Frau Merkel hat sich nach ‚reiflicher Überlegung‘ verschiedener Bundesministerien dazu durchgerungen, Ermittlungen und somit eine mögliche Anklage wegen ‚Majestätsbeleidigung’ des ‚osmanische Sultans‘ gegen Jan Böhmermann zugelassen. Warum erinnert mich das nur an Pontius Pilatus, der zwar Jesus von Nazaret zum Tod am Kreuz verurteilte, seine Hände aber in Unschuld wusch, weil ja das Volk und die jüdischen Autoritäten dessen Tod und dafür die Freilassung des Barabbas gefordert hatten. Ähnlich in Unschuld badet jetzt auch Frau Merkel ihre Hände in Unschuld. Sollen die Gerichte über Böhmermann entscheiden.
Die Erteilung der Ermächtigung zur Strafverfolgung (so heißt das juristisch korrekt – § 104a StGB) ist von daher schon nicht so ganz zu verstehen, weil die Kanzlerin gleichzeitig ankündigte, den besagten § 103 StGB ersatzlos zu streichen. Außerdem sollte die persönliche Beleidigungsklage des türkischen Präsidenten Erdoğan genügen. Einen Straftäter verurteilt man ja auch nicht zweimal wegen einer Tat.
Nachtrag: Okay, ich gebe es zu: „ …bei aller Komplexität des Falles beweist Merkel mal wieder mehr Weitsicht und Sachverständnis als der schrille Rest. Dazu muss man sich nur die drei letzten Sätze ihrer Erklärung zur Bewilligung der Ermittlungen gegen Böhmermann gemäß Paragraf 103 ansehen, über deren Folgen bisher offensichtlich zu wenig nachgedacht wurde:
‚Darüber hinaus möchte ich Ihnen mitteilen, dass unabhängig von diesem konkreten Verfahren die Bundesregierung der Auffassung ist, dass Paragraf 103 StGB als Strafnorm zum Schutz der persönlichen Ehre für die Zukunft entbehrlich ist. Wir werden deshalb einen Gesetzentwurf zu seiner Aufhebung vorlegen. Der Gesetzentwurf soll noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden und 2018 in Kraft treten.‘
Für die Causa Böhmermann hat diese Ankündigung zwei Folgen: Wie der Journalist und Rechtsexperte Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ ausführt, „wäre es einigermaßen sonderbar, wenn der Richter ein Gesetz anwenden müsste, zu dessen Existenzberechtigung sich der Gesetzgeber im Zeitpunkt der Entscheidung des Richters gar nicht mehr bekennt.“ Daher gelte ein „Rückwirkungsgebot“. Und das steht im Strafgesetzbuch ganz vorn nachzulesen, Paragraf 2 Absatz 3: „Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.“
Ein „mildestes Gesetz“ sei in diesem Sinn auch gar kein Gesetz, so Prantl. „Wenn ein Straftatbestand ersatzlos gestrichen wird, kann der Beschuldigte auch nicht mehr nach diesem Gesetz bestraft werden.“ Wenn das Gesetz also vor der letzten „tatrichterlichen Entscheidung“ – und ZDF-Intendant Thomas Bellut hat angekündigt, mit Böhmermann durch alle Instanzen zu gehen – gestrichen wird, kann Böhmermann auch nicht mehr danach verurteilt werden.“
Quelle: stern.de