Ein ‚Markenzeichen’ von Joan Armatrading war ein an einer Kette um ihren Hals baumelnder Schlüssel. Es soll sich dabei um den Schlüssel zu ihrer Wohnung gehandelt haben. Wenn sie auf Tour war, fürchtete Joan, diesen Schlüssel irgendwo zu verlegen oder gar zu verlieren. So trug sie ihn um den Hals. Dieses Markenzeichen gab dann dem achten Studioalbum von ihr, das 1983 erschien, den Namen: The Key.
Nun The Key war wieder sehr erfolgreich – kam in Großbritannien auf Platz 10 der Album Charts und auf Platz 32 in den USA. Die ausgekoppelte Single Drop the Pilot erreichte Platz 11 der UK Single Charts und hielt sich dort 10 Wochen unter den Top 40. Außerdem war Joan Armatrading 1984 für den Grammy als beste weibliche Rock Vocal Performance nominiert – bzw. das Album für den Grammy Best Album Package. Immerhin!
Aufgenommen wurde das Album in den Townhouse Studios in Shepherd’s Bush, London, in den Polar Studios in Stockholm und zwei Lieder in New York. Wie beim Album Walk Under Ladders (1981) war wieder Steve Lillywhite der Produzent. Da die Plattenfirma meinte, dass Album wäre nicht kommerziell genug, wurde Joan Armatrading angehalten, zusätzliches Material zu schreiben. So komponierte sie die Lieder „Drop The Pilot“ und „What Do Boys Dream“, welche dann auch separat in New York von Val Garay produziert wurden. Hierfür wurden dann auch völlig andere Musiker ins Studio geholt.
Es war wieder unverkennbar ein Album seiner Zeit. Joan Armatrading hatte sich erneut dem Musikgeschmack der 80er Jahre angepasst oder anpassen müssen, denn unverkennbar wurde sie von ihrer Plattenfirma zu einer kommerzielleren Ausrichtung gezwungen. Ich denke, sie versuchte ihr damals Bestes zu geben und bediente sich wieder unterschiedlichster Musikstile, die damals mehr oder weniger populär waren – bis hin zum Punk, mehr aber nach meinem Dazuhalten war es New Wave. Um es gleich zu sagen: Trotz (und eher gerade wegen) des kommerziellen Erfolges der Platte ist sie nach meinem Geschmack neben Me Myself I (1980) eine der schlechtesten Scheiben von Joan Armatrading.
Trackliste des Albums:
(alle Lieder wurden von Joan Armatrading komponiert)
Seite 1:
1. „(I Love It When You) Call Me Names“ 4:23
2. „Foolish Pride” 3:16
3. „Drop The Pilot“ 3:41
4. „The Key“ 4:01
5. „Everybody Gotta Know“ 3:48
Seite 2:
1. „Tell Tale“ 2:31
2. „What Do Boys Dream“ 2:55
3. „The Game Of Love“ 3:34
4. „The Dealer“ 3:19
5. „Bad Habits“ 3:43
6. „I Love My Baby“ 3:29
Das Album beginnt mit einem für mich reichlich nervigen Bass. Und die Keyboards piepsen wie wir es auch von Lieder der neuen deutschen Welle her kennen. Ich hab das Lied ‚gewogen’ und für zu leicht befunden (‚seicht’ wäre fast noch richtiger). Das Gitarrensolo am Schluss spielt Adrian Belew, der u.a. durch die Progressive-Rock-Band King Crimson bekannt wurde, u.a. auch schon einmal bei Frank Zappa gespielt hatte. Bei King Crimson spielte u.a. auch der Bassist Tony Levin. Auch hier kann ich nur mein Empfinden beim Hören wiedergeben: Das Solo klingt wie quietschende Reifen. Aber hört selbst:
Joan Armatrading – (I Love It When You) Call Me Names
Das zweite Stück wird gestimmt durch Bläsersätze, echten Bläsern, also nicht aus dem Keyboard gequetscht. Man kann das Lied mögen oder nicht. Fatal finde ich hier das auf dünn getrimmte Stimmchen von Joan Armatrading, wie überhaupt auf einigen Stücken dieser Scheibe ihre eigentlich dunkle (tiefe) Stimme ohne die kleinen Brüche und Kiekser auskommt und dafür fast mädchenhaft hell, aber eben auch ausdruckslos klingt.
