Was ist bloß mit Ian los? Teil 67: Gegen dunkle Segel

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

nun hat auch mich das Wikinger-Fieber gepackt und mein detektivischer Spürsinn ist erwacht – was hat das dunkle Segel zu bedeuten, woher kommt das geheimnisvolle Schiff am Horizont?

Tatsächlich habe ich schon beim ersten Hören von Broadsword wegen des dark sail gestutzt, denn Segel stellt man sich bei uns üblichersweise hell vor. Anderson hätte hier genauso gut von einem white sail oder black sail singen können. Deshalb hatte ich immer den Verdacht, dass dieses dark ein Hinweis darauf ist, um was für ein Schiff es sich handelt. Auch der tapfere Schotte am Strand kann einem Schiff am Horizont schließlich nicht ansehen, wer darinnen sitzt – es könnte ja auch sein Vetter aus Dingsda sein, der ihn mal besuchen kommt. Aber der wäre vermutlich mit einem hellen Segel unterwegs gewesen. Es ist das dunkle Segel, das ihn Übles ahnen lässt.

Dark ist übrigens nicht gleich black, und ein Segel kann auch dunkel sein, wenn es aus einem dunklen Material hergestellt ist – Seegras z.B., oder Rentierhaut. Was weiß ich, woraus die Wikinger ihre Segel gemacht haben. Deshalb habe ich mich mal schlau gemacht. Und siehe da, bei Wikipedia habe ich Folgendes über die Segel der Wikinger gefunden:

In Skuldelev bestand das Segel aus Wolle einer besonders langhaarigen Schafsrasse… Königsschiffe hatten Leinensegel. Die Bahnen hatten oft unterschiedliche Farben, so dass sie senkrecht gestreift waren. Aber es gab auch sich kreuzende Diagonalstreifen („með vendi“), wie sie auf gotländischen Bildsteinen und alten Münzen zu sehen sind. Es werden sogar Purpursegel erwähnt… Die Segel waren oft farbig, aber nicht nur rot-weiß, wie auf den Darstellungen der Neuzeit. Als Knut der Große von England aufbrach, um Olav den Heiligen aus Dänemark zu vertreiben, wird seine Flotte geschildert: „Knut der Mächtige hatte ein Heer zusammen, um das Land verlassen zu können…die Segel waren blau, rot und grün gestreift… Möglicherweise gab es auch einfarbige Segel, denn der Skalde Sigvat, der die Flotte gesehen hat, schreibt in seinem Preisgedicht: Og báru í byr (Blausegel – die blähen).

Am Horizont sah so ein buntes Segel sicher einfach nur dunkel aus. Ich denke die Frage der Herkunft des Schiffes ist geklärt, nun kann ich beruhigt schlafen gehen.

Die Mendel’schen Gesetze und ihre Bedeutung für die Haarfarbe von Griechen im vermeintlichen Widerspruch zu den genetischen Einflüssen der Turkvölker im nordöstlichen Mittelmeerraum (aktueller Arbeitstitel) behandle ich dann nächstes Mal.

Nun habe ich Euch aus meinem Schatzkästchen griechischer Musik noch ein schönes, trauriges Gute-Nacht-Lied mitgebracht. Es ist diesmal kein traditionelles Volkslied, sondern ein Laiko Tragoudi, frei übersetzt ein Schlager. Dabei haben die griechischen Schlager doch überwiegend eine ganz andere Qualität als die deutschen. Das Lied habe ich nicht zuletzt deshalb ausgewählt, weil zwei meiner Meinung nach recht interessante Instrumente darin vorkommen: Eine Art 12-saitiges Banjo, das ich noch nie zuvor gesehen habe (vermutlich armenischer Herkunft), und eine Schrägflöte, die auf Griechisch Flojera heißt. Es gibt sie in verschiedenen Größen und Ausführungen, hier wird eine ziemlich lange, hölzerne Flojera gespielt, die sehr schön traurig-schaurig klingt.

