Was ist bloß mit Ian los? Teil 65: Schimanski hört Tull

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

Inzwischen hat sich ja eine Menge Holz angesammelt.

Komme ich zunächst auf Herman van Veen zu sprechen. Ja, der Mann hat etwas. Vom ihm kommt eine gelassene Heiterkeit herüber (siehe u.a. Videos bei youtube), die ansteckend wird. Leider hatte ich ihn in den letzten Jahren auch aus den Augen verloren. Das Album „Die Anziehungskraft der Erde“ kenne ich z.B. nicht. Dafür habe ich aber das Weihnachtsalbum von ihm, das sehr schöne Lieder enthält (vielleicht zu Weihnachten dazu etwas mehr).

Ja, es gibt u.a. durch die Geburt meiner Kinder ein schwarzes Loch in meiner Biografie, was das Interesse für Musik betrifft. Zwar habe ich auch in den 90-er Jahren die eine oder andere Scheibe gekauft, aber ich bin kaum zum Zuhören gekommen.

Der Schimanski, den Du, Lockwood, gesehen hast, war wohl der neueste: „Tod in der Siedlung“, irgendwann Ende April gesendet, oder? Ich habe nur kurz den Bericht in der TV-Zeitschrift gelesen. Es endet wohl, wie der Schimanski vor vielen Jahren begann: Alle Pfannen sind dreckig, so schlürft er ein Ei aus dem Glas … Und dazu der Tull-Titel? Nicht zu glauben.

Früher hatte ich schon einmal geforscht, in welchen Filmen die Musik von Jethro Tull verwendet wurde. Im Soundtrack (d.h. auf der CD) zu Michael Moores ‚Fahrenheit 9/11“ ist Aqualung enthalten, im Film selbst habe ich es aber nicht gefunden (Überhört? Unerhört!). Und dann gibt es mindestens noch 2, 3 Filme. Fragt mich aber nicht nach den Titeln. Kennt Ihr Filme, die im Soundtrack Tull-Musik enthalten?

Von Kretakatzes Entschwinden nach Kreta zum Tull-Konzert hatte ich im Laufi-Forum gelesen. Und Du willst es also ohne Eintrittskarte wagen? Schön mutig! Den Kreditkartentipp kann ich nur wiederholen. Ich bin alles andere als ein Freund von Plastikgeld. Aber im Laufe der Jahre hat sich so ein Kärtchen doch bezahlt gemacht, wenn es um Einkäufe außerhalb Deutschlands ging. Inzwischen gibt es da auch andere Verfahren (PayPal usw.), die wohl noch etwas sicherer sind. Leider wird das nicht überall akzeptiert. Ich drück Dir auf jeden Fall die Daumen, dass Du noch ein Ticket für das Konzert bekommst. Ich stelle mir das sehr schön vor, so im Urlaub im sonnigen Süden ein Tull-Konzert mitzubekommen. Da würde ich mir sogar die jetzige Formation antun wollen. Mit meinem Urlaub ist es noch etwas hin (und da gibt es kein Tull-Konzert).

Unser guter Lockwood hat ja wohl jegliche Anderson-Müdigkeit abgestreift mit seinem Broadsword-Ausführungen. Da sieht man Herrn Anderson tatsächlich das Schwert ergreifen und den Wikingern entgegenziehen. Sicherlich lässt sich das Lied auch anders interpretieren (die Wikinger-Horden sind heute andere), aber belassen wir es beim Bild des schwertschwingenden Flötenkobolds.

Ian Anderson & kein Breitschwert

Und überhaupt zur Anderson-Wikinger-Debatte: Ich denke, durch die Adern des Meisters fließt das Blut viele Völkerstämme. Durch die Völkerwanderungen, die auch Schottland nicht verschont haben, hat sich viel Blut gemischt. Und neben den 2-3 Liter Skotenblut werden sich mit Sicherheit auch einige Tropfen Wikingerblut finden. Wenn Neonazis heute „Deutschland den Deutschen!“ brüllen, dann stellt sich die Frage, was ist eigentlich deutsch? Vielleicht ist der Ausländer, den ein Nazi gerade den Schädel einschlägt, deutscher als er selbst. Aber warten wir die DNA-Analyse von Ian Anderson ab (Lockwood, unser Gen-Spezialist).

Nun denn, ich wünsche eine arbeitsame Woche. Und man/frau liest voneinander.

Cheerio
Wilfried

P.S. Bin nun doch fündig geworden betr. Film-Soundtracks mit Tull-Musik

21.05.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

unser guter Hermann van Veen. Mir gefällt an ihm seine leicht verträumte Art. Diese liebenswürdige Mischung aus Heiterkeit, Melancholie und Tiefgründigkeit. Seine Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, diese Beobachtungen in Liedern umzusetzen. Meist wird er heutzutage als Harlekin bezeichnet, aber in den 70er Jahren, als ich ihn für mich entdeckte, galt er als Liedermacher. Egal, unter welchem Etikett er gerade auftritt, er findet mit seinen Songs jedenfalls den Weg unter meine Haut. Und das schaffen nicht viele Sänger.

