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Haltet sie stark

Man mag den Medienrummel um WikiLeaks für übertrieben halten, ausschlussreich ist er allemal.

Ich muss gestehen, mich nicht sehr tiefgehend mit WikiLeaks beschäftigt zu haben. Da gibt es sicherlich sehr viel Material, brisante Enthüllungen, die den Oberen nicht schmecken. Das ist bestimmt sehr detailliert (Afghanistan-Einsatz und Irak-Krieg). Aber ich muss nicht jede Einzelheit kennen, um zu wissen, wie allerorten auch von unseren demokratisch-legitimierten Regierungsvertretern seltsame Machenschaften betrieben werden.

WikiLeaks

Bezogen auf ‚deutsche Verhältnisse’ mag bei den Enthüllungen viel ‚Partyklatsch’ dabei sein. Aber gerade der deckt oft mehr auf, als es der erste Blick verrät. Und manchmal werden wir in unseren Ansichten bestätigt, wenn z.B. der US-Botschafter Murphy unseren Bundesaußenminister Westerwelle als ideenlos, reizbar und überschäumende Persönlichkeit mit großem Geltungsdrang beschriebt. Oder wenn er den damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble als neurotischen und „zornigen alten Mann“, der überall Bedrohungen sehe, charakterisiert (siehe hierzu auch zdf.de: Westerwelles Büroleiter war der Maulwurf).

Aufschlussreich, geradezu beängstigend ist die Hetzjagd, die gegen WikiLeaks und deren Sprecher (nicht Gründer) Julian Assange betrieben wird. Die Reduzierung Wikileaks auf Assange finde ich übrigens ziemlich unglücklich, da er nicht allein WikiLeaks ausmacht und dadurch besonders angreifbar geworden ist, wie es seine Verhaftung zeigt. Julian Assange steht unter dem Verdacht der Vergewaltigung und sexuellen Belästigung zweier Frauen in Schweden. Der Enthüllungsaktivist weist die Vorwürfe zurück und sieht sich als Opfer einer Rufmordkampagne. Wo liegt letztendlich die Wahrheit?

Aber dem nicht genug: WikiLeaks lebt von Spenden. So haben Paypal, Mastercard und Visa Zahlungen eingestellt bzw. halten Geld an das Enthüllungsportal zurück. Außerdem versuchte man WikiLeaks im Netz mundtot zu machen, indem man Server abschaltete, auf denen das Portal gehostet wurde. Es entwickelt sich so zunehmend ein Cyberkrieg, denn u.a. gab es Gegenmaßnahmen und so haben WikiLeaks-Anhänger u.a. die Website von Visa mit sogenannten DDOS-Angriffen („Distributed Denial of Service“) blockiert. Sicherlich ist das nicht die feine englische Art und der Sache am Ende nicht dienlich.

Natürlich stellen sich im Zusammenhang mit WikiLeaks grundsätzliche Fragen: Was darf Wikileaks? Wie verändert es die Gesellschaft? Und wo sind die Grenzen? Bestimmt gibt es Grenzen, aber die lassen sich meist erst im Einzelfall ausmachen. Politik bedarf mehr Transparenz. Die verfehlte Politik um den Bau des Stuttgarter Bahnhofs hat er deutlich gemacht. In Zukunft werden Politiker mehr als heute Rechenschaft über ihr Tun ablegen müssen – notfalls unter dem Druck von Diensten und Portalen wie WikiLeaks. Das Internet verändert viel und wird auch die Politik verändern. Das sollte endlich gegriffen werden. Mit Hetzjagden wird das ‚Problem’, das mancher Politiker heute noch hat, nicht gelöst. Wir sind für Demokratie, Meinungsfreiheit und für eine ‚offene Gesellschaft’ – oder wir sind es nicht. Alles andere ist Heuchelei. Natürlich muss sich ein Portal wie WikiLeaks gleichfalls an die ‚neuen Regeln’ halten und z.B. für Transparenz seiner Informationen sorgen.

„Keep us strong“ ist das Motto von WikiLeaks – halten wir sie stark.