Das Lied heißt Meno Ektos (Ich bleibe ausgeschlossen) und wird von Eleftheria Arvanitaki vorgetragen. Das Video beginnt mit einem Vorspiel des Banjos. Elefheria betritt die Bühne, sie bedankt sich bei den Musikern, sie bedankt sich beim Publikum. Dann stellt sie die zwei Gastmusiker in ihrer Truppe vor, den Komponisten des Stücks (es ist der mit dem Banjo) und einen Schlagzeuger. Sie erklärt, die beiden kommen aus den USA, stammen aber eigentlich aus Armenien. Das Lied hat einen sehr poetischen Text. Hier ein paar Ausschnitte (leider habe ich auch noch nicht alles verstanden):

Ich bleibe ausgeschlossen, ich wechsle die Farben, mit Lichtgeschwindigkeit rase ich dahin…
Ich bleibe ausgeschlossen, ich spreche mit Drähten (vermutlich Stacheldraht gemeint), wie ein Adler schwebe ich in der Stille…

Refrain:
An meinen einsamen Abenden singe ich armenische Lieder, ich möchte zurückkehren, aber das Paradies ist verschlossen
An meinen einsamen Abenden singe ich armenische Lieder, ich möchte sprechen, aber meine Heimat ist erloschen

In diesem Sinne eine gute Nacht
Kretakatze

PS.: Mir ist da übrigens noch eine geniale Idee für einen Werbe-Spot gekommen. Der Wikinger-Schotte Anderson steht am Strand und lässt seine Blicke über den Horizont schweifen. Da naht ein Schiff mit grünen Segeln – Beck’s Bier. Anderson singt „I see a green sail … bring me my beer mug…“ usw.. Die Passage „…take women and children and bed them down…“ könnte man unverändert belassen, denn Frauen und Kinder stören beim Saufgelage nur. Den Rest müßte man vielleicht geringfügig modifizieren, aber ich denke mit wirklich nur marginalen Änderungen könnte man diesem Meisterwerk so eine völlig neue Wendung geben. (And if sometimes I sing to a cynical degree…)

23.05.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

diesmal beginne ich mit einem Geständnis, liebe Kretakatze: Bisher war ich nicht einmal in Griechenland geschweige auf Kreta. Warum, kann ich nicht genau sagen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde ich den Norden Europas bevorzugen (Großbritannien, speziell Schottland, oder Island). Es ist aber nicht so, dass es mich nie gen Süden gezogen hat. Meine Eltern hatten früher eine Ferienwohnung in Andalusien/Spanien. Und da meine Frau Bekannte auf Sizilien hat (die früher einmal als so genannte Gastarbeiter bei uns in Tostedt lebten), so sind wir mehrere Male auch dorthin gefahren.

Immerhin bietet Sizilien neben römischer Kultur auch viel Griechisches. Archimedes lebte in Siracusa (Syrakus). Und eine Episode oder zwei der Irrfahrten des Odysseus spielten wohl an der sizilianischen Küste (die Meeresungeheuer Charybdis und Skylla – auch Polyphem, der einäugige Riese, soll sich dort mit Odysseus gezofft haben). Übrigens ist Sizilien eine Schnittstelle zwischen Griechen und Normannen (unsere nicht allzu beliebten Wikinger – oder doch?!). Neben einer frühen Blütezeit der Insel, als diese zu Großgriechenland gehörte (8. – 5. Jahrhundert v. Chr), gab es im 11. Jahrhundert nach der Eroberung durch die Normannen wiederum Wohnstand und Dolce Vita. Aber streichen wir Sizilien, sonst landen wir bald auf Madagaskar. Immerhin ist es auch eine große Insel – wie Kreta, Island oder Großbritannien. Wir haben es eben mit Inseln.

