Meine beiden Söhne leben vegan. Der Ältere der beiden hatte bereits während einer vorösterlichen Fastenzeit vor über fünf Jahren eine Zeitlang vegan gelebt und ist es jetzt bereits seit über zwei Jahren vollständig. Der Jüngere tut es ihm jetzt seit über einem Viertel Jahr gleich.
Veganer sind die noch strikteren Vegetarier, um es einmal in aller Kürze zu benennen. Sie verzichten auch auf alle tierischen Produkte, die Vegetarier sonst essen, also u.a. Milchprodukte, Eier und Honig – und verzichten auch sonst auf alles, was vom Tier stammt, u.a. Leder und Wolle. Veganismus ist nicht allein eine Ernährungs-, sondern auch eine ethisch motivierte Lebensweise.
Ich denke, dass es meine beiden Söhne nicht unbedingt bis auf die Spitze treiben. Aber was ihre Ernährung betrifft, da sind sie konsequent. Der ältere meiner Söhne lebt nun in Göttingen und kommt uns nur an manchen Wochenende besuchen. Der Jüngere lebt aber noch bei uns. Und so ergibt es sich, dass auch meine Frau und ich ‚vermehrt’ vegan speisen. Besonders bei der Hauptmahlzeit bevorzugen wir immer öfter vegane Gerichte, auch um nicht mehrere Speisen gleichzeitig zubereiten zu müssen.
Man mag sich darum streiten, ob es nicht etwas widersinnig ist, wenn in der veganen Küche tierische Produkte durch pflanzliche ‚ausgetauscht’ werden. Jeder kennt die Brätlinge, die auf Getreidebasis (z.B. Grünkern oder Weizen) bzw. aus Hülsenfrüchten (vorwiegend Soja) zubereitet werden. Inzwischen es gibt mehr und mehr Lebensmittel zu kaufen, die tierische Lebensmittel ‚imitieren’, also Wurst, Käse, Joghurt usw. auf pflanzlicher Grundlage. Nicht alles schmeckt unbedingt so, wie man es von tierischen Produkten kennt. Aber bei manchen Speisen war ich dann doch überrascht. Selbst Discounter bieten inzwischen eine größere Auswahl an solch veganer Lebensmittel an. Und der eigenen Kreativität sind außerdem in der veganen Küche keine Grenzen gesetzt, was das Kochen, Backen und Zubereiten z.B. auch von Schnellgerichten, Eis, selbst von Torten usw. betrifft. Im Mittelpunkt steht allerdings viel Gemüse, was vorwiegend aus der Region stammt, in der wir wohnen.
vegane Mohn-Dinkel-Muffins |
veganer alt-englischer Apfelkuchen |
veganer Aprikosen-Mandel-Kuchen |
veganer Käsekuchen |
Wer sich nun vollständig vegan ernährt, sollte sich allerdings ein „entsprechendes Ernährungswissen“ angeeignet haben. Ich denke, das wird von selbst kommen. Wer als Veganer lebt, wird das nicht allein ‚aus dem hohlen Bauch’ heraus tun, sondern wird sich schon ‚im Vorfeld’ ausführlich mit dieser Ernährungs- und Lebensweise auseinandersetzen, denn wer völlig auf alle tierischen Lebensmittel verzichtet – und das muss man wissen: der wird mit bestimmten Nährstoffen nicht ausreichend versorgt. Das gilt z.B. für Kalzium, Jod und Zink, besonders aber für Vitamin B12. Der tägliche Mindestbedarf an Vitamin B12 beträgt zwar nur ca. 3 µg (Mikrogramm) für einen Erwachsenen, muss aber spätestens dann ergänzt werden, wenn das in der Leber eines Menschen gespeicherte Vitamin B12 (2000–5000 µg) aufgebracht ist.
Verfügt man über ein entsprechendes Ernährungswissen, dann ist eine vegane Ernährungsweise mit einer genügenden Zufuhr aller Nährstoffe (Ausnahme Vitamin B12, welches mit angereicherten Nahrungsmitteln oder Supplementen zugeführt werden sollte) natürlich möglich. Es gibt übrigens einige pflanzliche Lebensmittel, die Vitamin B12 enthalten, wenn auch nur in geringen Mengen, so durch Milchsäuregärung haltbar gemachte Gemüse, manche Algensorten (z.B. Nori-Algen), Erbsen, Bohnen und Lupinen sowie Ingwer. Auch einige Speisepilze, insbesondere der Champignon, weisen geringe Vitamin-B12-Gehalte auf.