Zur Kombination Schimanski / Anderson:
Der Film hieß tatsächlich Tod in der Siedlung. Und trotz aller ungespülten Töpfe und Pfannen in Schimis Küche passte Wondering aloud zur Situation. Ich denke, der Titel ist nicht zufällig ausgewählt worden. Während Schimanski sein rohes Ei aus dem Glas schlürft, steht er am Fenster und sieht den Wagen seiner Freundin vorfahren. Das zaubert ein Lächeln auf seine markanten Züge. Dazu passen die getragenen Harmonien von Wondering aloud wunderbar. Auch inhaltlich haut der Song hin; geht es doch im Text um einen Mann, der liebevoll an seine Frau / Freundin denkt.

Ich kenne außer dem Schimanski keinen einzigen Film mit JT – Soundtrack. Auch die Filme, die Du, Wilfried, angelinkt hast, sind mir vollkommen fremd. Eigentlich seltsam, dass Mr. Anderson sich in diesem Metier so rar gemacht hat. Ich glaube, ich habe vor Monaten geschrieben, dass ich mir gut hätte vorstellen können, dass JT die Filmmusik zur Herr der Ringe – Trilogie hätten beisteuern können. Als alter normannischer Kelte hätte Mr. Anderson gut in das Tolkien-Universum gepasst.

Zu meinen Broadsword-Theorien möchte ich noch etwas sagen:
Der Text des Liedes ist -wie immer- alles andere als eindeutig. Hätte man die von mir zitierten Textstellen von einer anderen Seite beleuchtet, wäre ein ganz anderes Ergebnis denkbar. Um es auf die Spitze zu treiben: Ein armer müder Wikinger steht an seinem kargen felsigen Gestade und sieht ein Schiff voller militanter Rheinländer auf sich zukommen. Oder ein Schiff voller Narren. Oder Touristen. Ich will nur sagen: Der Text lässt viele Interpretationen zu. Je nach Weltbild und persönlicher Stimmung. Meine Theorie des Winkingerangriffs erhebt keinerlei Anspruch auf Alleingültigkeit. Aber, wie Wilfried schon gesagt hat, das Bild des wehrhaften Ian Anderson, der an der Küste seiner schottischen Heimat steht und seine Klinge mit patriotischem Zischen durch die Luft sausen lässt, erfreut jeden Tull-Fan.

Der Flötenkobold auf dem Cover trägt übrigens kein Breitschwert. Ich bin nicht sicher, ob es solche sich über die gesamte Länge verjüngenden Schwertklingen jemals gegeben hat oder ob sie eine Erfindung der Comiczeichner sind.

Eine letzte Stellungnahme von mir zur Völker-DNA:
Das deutsche Blut, wie es im Dritten Reich propagiert wurde, gibt es überhaupt nicht. Für diese Erkenntnis muss man kein Biochemiker sein, es reicht ein Blick auf die europäische Geschichte der letzten 15 Jahrhunderte. Das Volk, das sich heute „die Deutschen“ nennt, trägt einen Gen-Cocktail aus keltischen, germanischen, slawischen und asiatischen (!) Einflüssen in sich. Wie man einen solchen Salat ernsthaft mit einer einzigen Nation in Verbindung bringen kann, ist mir schleierhaft. Eines müssen wir uns vor Augen halten: Hätte es das Römische Imperium nicht gegeben, den Hunnensturm und die Völkerwanderung, würde es uns heute auch nicht geben. Es würde andere Menschen geben, aber nicht Kretakatze, Wilfired und Lockwood. Die Welt war schon immer multi-kulti, nur machten Kaiser Augustus und Attila nicht so ein Theater darum.

Ich hoffe, ich habe niemanden gelangweilt.
Lockwood

21.05.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

tut mir leid, wenn ich Euch mit meiner Wikinger-Theorie aufs Glatteis geführt habe. Ich dachte eigentlich, diese Geschichte wäre so albern, dass sie mit Sicherheit niemand ernst nehmen würde. Allerdings hatte ich auch keine Ahnung, dass jemals tatsächlich Wikinger in die Nähe von Schottland gekommen sind, geschweige denn, dass es sogar Wikinger-Überfälle gegeben hat. Da bin ich jetzt platt. Aber ein blindes Huhn trifft eben auch mal ein Korn. Ich hatte eigentlich aufgrund des „dark sail“ intuitiv immer an einen Piratenüberfall gedacht. Oder wer verwendet denn dunkle Segel?

