Am Sonntagabend haben sich die neuen Tatort-Ermittler aus Berlin vorgestellt: Nina Rubin (gespielt von Meret Becker) und Robert Karow (gespielt von Mark Waschke): Das Muli, die 940. Tatort-Folge.
Natürlich müssen die neuen Protagonisten erst einmal vorgestellt werden. Das wirkte noch ziemlich unausgegoren: Kriminalhauptkommissarin Rubin, die es außerehelich mit einem Kollegen treibt (die schnelle Nummer im Biergarten der Disko war ziemlich abgeschmackt) und zu Hause dadurch Probleme mit ihrem Mann und den beiden Söhnen hat (sie wirkt eher wie ein in die Jahre gekommener Single, dem man über Nacht zwei Kinder untergeschoben hat). Und der Kriminalhauptkommissar Karow, neu abgestellt, nachdem er bei der Drogenfahndung seinen Kollegen, der auf bisher unaufgeklärte Weise verstarb, verloren hat (er soll undurchsichtig wirken, tut’s aber irgendwie nicht).
Ähnlichkeit mit dem Ermittlerteam aus Dortmund (Faber und Bönisch) sind nicht zu übersehen, wobei die Dortmunder aber weitaus authentischer, echter erscheinen. Auch ist gleich der erste Fall nicht neu: Mulis bzw. Bodypacker, also Personen, die Drogen durch Verschlucken in ihrem Körper transportieren, gab es schon im Kölner Tatort (841): Fette Hunde (2012). Auch dort starb einer der Kuriere, weil ein mit Rauschgift gefülltes Kondom im Magen geplatzt war. Und auch dort wurde das Opfer anschließend ‚ausgeweidet‘. Übrigens: Die Bodypackerin aus ‚Fette Hunde‘ spielt im neuen Berliner Tatort die Rechtsmedizinerin Nasrin Reza (dargestellt von Maryam Zaree). Und der Bruder der jungen Johanna (in ‚Das Muli‘) spielte im Kölner Tatort den Sohn des Afghanistan-Heimkehrers (gespielt von Theo Trebs). Ist schon seltsam.
Schnell war geklärt, um was es bei dem Fall geht, sodass so etwas wie Spannung nicht aufkommen konnte. Spannung erzeugte lediglich das undurchsichtige Handeln von Kommissar Karow, bei dem man nicht so recht wusste, ob er nun auf der Seite der Guten steht oder nicht. Aber auch das wirkte eher gekünstelt. Wenig nachvollziehbar war für mich, dass man gleich vier Menschen (und einen Wachhund) töten musste, um an Drogen im lächerlichen Wert von rund 40.000 € zu gelangen. Im Drogengeschäft geht es um weitaus mehr Geld.
Tatort (940) aus Berlin: Das Muli (2015)
Ein durchaus bedeutender Pluspunkt war für mich die Tatsache, dass mehr als bei dem Vorgängerteam Ritter und Stark die Stadt Berlin optisch in den Vordergrund gestellt wurde. Regisseur Stephan Wagner, rettete so, was zu retten war (Wagner inszenierte zuvor die absoluten Tatort-Highlights Borowski und die Frau am Fenster (2011) und Gegen den Kopf (2013) mit dem Berliner Ermittlerteam Ritter und Stark). So gab auch einen Abstecher zum neuen Flughafen Berlin Brandenburg (BER) , der zum Mittelpunkt des Showdowns wurde.
Schwachpunkt für mich ist das Drehbuch von Stefan Kolditz, der zuvor hauptsächlich Drehbücher für die Polizeiruf 110-Serie geschrieben hat. Da konnten auch die Schauspieler nicht viel richten. Erwähnenswert ist dabei neben dem bereits erwähnten Theo Trebs als liebevoll für die Schwester sorgenden Bruder Carolyn Genzkow als junge Hospitantin Anna Feil, die wesentlich zur Auflösung des Falles beitrug. Allein die Namen (Rubin und Karow – statt Rubin war zunächst Rothe geplant – warum nicht Diamant und Viereck?) sind bescheiden.
Das Open End des Falles lässt vermuten, dass uns diese Drogengeschichte (samt Vorgeschichte zu Kommissar Karow) noch eine weitere Episode verfolgen wird. Es kann dann eigentlich nur besser werden.
Okay, dieser Tatort kam reichlich rasant daher. Allein die Eingangssequenz von rund 13 Minuten wartete mit mehr als einem Dutzend Spielorten und mit noch mehr Akteuren auf. Aber ein Aktionsgewitter macht noch keinen wirklich guten Tatort aus. Ähnlichkeiten mit den Till-Schweiger-Tatorten (z.B. Schauplatz Bauruine Elb-Philharmonie hier, Schauplatz Bauruine BER dort) sind nicht von der Hand zu weisen. Psychologische Schärfe geht dabei verloren oder zeigt sich nur plakativ. Zeichnet sich so ein Generationswechsel beim Tatort ab? Warten wir die anderen neuen Teams ab, die sich bereits in den Startlöchern befinden (Nürnberg/Franken mit dem Team Voss/Ringelhahn/Goldwasser/Fleischer am 12. April, Frankfurt mit Brix/Janneke am 17. Mai und danach Dresden mit den Ermittlern Gorniak/Sieland/Mohr/Schnabel).
Nicht, dass ich Ritter und Stark unbedingt nachtrauere. Der groß gewachsene Großstadtcowboy Till Ritter und sein eher klein geratener Kollege mit dem Sportrad, Felix Stark, hatten deutlich mehr Charisma als die neuen Tatort-Ermittler aus Berlin. Und mit der Folge ‚Vielleicht‘ hatte Boris Aljinovic als Felix Stark (Dominic Raacke hatte schon zuvor das Handtuch geworfen) auch noch einen interessanten, vielleicht starken Abgang.