Joan Armatrading – Foolish Pride (Original)
Das dritte Lied „Drop the Pilot“ war auch als Single erfolgreich. Man hört schnell, warum: Es ist eingängig und von den ersten vier Liedern der Scheibe das, was mir noch am besten gefällt (was nicht ungedingt für dieses Lied spricht, eher gegen die drei anderen):
Joan Armatrading – Drop the Pilot (live)
Mit den 80-er Jahren kamen auch die Videoclips … So entstand auch für “Drop the Pilot” ein Videoclip:
Drop The Pilot from Joan Armatrading on Vimeo.
Joan Armatrading – Drop the Pilot (Videoclip)
Es folgt der Titelsong: Viel fällt mir dazu nicht ein. Hier verwurstelt Joan Armatrading Reggae mit New Wave-Elementen, es klingt teilweise wie ein Kinderlied (beschränkt auf eine pentatonische Tonleiter). Und wieder nervt ein piepsiges Keyboard (in früheren Zeiten sprachen wir da nicht mehr von Organisten, sondern Onanisten, die sich gewissermaßen an ihrem Instrument selbst befriedigten). Oh, Joan …
Joan Armatrading – The Key
Es kann nur besser werden – und wird es dann auch mit dem letzten Lied der ersten Seite (damals gab es bei LPs ja noch zwei Seiten): Ein langsames Stück, das wirklich nach Joan Armatrading klingt, wenigstens so, wie ich sie mag …:
Joan Armatrading – Everybody Gotta Know
Die zweite Seite beginnt mit einem Lied, in dem wieder Bläser zum Einsatz kommen. Ansonsten reißt es mich nicht vom Hocker.
Joan Armatrading – Tell Tale
Was Jungs träumen interessiert mich nur am Rande. Immerhin gibt uns Joan keine direkte Antwort, sondern kommt mit Fragestellungen daher (Do boys dream about …?). Das Lied ist in New York aufgenommen worden, noch etwas kommerzieller ausgerichtet als die anderen Stücke. Und so wurde dazu auch ein Videoclip gedreht … Immerhin lässt sie Joans Stimme hier hören:
Joan Armatrading – What Do Boys Dream
Die restlichen vier Lieder sind leider nicht bei Youtube etc. zu haben. „The Game of Love“ (unnötig aufgepeppt und eigentlich eher langweilig) und „The Dealer“ (im Endeffekt auch nur leichte Kost) kann man vergessen. „Bad Habits“ ist dann eher schon ein Höhepunkt der Scheibe, denn das Stück rockt richtig und klingt für mich stilistisch etwas wie Little Village, der von Ry Cooder mit John Hiatt (Gesang, Gitarre, Klavier), Nick Lowe (Bass) und Jim Keltner (Schlagzeug) gegründeten Gruppe. Hörenswert ist auf jeden Fall das Saxophonsolo und zuletzt das witzige Gitarrensolo.
Am Schluss dann wieder wie bei all ihren letzten Scheiben ein langsames Lied: „I Love my Baby“ – das wäre okay, wäre nicht schon wieder das quiekende Keyboard. Ich denke, dass das eine oder andere Lied sich retten ließe, wenn man diese anders arrangieren würde. Aber wie gesagt: dies Album ist ein Zeugnis seiner Zeit, den 80-er Jahren.
Jetzt werden sich viele fragen, warum ich eigentlich bei diesem Fast-Verriss ein Joan Armatrading-Fan bin?! Ich habe mir am letzten Wochenende die Rockpalast-DVD von Joan mit dem Konzert aus dem Jahr 1979 angehört/angesehen. Das war damals die Joan, die mich begeistert hat. Die 80-er Jahre, und das gilt nicht nur für Joan Armatrading, auch Jethro Tull produzierten nach meinen Geschmack viel Unerträgliches in dieser Zeit, waren nicht meine Jahre. Das konnte mit dem dann folgenden Jahrzehnt nur besser werden (aber soweit sind wir bei der Betrachtung und Belauschung von Joan Armatradings Diskografie noch nicht).