Zurück zu Griechenland, wenn auch nur virtuell: Vielen Dank, Kretakatze, für Deine vielen Video-Beispiele. Youtube ist eine unerschöpfliche Quelle. Sicherlich liegt mir die griechische Musik nicht im Blut. Das Lied Meno Ektos von Eleftheria Arvanitaki finde ich aber wirklich schön. Es hat eine wunderbare Grundmelodie, die auch etwas für Ohren ist, die ansonsten der abendländischen Musik zugewandt sind. Ich habe dabei das Gefühl, das Lied schon einmal gehört zu haben. Also mit deutschen Schlagern würde ich das wirklich nicht vergleichen, eher mit ‚Liedermachern’, so vom Schlage eines Herman van Veen, den ich erst kürzlich am Wickel hatte. Eigentlich mag ich Banjos nicht sonderlich, aber dieses 12-saitige Instrument passt sehr schön zu dem Lied. Ich kann mir sogar irgendwie vorstellen, das es einmal vor vielen Jahren ein ähnliches Stück von Jethro Tull hätte geben können – statt diesem speziellen Banjo Martin Barre auf der akustischen Gitarre, nun ja, und Herrn Anderson vielleicht sogar auf dieser hölzernen Flojera-Flöte. Was hat das aber mit den armenischen Musikern auf sich? Weißt Du da mehr? Armenien liegt ja auf der anderen Seite der Türkei und ist christlich ausgerichtet (wohl auch orthodox). Gibt es da besondere Beziehungen zwischen Griechen und Armeniern?

Mit manchen der anderen Stücken komme ich ähnlich wie Lockwood nicht ganz so klar. Aber ich weiß, dass man sich sehr schnell ‚anstecken’ lassen kann (siehe meine Sirtaki-Tanz-Versuche vor langer Zeit). Dieser ausgelassenen Heiterkeit bei solchen Festlichkeiten kann man sich schlecht entziehen. Für den pontischen Tanz hätte Ian Anderson seinen Piratenlook aber doch mächtig aufpeppen müssen. Und beim Sonaradikos frisch aus Glasgow weiß ich gar nicht so recht: Es könnte fast ein schottisches Lied mit griechischem Tanz sein. Mein kleines Video mit den schottischen Tänzen (etwas zerhackstückt) habt Ihr vielleicht schon gesehen. Die Aufnahme stammt von den Highland Games in Callander. Gibt es vielleicht solche Kraftmeiereien auch in Griechenland (ich möchte Highland Games nicht unbedingt mit den Olympischen Spielen vergleichen – aber irgendwie kommt man auch nicht so ganz um diesen Vergleich herum). Als Tanzmuffel hüte ich mich davor, einen Vergleich zwischen griechischen und schottischen Tänzen anzustellen. Aber ich sehe durchaus, dass es Gemeinsamkeiten gibt.

An Eurer „Dark Sail“-Auseinandersetzung wollte ich mich eigentlich nicht beteiligen. Kretakatze hat zudem inzwischen die Lösung gefunden. Interessant finde ich die Idee zu dem Werbe-Spot für die Biermarke, die übrigens aus Bremen kommt, wo ich wie bekannt viele Jahre gelebt habe. Aus dieser Zeit gibt es einen alten Kumpel (es ist jener ‚Kommissar Graue’ aus der Nonsense-Rubrik „Der Idiot“), der bei Beck’s arbeitet, wenn auch nicht in der Werbung. Leider ist der Kontakt aus unerfindlichen Gründen abgebrochen, aber solche Kontakte lassen sich eventuell neu beleben.

Beck's drunkle Segel

Ein Problem gibt es allerdings: Zwar bevorzugt Herr Anderson (wenn er nicht gerade Weißwein trinkt, vgl. die Hippodrome-Videos) Bier aus kleinen grünen Flaschen, allerdings einer anderen Marke, wie das bereits von mir veröffentlichte Foto zeigt. Die Firma Beck’s wird das nicht freuen (der Fall Bohlen dürfte abschreckend genug sein: Herr Bohlen stieg allerdings von Doppelkorn auf Molke um, bis ihm das Zeug aus dem Hals hing und er in aller Öffentlichkeit behauptet, das Gesöff schmeckt S…; seitdem macht er wieder Werbung für Doppelkorn – oder war das Haarlack?). Gucken wir ’mal …

Willi mit Shona und Ian Anderson
der zerknirschte Willi („Warum trinkt der Typ kein Beck’s!“)
samt Shona & Ian Anderson

Ich wünsche Euch ein schönes verlängertes Pfingstwochenende. Die Wetteraussichten sind allerdings sehr bescheiden. Am Samstag und Sonntag bin ich unterwegs (u.a. bei Hermännchen, der Geburtstag hat).