Auf jeden Fall nochmals vielen Dank für die ausführliche Info – was Ihr alles wisst… Da lernt man doch immer gerne noch dazu. Irgendwelche historischen oder ethnologischen Kenntnisse dürft Ihr bei mir nämlich nicht voraussetzen. Auch von Musik habe ich im Prinzip keine Ahnung, ich bin kein Musiker. Ich komme zu meinen Ansichten und Behauptungen aus dem hohlen Bauch heraus, dafür aber mit umso mehr Überzeugung.

Wovon ich allerdings wirklich etwas verstehe sind blonde Griechen, und deshalb jetzt noch einmal zum Thema der Hellenen. Dazu muss ich wieder etwas ausholen.

Vor Jahren war ich mit einem Griechen befreundet, der hier an der örtlichen griechischen Schule Griechisch-Unterricht für griechische Kinder erteilt hat. Er hat mir erzählt, dass er in Athen an der Uni Deutsch gelernt hat, weil das dort Voraussetzung dafür ist, dass man Altgriechisch studieren kann. Nahezu alle Literatur zur Altgriechischen Sprache ist nämlich in Deutsch verfasst (und offensichtlich auch nie ins Neugriechische übersetzt worden). Die Wissenschaftler, die die Altgriechische Sprache erforscht haben, waren fast ausnahmslos Deutsche. Daher kommt es auch, dass das Altgiechische so deutsch klingt, es sind griechische Buchstaben deutsch ausgesprochen. Da es keine Tonbandaufzeichnungen davon gibt, wie die alten Griechen Ihre Buchstaben ausgesprochen haben, haben sich die deutschen Sprachforscher selbst etwas ihrer Meinung nach Passendes überlegt, und das hatte dann naturgemäß ziemliche Ähnlichkeit mit dem Deutschen. Ein Grieche bekommt das ohne deutsches Sprachtraining nicht über die Lippen.

Mit dem Aussehen der alten Hellenen wird es nicht anders sein. Soweit ich weiß gibt es keine 2000 Jahre alten griechischen Farbzeichnungen, die blonde Menschen mit blauen Augen darstellen. Es gibt lediglich ein paar Marmorstatuen, denen die Haar- und Augenfarbe nicht anzusehen ist. Auch hier waren es wieder vor allem deutsche und britische Archäologen, die die Kultur erforscht haben, und natürlich haben sie sich ihre Helden entsprechend dem damaligen mitteleuropäischen Schönheitsideal vorgestellt – blond und blauäugig. Sieht man sich dagegen antike Wandmalereien oder bemalte Vasen an, dann haben dort alle Menschen schwarze Haare und dunkle Augen.

Dass es in Griechenland und besonders auf Kreta heute einen nicht ganz unerheblichen Anteil blonde Menschen gibt, wird andere Gründe haben. Bereits zur Zeit der Kreuzzüge haben Mittel- und Westeuropäer auf ihrem Weg nach und von Jerusalem auf Kreta Zwischenstation gemacht. Die Franken, wie sie in Griechenland genannt werden, hatten dabei auch Teile Griechenlands unterworfen. Manche haben sich dabei die Zeit genommen Burgen zu bauen, da werden sie auch noch Zeit für anderes gefunden haben. Einige sind bestimmt auch ganz hängengeblieben. Später haben die Venetianer Kreta regiert. Im 19. Jahrhundert war ein Bayer König von Griechenland, vielleicht hat er ein paar Landsleute mitgebracht, usw..

Damit das heute nicht völlig Tull-frei wird noch kurz eine Bemerkung zu meinen Jethro Tull Ambitionen für Kreta (hätte ich mir ja eigentlich denken können, dass auch Ihr Euch bei Laufi auf dem Laufenden haltet). Ja, ich habe immernoch keine Karte für das Konzert am 23.06., und es ist mir schon bewußt, dass unter Umständen ausverkauft ist, bis ich am 17.06. nach Kreta komme. Aber wie ich schon einmal erwähnte bin ich von eher sparsamer Natur, und 28 EUR Versandkosten für ein Ticket, das in einen Umschlag zu 55 Cent passt – das widerspricht meinem Gefühl für ökonomische Relationen. In solchen Fällen neige ich dann zu der fatalistischen Einstellung, dass ich das Schicksal entscheiden lassen muss – wenn ausverkauft ist, dann musste das halt so sein. Ich habe ja noch eine zweite Chance in Calw am 21.07.. Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass dort am 02.07. (nachdem ich aus Kreta zurück bin) schon ausverkauft ist. Oder doch? Ich denke, ich werde mich meinem Schicksal fügen müssen.

In diesem Sinne liebe Grüße
Kretakatze

PS.: Jetzt arbeite ich schon seit Himmelfahrt an einem Werk über die Berührungspunkte zwischen Jethro Tull und griechischer Musik, aber bei der aktuellen Mail-Frequenz werde ich wahrscheinlich nie fertig. Mir tut der arme Wilfried leid, er wird bald unter der Flut begraben sein…

22.05.2007

English Translation for Ian Anderson