Auf der Heimreise von unserem Urlaub in Grainau mit der Bahn von Garmisch-Partenkirchen nach München ergatterte ich mit meiner Frau im ansonsten vollbesetzten Zug einen Zweierplatz gegenüber einem jungen Typen im aus Wolle gestrickten Janker und mit blonden Dread Locks (eine etwas ungewöhnliche Kombination). Er nippte an einem Coffee-to-go, verzog verächtlich den Mund, um anschließend aus einem versteckten Winkel eine Flasche Flüssigbrot (Bier der Marke Hacker-Pschorr) hervorzuzaubern, aus der er weitaus genüsslicher mehrere Schlucke nahm. Bayerisches Frühstück, dachte ich mir so.
Nach kurzer Zeit sprach er uns an, woher wir kämen und wohin wir führen. Wir erzählten ihm, dass wir aus Hamburg kommen, besser: aus der Umgebung von Hamburg, und jetzt von Grainau zum Münchner Flughafen wollten, um mit dem Flieger nach Hause zu fliegen. Ja, in Grainau hätte er einen alten Onkel, ein grauer Kopf mit Lederhose, er kenne ihn nicht anders, als mit diesen Lederhosen. In Hamburg, nein, da wäre er noch nicht gewesen. Er wäre immer ohne Umwege nach Amsterdam gefahren usw.
Wir kamen auf Hamburg zu sprechen: Da käme doch der Hannes Wader her, der hat doch eine LP mit „plattdütschen“ Liedern gemacht. Der könne doch nur aus Hamburg kommen. Und der Franz Josef Degenhardt, der kommt doch auch aus Hamburg. Der Name klingt aber doch sehr bayerisch, war meine Antwort. Ne, ein Bayer sei der nicht (inzwischen weiß ich es: beide kommen aus Nordrhein-Westfalen). Also die „plattdütschen“ Lieder, die finde er wirklich geil. Eine schöne Sprache. Das sagte er mit bayerischen Tonfall und nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche.
„Aber der Werner, der kommt aus Hamburg. Ich heiße nämlich Werner!“ Auch das war eher falsch, der kommt nämlich aus Schleswig-Holstein. Ich half etwas nach: Udo Lindenberg! „Ja, der Udo, der wohnt doch in einem Nobelhotel und raucht immer Kräuterzigaretten, sagt er.“ Volltreffer. Selbst das mit dem Hotel wusste er (Hotel Atlantic an der Alster). Und schon begann er Lieder von Lindenberg anzustimmen. „Ja, erst neulich war ich in einer Kneipe, da hat ein Typ den Lindenberg nachgemacht. Der kannte fast jedes Lied – und er sang wie Lindenberg und sah auch fast so aus wie der.“ Werner kramte sein Handy hervor und zeigte uns Fotos von seinem „Lindenberg“. Ein weiteres Foto zeigte Spongebob Schwammkopf. Ja, der wäre auch geil. Aber sein Fernseher wäre kaputt, und so könne er ihn jetzt nicht mehr sehen. Ein Wink des Schicksals: So käme er wieder dazu, mehr zu lesen. Wir unterhielten uns auch über Literatur.
Wir kamen nochmals auf Wader und Degenhardt zu sprechen. Von Wader kenne ich ja das Lied „Trotz alledem“, dessen Ursprung schottisch ist (Robert Burns). Und schon wieder sang er: „Trotz SPD und alledem …“
Werner, ein witziger Typ: typisch bayerisch – und links. In Tutzing verabschiedete er sich, er müsse noch mit der S-Bahn weiter, seinen Regenschirm (morgens hatte es geregnet) vergass er fast.
Auch wenn Du dies nicht lesen wirst, Werner („Fernsehen und so, der ganze Medienterror!“), die Stunde Fahrt mit Dir war sehr kurzweilig und das Gespräch sehr anregend.