu schlagen, man muss ihn sich kontinuierlich mit vielen kleinen genussvollen Häppchen über lange Zeit regelrecht anfressen. Manchmal muss man dabei auch eher ungenießbare oder schwer verdauliche Kost schlucken. Um so schneller wächst der Bauch.
Es geht um Allgemeinbildung, weniger um Bildung als die geistige Formung eines Menschen, als die Verwirklichung seines Menschseins, seiner Humanität, obwohl das eigentlich Resultat des ersten sein sollte.
Aber wie interpretieren wir Bildung, Allgemeinbildung? Es hat viel mit Wissen zu tun! Was muss man also wissen, um im gesellschaftlichen Umgang als gebildet zu gelten? Dietrich Schwanitz hat in seinem Buch „Bildung – Alles, was man wissen muss“ versucht, darauf eine Antwort zu geben. Es ist ein Streifzug durch das moderne Wissen aus Geschichte, Literatur, Philosophie, Kunst und Musik, die seiner Meinung nach zu einem Bildungs-Kanon in Deutschland gehören sollte.
Um es gleich klarzustellen: Wenn man das Buch von Schwanitz durchgeackert hat, ist man noch lange davon entfernt, gebildet zu sein. Sich einmal den Wanst voll schlagen hilft wenig. Aber es ist ein guter Gradmesser für den eigenen Bildungsstand, auch wenn die „listenhafte Zusammenstellung“ des Schwanitz’schen „Was-man-wissen-Muss“ sich nicht mit dem eigenen Wissensstand decken muss, ein Beispiel: Mehr als ein Drittel des Buchs widmet sich der sicherlich kurzweiligen und interessanten Bildungsreise durch die europäische Geschichte. Aber einerseits muss man nicht alle Geschichtsdaten daherbeten können, andererseits ist die Welt nicht Europa allein. Kritiker bemängelt, dass die Naturwissenschaften in dem Kanon fehlen. So schrieb Ernst Peter Fischer inzwischen als Ergänzung „Die andere Bildung“.
Wissen allein genügt natürlich nicht, um als gebildet zu gelten. Es gedarf eines Mindestmaßes an Intelligenz, um das Wissen richtig anzuwenden. Und ein Klecks Kreativität sollte auch nicht fehlen.
Die Stärke von Schwanitz’ Bildung liegt vor allem in den scharfzüngigen Anmerkungen zum Wissenschaftsbetrieb und zur „gepflegten Konversation“. Überhaupt ist der knapp 30 Seiten umfassende Beitrag zum Thema Sprache („Das Haus der Sprache“) sehr empfehlenswert zum Lesen und für viele durchaus lehrreich.
Etwas daneben finde ich aber folgendes Zitat, das man wohl auch als „Message“ des Buches ansehen muss: „Wer selbst ungern liest, sollte sich ernsthaft überlegen, ob es sich lohnt, diese Unwilligkeit zu überwinden, sonst bleiben ihm die Fleischtöpfe der Bildung ebenso verschlossen wie der Zugang zu den gehobenen Einkommen.“
Bildung um der Fleischtöpfe wegen ist auch nur eine halbe Bildung!