Ich selbst lebe nicht ganz vegan. Ich mag und werde auf bestimmte Lebensmittel (vorerst) nicht verzichten. Dazu gehört Käse, aber auch Fleisch, wenn auch beides nur noch in geringen Mengen. Milch ist bekanntlich gesund. Sie enthält allerdings Milchzucker (Laktose), die immerhin 75 % der Weltbevölkerung nicht vertragen können (Laktoseintoleranz), weil sie diese wegen fehlender oder verminderter Produktion des Verdauungsenzyms Laktase nicht verdauen können. Ich habe mit Laktose auch meine Probleme und bevorzuge im Zuge der veganen Küche seit längerer Zeit vorwiegend Ersatzprodukte aus Soja (so genannte Soja-Milch) oder aus Getreide wie Dinkel, Hafer oder Reis. Meine Verdauung dankt mir dafür.
Überhaupt hat sich meine Verdauung deutlich verbessert, seitdem ich überwiegend vegan esse. Um meinen gesundheitlichen Gesamtzustand steht es bestens. Da leiste ich mir die kleinen ‚Sünden’ eben.
Veganismus kann man politisch nehmen, muss es aber nicht. Wenn ich den Leuten so von meinen Söhnen erzähle und ihnen sage, dass auch meine Frau und ich verstärkt vegan leben, dann kommt fast immer das Argument: Wenn alle Menschen vegan essen würden, dann müsste fast nur noch Soja angepflanzt werden. Monokultur ohnegleichen.
Dazu kann ich nur antworten: „Zur Produktion von Fleisch wird in den USA vor allem Mais großflächig angebaut, in Europa sind es Gerste, andere Getreidearten und Kartoffeln, neuerdings vermehrt auch Mais“, sagt der Berner Professor Wolfgang Nentwig. „Daneben werden immer mehr Futtermittel wie Soja aus der Dritten Welt importiert, wo ihr Anbau und Export zwar Devisen bringt, diese Landfläche aber der eigenen Nahrungsmittelproduktion fehlt.“ Der weitaus größte Teil der globalen Sojaproduktion wird zu Futtermitteln verarbeitet.
Laut FAO hat sich die jährliche Fleischproduktion auf der Welt von jährlich 136 Millionen Tonnen Anfang der 1980er Jahre auf 260 Millionen Tonnen 2004 fast verdoppelt. Nach Angaben des Vegetarierbunds (VEBU) Deutschland und in Bezug auf die USA sind etwa 17 Kilogramm Getreide nötig, um ein Kilogramm Rindfleisch zu produzieren. Rechnungen dieser Art sind aber umstritten. Unter Berufung auf das in Darmstadt ansässige Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft gibt es vom Bundesagrarministerium andere Zahlen zum Fleischzuwachs je Kilogramm Futter. Demnach sind für ein Kilogramm Fleisch eines Masthähnchens 1,7 Kilogramm Futter nötig, bei Mastputen ist das Verhältnis 1:2,7 und bei Mastschweinen 1:3. „Für Wiederkäuer wie Mastrinder oder Schafe, für die Getreide nur eine Ergänzung ihrer Futterration darstellt, macht eine vergleichbare Darstellung keinen Sinn. Hauptfutterquelle ist hier meist Grünland.“ (Quelle: 3sat.de).
Ich will mich um Zahlen nicht streiten, aber sicher ist, dass zur ‚ Produktion’ eines Kilo Fleisches ein Mehrfaches an Futter benötigt wird. Das, was an Futterpflanzen für die Tierzucht nicht mehr benötigt würde, käme den Menschen zugute. Und zu Soja: Es gibt eine Vielfalt an pflanzlichen Lebensmittel, die auch als Fleischersatz auf den Teller eines Veganers kommen.
Ich kann nur noch eines sagen: Wenn man sich erst einmal mit Veganismus beschäftigt hat, wenn man vor allem die vegane Küche ausprobiert hat, dann lässt es einen so schnell nicht wieder los. Wenn man dann bei einer genügenden Zufuhr aller Nährstoffe feststellt, dass man sich gesundheitlich auf einem guten Weg befindet, dann spätestens wird man über die milde lächeln, die meinen, über ‚spinnernde’ Veganer lachen zu müssen.