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Der tiefe Graben im Meinungsbild

Karl-Theodor zu Guttenberg hat Recht: Es gibt Wichtigeres als die Diskussion um seine Person. Aber die hat jetzt ja ein Ende: Guttenberg nimmt seinen Hut! Das hat zwar etwas gedauert; Herr Gutenberg nennt in seiner Rücktrittserklärung hierfür akzeptable Gründe. Dass er freiwillig geht – dafür zolle ich ihm meinen Respekt.

Freiwillig? Ginge es nach Volkes Meinung, dann wäre Guttenberg auch heute noch Verteidigungsminister mit guten Aussichten, Frau Merkel eines Tages abzulösen. Von einer „medialen Hetzjagd“ ist die Rede – und: „Die Medien sollten sich wieder mehr an der öffentlichen mehrheitlichen Mehrheit orientieren.“ (User „shegerer“ im heute.de-Blog „Kennzeichen digital“) Guttenbergs Plagiat stellt sich für viele als Bagatelle dar: „… wie Abschreiben in der Schule, das hat doch jeder einmal getan!“. Daher ist es für viele auch nicht nachvollziehbar, dass Guttenberg wegen eines vermeintlichen Kavaliersdeliktes seinen Rücktritt erklärt.

Was die Ausrichtung der Medien an der ‚mehrheitlichen’ Mehrheit betrifft, da sollte uns die BILD-Zeitung genügen. Und es soll tatsächlich vorkommen, dass einige Schüler auch ‚ohne Abschreiben’ zu guten Noten kommen. Das Plagiat Guttenbergs ist keine Jugendsünde, die wäre sicherlich verzeihlich. Es ist Täuschung und Lüge. Wenn ein Mann wie Guttenberg wohlfeile Reden hält, in denen er hohe Ansprüche an sich und andere stellt, dann strahlt eine solche Verfehlung ein Licht aus, das dunkle Schatten wirft.

Die Plagiataffäre ist für mich nur die Spitze eines Eisbergs weiterer Affären. Es ist der bisherige Zick-Zack-Kurs des Herrn Guttenberg, der ihn dieses sagen lässt, um anderes dann zu tun (Stichworte: Opel, Kundus, Wehrpflicht). Sein sorgsam aufgebautes Macher-Image deckt sich nicht mit seinen Taten.

Was mich erschreckt, ist der tiefe Graben, der sich durchs deutsche Meinungsbild in Sachen Guttenberg zieht. Volkes Meinung ist geprägt vom Schein. Das spricht für eine erfolgreiche Imagepflege. Herr Guttenberg gibt sich eloquent, wohl gekleidet und volksnah. Ein Mann von Adel. Und ein Macher eben. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? An diesem so makellos scheinenden Lack kratzte nun eine ganze Webgemeinde. Ohne Internet, so die Experten, wäre sein Rücktritt wohl nicht denkbar. Besonders der Aufruf von 23.000 Doktoranden gegen Guttenberg dürfte ihm den letzten Rest gegeben haben. Natürlich sollten solche Aktionen (besonders wie die gemeinschaftliche Dokumentation der Guttenberg-Plagiate auf dem GuttenPlag Wiki) nicht zum Tagesgeschäft werden (Oder doch?). Ist Guttenberg also freiwillig gegangen? Wohl nicht ganz.

Wird sich Guttenberg nun völlig aus der Politik zurückziehen oder hofft er auf eine zweite Chance? Entsteigt er als geläuterter Sünder wie Phoenix eines Tages aus der Asche hervor? Es deutet einiges daraufhin, dass er in seiner Rücktrittsrede bereits den Grundstock für ein Comeback gelegt hat.

Auch wenn er sich bisher redegewandt und volksnah gab, so wenig interessierte ihn – nach meiner Meinung – das Volk selbst. Es war lediglich Selbstzweck. Ihn interessierten nur die Wählerstimmen, um an die Macht zu kommen. Wie volksnah er wirklich war, beweist das Beispiel Opel: Zunächst wollte Guttenberg Opel den Märkten überlassen, staatliche Hilfen lehnte er ab. Die Arbeitnehmer interessierten ihn dabei wenig. Erst, als es opportun erschien, änderte er die Richtung.