Eigentlich ist meine Restlebenszeit zunehmend begrenzt, um mich mit Dingen zu beschäftigen, die für mich jeglicher Relevanz entbehren (Hab‘ ich doch schön gesagt, oder?). Böhmermann und der Erdoğan–Zirkus gehören eigentlich dazu. Aber da ich auf Reisen ging und mir die Zeit zu lang wurde, so habe ich (vorab heruntergeladen) einmal eine Folge von Jan Böhmermanns Neo Magazin Royale angeschaut (die Sendung nach der mit dem Erdoğan-Schmähgedicht). Aufregend fand ich das nicht. Witzig, ja. Manchmal etwas albern, der ‚Jugend‘ geschuldet. Oder wie Böhmermann selbst sagt: Quatsch!
Man kann es clever nennen, das Einbinden eines Schmähgedichts „in den pädagogischen Versuch, in einem juristischen Proseminar dem türkischen Staatspräsidenten den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik zu erläutern“ (Max Uthoff und Claus von Wagner – „Die Anstalt“). Sicherlich war es mit der Schmähung dann doch etwas zu viel des Guten.
Aber das ist eher Geschmackssache und, wie ich finde, keine Strafsache. Im Grunde ist das Schmähgedicht das Aufsehen nicht wert. Wen interessieren schon die anatomischen Unzulänglichkeiten und die sexuelle Orientierung eines Herrn Erdoğan. Mit seinem Strafantrag verfolgt der türkische Präsident im Grunde auch ganz andere Ziele. Innenpolitisch ist er bereits der Gewinner. Auch sonst darf er lachen, da sich die deutsche Kanzlerin Angela gezwungen sah (Knicks und Kniefall vor dem osmanischen Sultan), sich öffentlich von dem deutschen Satiriker zu distanzieren.
Natürlich ist Erdoğans Strafantrag, vorgebracht durch den Münchener Anwalt Michael-Hubertus von Sprengler, der bereits in der Vergangenheit umstrittene Personen vertreten hat, so den Chefredakteur der rechtspopulistischen Zeitschrift „Compact“ oder den britischen Holocaust-Leugner David Irving – eher ein Witz. Ebenso witzig ist es, wie vermeintliche Juristen sich über die rechtliche Lage in den Haaren liegen. Übrigens: Eine Unterlassungserklärung lehnt Böhmermann ab.
Eines ist klar: Es geht hier, ob nun juristisch aufgearbeitet und mindestens wegen Geringfügigkeit eingestellt oder nicht, um Pressefreiheit, die Herr Erdoğan in seinem Land mit Füßen tritt. Wenn er denkt, seine Spielregeln auch bei uns einführen zu können, dann sollte es schnell wissen, dass das nichts wird. Einen EU-Beitritt sollte er unter diesen Umständen auch schnell vergessen. Böhmermanns Gedicht war sicherlich keine literarische Glanzleistung, sollte sie auch bestimmt nicht sein. Aber da habe ich schon ganz andere Sachen vernommen (vom sich einnässenden Papst Benedikt oder vom Bundespräsident Gauck, wichsend in Merkels Handtasche), die ebenso nicht dem guten Geschmack entsprachen. Als einer der Oberen muss sich auch Erdoğan gefallen lassen, dass sein Tun kritisch, satirisch hinterfragt wird. Und in diesem Zusammenhang: Es wird Zeit, dass jener „Majestätsbeleidigung“-Parapraph (§ 103 Strafgesetzbuch: Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten) ersatzlos gestrichen wird (wie von der SPD bereits gefordert).
Zwar ist die Sendung Neo Magazin Royale vom 31.03.2016 weiterhin in der ZDF Mediathek zu finden, allerdings um den Gedichtsbeitrag gekürzt. Im Internet war das Videoschnipsel bei vimeo.com zu finden, ist aber auch dort nicht mehr verfügbar, außer in der unter aufgeführten Fassung (was auch geradezu satirische Züge trägt). Allerdings ist das Gedicht in der BZ Berlin nachzulesen – damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann.
Böhmermann-Gedicht – Version für Erdoğan und Merkel
Nun, man darf gespannt sein, wie das Ganze endet. Selbst eine geringe Geldstrafe für Jan Böhmermann wäre zuviel. Nicht Böhmermann, Erdoğan gehört auf die Anklagebank.