Nach dem Album The Shouting Stage (1988) dauerte es wieder zwei Jahre, bis das nächste Album von Joan Armatrading Hearts and Flowers 1990 veröffentlicht wurde. Aufgenommen wurde das Album wieder in den Bumpkin Studios, Joan Armatradings eigenem Studio, diesmal in ‚The Grey Room’ in Los Angeles abgemischt und erschien im Juni 1990 wiederum bei A&M Records.
Auch für Hearts and Flowers holte sich Joan wieder eine Reihe namhafter Studiomusiker, die bekanntesten dürften Pino Palladino (Bass) und Manu Katché (Schlagzeug) sein. Das Album erreichte Platz 29 in den UK-Albumcharts bzw. Platz 161 in den US-Albumcharts, war also aus Sicht ihrer Plattenfirma aus kommerzieller Sicht nicht allzu erfolgreich. Jeremy Pearce zeichnete für das Plattencover verantwortlich.
Ich gestehe, dass ich bei diesem Album hin- und herschwanke. Einige Stücke finde ich sehr schön oder sie sind das, was man gern ‚interessant’ zu nennen pflegt. Mit anderen Liedern habe ich aber meine Probleme. Das betrifft besonders die ‚rhythmisch’ ausgelegten Lieder, die – es liegt in der Natur dieser Lieder – ohne großen Melodiebogen auskommen.
Hier zunächst die Trackliste des Albums:
(alle Lieder wurden von Joan Armatrading komponiert, arrangiert und produziert)
Seite 1:
1. „More Than One Kind Of Love“ – 5:32
2. „Hearts And Flowers“ – 3:40
3. „Promise Land“ – 4:00
4. „Someone’s In The Background“ – 3:55
5. „Can’t Let Go“ – 4:36
Seite 2:
1. „Free“ – 3:20
2. „Something In The Air Tonight“ – 4:32
3. „Always“ – 1:56
4. „Good Times“ – 4:23
5. „The Power Of Dreams“ – 3:08
Zu den einzelnen Stücken: Das Album beginnt in „More Than One Kind Of Love“ verhalten mit einigen Akkorden auf dem Keyboard (gespielt von Don Freeman), dann setzt Joans Stimme ein, unterstützt von wenigen einzelnen Bass-Tönen. Das Lied nimmt mit einem nun pulsierenden Bass (Mick Karn) und zusätzlichem Schlagzeug (Jamie Lane mit programmierten Drums) etwas mehr Fahrt auf, wobei mich der Bass doch etwas stört. Ich würde ihn mir etwas dezenter wünschen. Das Lied erschien auch als Single und erreichte in den UK Single-Charts Platz 75.
Joan Armatrading: More Than One Kind Of Love
Als nächstes Lied folgt bereits der Titelsong: Hier spielt Joan Armatrading nach langer Zeit alle Instrumente (Gitarre und hauptsächlich Keyboards) wieder einmal selbst (später sollte das die ‚Regel’ werden). Es ist betont rhythmisch mit sehr verschachtelten Rhythmuspassagen, die einen ganz besonderen Reiz auf den Zuhörer ausüben.
Joan Armatrading: Hearts And Flowers
„Promise Land“ beginnt mit einer sirrenden akustischen Gitarre – gespielt von Joan herself, die übrigens alle Gitarrenparts dieses Albums übernommen hat. Die Gitarre klingt wie eine 12-saitige, der Klang dürfte aber durch den Effekt eines Phaser beeinflusst sein. Wieder steigert sich das Stück durch den Einsatz von Bass und Schlagzeug (zunehmend ‚krachend’) – und hat ein ziemlich langes Ende (durch Wiederholung: Follow you into the promise land).
„Someone’s In The Background“ ist so ein Stück, das mir nicht so ganz gefallen mag. Es enthält ein rhythmisches Gerüst, um das sich u.a. ein Saxophon-Solo und einige Keyboardpassagen (die teilweise wie Vibraphon klingen) schlängeln.
Es folgt wieder ein langsames Lied, bei dem Joan erneut alle Instrumente (Gitarre und Keyboards) selbst spielt. Am Anfang steht ein Wechsel zwischen akustischer Gitarre und Keyboard, das zunehmend durchdringender wird, dann auch einige schräge Akkorde setzt:
Joan Armatrading: Can’t Let Go
Seite zwei beginnt mit einem schnellen, sehr flotten Stück: „Free“ klingt nach einem Gospel. Es enthält ein Saxophon-Solo, gespielt von Dave Koz (eigentlich David Kozlowski). Bass und Schlagzeug bilden einen Klangteppich, auf dem sich die Mitspieler musikalisch auslassen können.
„Something In The Air Tonight“ klingt südamerikanisch. Wieder legen Bass und Schlagzeug einen Klangteppich, der durch die akustische Gitarre von Joan und zum Ende hin durch Perkussion verstärkt wird. Bläsersätze (allerdings aus der Retorte, also auf dem Keyboard erzeugt) ergänzen das Stück und geben ihm eine besondere Dynamik.
„Always“ ist ein schönes, langsames Stück mit Joans Gesang und der Begleitung auf dem Keyboard (wieder von Don Freeman gespielt):
Joan Armatrading: Always
Im vom Blues beeinflussten Stück „Good Times“ spielt Joan eine fetzende akustische Gitarre. Das Stück ist wieder sehr rhythmus-betont, für mich etwas monoton und vom Schlagzeug her (unterstützt durch Manu Katché am Hi-Hat) etwas zu schrill. Das Solo auf der elektrischen Gitarre (wieder von Joan Armatrading gespielt) klingt teilweise recht schräg.
Das Album endet mit einem schon obligatorisch langsamen Lied: „The Power Of Dreams“, in dem das Keyboard lediglich durch halbwegs dezentes Bass- und Schlagzeugspiel unterstützt wird.
Wie schon geschrieben: Joan spielt alle Parts der Gitarre selbst und zeigt sich dabei vielseitig und als Meisterin des Instruments. Ihre Stimme wirkt für mich um einige Nuancen reifer als auf den Vorgängeralben. Nach Ansicht einiger Kritiker (u.a. ihr Biograf Sean Mayes in Joan Armatrading – A Biography) ist dieses Album eine Rückkehr zu den Themen und musikalischen Einflüssen der ersten beiden Alben von Joan, besonders Back to the Night. Dem kann ich nur bedingt zustimmen. Gerade die ersten Alben hatten ein musikalische Potenzial, das die späteren nur noch teilweise erreichten. Das gilt auch für dieses Album. Gerade die frühen Scheiben weisen vom Kompositorischen her, im Mix aus Melodie und Rhythmik, eine Komplexität auf, die einzigartig ist. Kompensiert wird das auf „Hearts and Flowers“ sicherlich durch die Reife von Joans Stimme und ihrem exzellenten Gitarrenspiel.