Jahreswende

Ich lob’ es nicht, das alte Jahr,
Ich schimpf’ es nicht. So wie es war,
So wie es jetzt noch vor uns steht,
Ehdenn es ganz von hinnen geht,
Verbraucht und alt, die Taschen voll
Von unerfüllten Wünschen, soll
Es meinethalb vergessen sein!

Das neue tänzelt nun herein,
Mit falschem Lächeln im Gesicht,
Die Augen leuchtend, und verspricht
Dem einen dies, dem andern das,
Und allen viel, und jedem was
Und spitzt das Maul, ist zuckersüß,
Das richtige Spinatgemüs!
Dem sag’ ich – gebt mir erst noch Punsch! –,
Dem sag’ ich: Ich hab’ keinen Wunsch.
Bring, was du mußt, nicht, was ich mag,
Und fahre ab am letzten Tag!

    Ludwig Thoma (1867 - 1921)

So schrieb einst Ludwig Thoma, der sich schon als Schüler gegen Scheinautorität und Doppelmoral heftig zur Wehr setzte. Gleitet sicher aus dem Jahr und kommt gut im neuen an: Guten Rutsch oder wie der Hebräer sagt: ראש השנה טוב (Rosch ha schana tov).

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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