Wie gesagt, will ich sagen, was mich stört, was ich einfach nicht gut finde. Da wird debattiert und das dann in allen Medien bis zum Verdruss ausgebreitet. Es geht ums Schwulsein und Lesbischsein und dem gleichen Recht auf Ehe wie Heterosexuelle. Und dann ‚die Flut‘ an Flüchtlingen, die Deutschland angeblich heimsucht und überschwemmt. Was kratzen wir uns eigentlich darum, dass andere vielleicht anders sind als wir? Denn darum geht es eigentlich. Können wir nicht einfach nur Mensch sein?
Es ist lange her, da sah ich mit einem Freund, Jochen mit Namen, den ersten Film von Rosa von Praunheim: Die Bettwurst. Das war ein merkwürdiger Film, besonders die Sprechweise der Hauptdarsteller, Dietmar mit seinem Mannheimer Dialekt und die Dialoge, die sich wechselseitig wiederholten („Dietmar, ich liebe Dich, Luzi, ich liebe Dich, so wie die Luft, wo ich atme“). Und doch waren die Hauptdarsteller Luzi und Dietmar echt, echt in ihrer scheinbaren Unbeholfenheit, in ihren scheinbaren Schwächen, die doch in Wirklichkeit Stärken waren.
Natürlich dachten wir erst, Rosa von Praunheim wäre eine Frau. Aber bald wussten wir es: Rosa ist ein Mann. Die Ikone der Schwulenbewegung! Das störte uns wenig. Der Film, das war uns damals schon klar, ist Kult!
Weder Jochen, noch ich sind schwul. Jochen sagte: Ich glaube, ich bin lesbisch: Ich steh auf Frauen! – Er meinte das ironisch und meinte es doch auch irgendwie kritisch. Schon damals sagte man Jungen gern nach, sie wären schwul, wenn sie sehr weich, sensibel waren. Wir beide hassten das. Wie konnte man nur so bescheuert sein und solche dummen Sprüche machen.
Später bin ich öfter Schwulen begegnet. Wir sind ins Gespräch gekommen. Natürlich konnte ich es nicht nachempfinden, wie man sich als Mann ganz allgemein Männern hingezogen fühlen kann. Aber das ist kein Grund, jemand zu diskriminieren, nur weil er etwas anders ist.
Warum ist der eine schwul, der andere nicht – die eine lesbisch, die andere nicht. Auch wenn der Vergleich hinkt wie ein lahmer Gaul: Viele trinken gern Kaffee. Andere mögen den nicht und trinken lieber Tee. Aber warum ist das so, könnte man auch hier fragen. Vielleicht hat einer, der lieber Kaffee trinkt, noch nie einen guten Tee getrunken. Denn hätte er, dann …
Homosexualität gilt vielen auch heute noch als ‚unnatürlich‘, dabei finden wir gerade in der Natur gleichgeschlechtliche Partnerschaften (nicht nur schwule Pinguine im Bremerhavener Zoo am Meer) zuhauf.
Tiere werden vorwiegend von ihren Instinkten geleitet. Beim Menschen herrscht ein Mischmasch aus Bewusstsein und Gefühlen. Liebe, das wissen wir, ist nicht ans Geschlecht gebunden. Der Vater liebt seine Söhne, die Tochter ihre Mutter. Warum also nicht auch Mann einen Mann, Frau eine Frau?
Ich bin vielleicht hetero, ich sage vielleicht, weil ich schon in frühen Jahren ein Erlebnis hatte, das ich als schön, geradezu aufregend fand und das mit einem Mädchen zu tun hatte. Ich war mir damals meiner Sexualität noch nicht völlig bewusst, und im Grunde spielte sich nichts anderes ab, als dass ich mich mit dem gleichaltrigen Mädchen auf einer abgelegenen Wiese befand, wir uns plötzlich auszogen und unsere Unterschiede begutachteten. Das war im Sommer, in den Ferien und ich war elf Jahre alt. Eine unbeschwerte Zeit.
Und da ich gerade in der Vergangenheit krame: Ich erinnere mich auch daran, einmal einem Jungen begegnet zu sein, der so schön war, sodass ich mich in ihn ‚verliebte‘. Es war wie ein heißes Feuer. Ich muss ziemlich irritiert dieser Zuneigung wegen gewesen sein. Der Junge war aber auch über alle Maße schön, weiblich zart und schön. Es war die Schönheit selbst, die mich faszinierte. Sicherlich steckt in jedem diese Möglichkeit, auf Reize des gleichen Geschlechts empfindsam zu reagieren.
Und es sind dann meist diejenigen, die homophob reagieren, die Angst vor der eigenen, latent vorhandenen Homosexualität haben, Männer, die bezüglich dessen, was sie für typisch männliche Eigenschaften halten, dahingehend verunsichert werden, dass sie möglicherweise selbst nicht diesem Bild entsprechen.
Ich sage, es gibt keinen Grund, sich vor dem Anderssein zu fürchten. Eigentlich sind wir doch alle etwas anders als die ‚anderen‘, oder? Es ist eher eine Chance, aus dem Anderssein ‚Kapital‘ zu schlagen zum Vorteil für uns alle. Nutzen wir die Möglichkeiten!