Bis in Bälde
Wilfried

24.05.2007

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Liebe Freunde,

in den zwei Tagen, in denen ich dem Internet ferngeblieben bin, hat sich Dank Eures Fleißes mehr Stoff angesammelt als ich in angemessener Form beantworten kann. Hier nun meine bescheidenen Beiträge zu Euren letzten sehr substanzvollen mails:

Dir, liebe Kretakatze, gebührt mein Dank für Deine umfangreichen Lektionen und zahlreichen Videos zum Thema der griechischen Musik ! Allerdings stelle ich für Dich eine große Enttäuschung dar: Ich kann mit dieser Musik, diesen Tänzen, dieser Sprache überhaupt nichts anfangen. Auch wenn einige Lieder weniger orientalisch klingen als andere, so treffen sie nicht meinen Musikgeschmack. Es ist nicht so, dass ich orientalisch angehauchte Musik nicht mag; die von mir hoch geschätzte Loreena McKennit hat einige wunderschöne Alben mit orientalischen Einflüssen hervorgebracht. Ich habe sogar in meiner Plattensammlung ein Album mit traditioneller indischer Sitarmusik. Es sind also nicht allein die orientalischen Momente, die mich an der griechischen Musik verzweifeln lassen. Ich kann nicht beschreiben, was diese Musik für mich in so weite Ferne rückt. Es ist ganz einfach so.

Auch die von Dir herausgearbeiteten Parallelen des Hellenen-Folk zu JT vermag ich nicht zu erkennen. Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Meine musikalischen Vorlieben sind im Nordwesten Europas zu Hause; ich bin erst über den Umweg der britischen Folklore auf Jethro Tull gestoßen. Um Dir und auch Wilfried noch mehr Frust zu ersparen, werde ich mich als unbelehrbarer Nicht-Grieche aus den weiteren Diskussionen zu diesem Thema ausklinken; etwas Konstruktives ist in diesem Punkt von mir nicht zu erwarten.

Mit großer Verwunderung nehme ich Eure Kritik zum Anderson’schen Outfit in Tampa und im Hippodrom zur Kenntnis. Sicher, diese blau-bunte Pseudouniform aus Tampa ist nicht gerade das, was man mit der Musik des Meisters in Verbindung bringt. Aber im Vergleich zu dem, was Mr. Anderson sich später an textilen Fehltritten geleistet hat, war das doch nur eine unbedeutende Verirrung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Auftritt der Gruppe beim Jazz-Festival in Montreux, bei dem der Meister nicht davon abzuhalten war, in einem gepunkteten Schlafanzug mit gleichfarbigem Kopfverband aufzutreten. Dagegen wirkt die rote Melone wie die Krone der Modeschöpfer. Im Ernst, ich finde, die Melone passt zum ländlich-rustikalen Ambiente der JT-Musik jener Zeit.

Wenn ich das richtig sehe, sind die Punkte dark sail und Breitschwert geklärt. Weiteren Erörterungen zu den Mendel’schen Gesetzen in Griechenland sehe ich mit Spannung entgegen.

@Wilfried:
Nur so ganz am Rande etwas zum Thema Fußball. Am vergangenen Mittwoch hatte die Mannschaft meiner Zwillinge prominenten Besuch: Der ehemalige Bundesligaprofi Kai Michalke hat auf Einladung unseres Co-Trainers die Jungs trainiert. Mir sagte der Name natürlich nichts, aber die wahren Fußballfans wussten sofort, um wen es sich handelt. Jedenfalls hatte ich an diesem Tag zum ersten Mal die Gelegenheit, einem „richtigen“ Fußballer die Hand zu schütteln. Ein netter Kerl übrigens, kann gut mit Kindern umgehen.

Viele Grüße und ein schönes langes Wochenende !
Möge der Geist über uns alle kommen.
Lockwood

25.05.2007

English Translation for Ian Anderson