Archiv für den Monat: November 2012

Klaus Wagenbach: Kafkas Prag – Ein Reiselesebuch

    Kafka in Prag – Fotomontage von Peter Rink

Es ist nun über dreißig Jahre her, dass ich mit einem Freund Prag besucht habe. Damals waren es wahrlich noch andere Zeiten. Zlatá Praha, das goldene Prag stand bereits vor so langer Zeit für mich auch für Franz Kafka. An seinem Geburtshaus war bereits eine Gedenktafel angebracht. Ansonsten kannte ich da noch keine weitere ‚Adresse’, die ich mit Kafka in Verbindung bringen konnte.

Ich hätte noch gut 11 Jahre warten müssen, denn im Oktober 1993 erschien in der wunderbaren Buchreihe Salto in Klaus Wagenbachs eigenem Verlag ein kleines, aber wunderschönes Büchlein: Kafkas Prag – Ein Reiselesebuch. Ich selbst habe es mir 2 Jahre später gekauft (Verlag Klaus Wagenbach, Berlin – 42. Salto – 21. – 25. Tausend September 1995).

Klaus Wagenbach: Kafkas Prag – Ein Reiselesebuch

Nun Kafka hat seine Heimatstadt Prag nur selten verlassen. Als notorischer Herumtreiber, wie er sich selbst nannte, war er mit ihr bestens vertraut. Klaus Wagenbach ist ihm nachgegangen, besucht mit ihm Schule, Universität und Büro, folgt ihm über die Brücken, ins Theater, in die Cafes und Parks. Viele seiner Erzählungen bekommen so einen konkreten Hintergrund.

„Ein wunderschönes Buch, das den Kritiker verlegen macht: denn er weiß nicht, wo er mit dem Loben und Bewundern beginnen soll. Die alten Fotos sind vielleicht das Schönste – noch nie wurden sie so kenntnisreich präsentiert und so liebevoll kommentiert …
Die Genauigkeit in der Übereinstimmung von Text, Abbildungen und Stadtplänen, die Sorgfalt, mit der Wagenbach seine Stadtreis betrieben hat, ist das beste an dem Buch. Sie hebt es über andere Reisebücher weit hinaus.“
(FAZ, Reiseblatt)

Dem kann ich nur zustimmen. Das kleine Buch animiert (vielleicht nicht nur Kafka-Liebhaber) zu einer Reise in die tschechische Hauptstadt, die nicht nur geschichtsträchtig ist, sondern neben vielen Sehenswürdigkeiten durch ein pulsierendes Kulturleben besticht: Prag! Zlatá Praha!

Kafkas tatsächliche Unterschrift

Granatäpfel

Die Zeit der kleinen schmackhaften Beeren (siehe meinen Beitrag Von Beeren und Bären) ist natürlich längst vorbei. Jetzt kommen vermehrt Zitrusfrüchte (z.B. Navel- und Blutorangen) auf den Markt. Besonders die Blutorangen von den Hängen des Vulkans Ätna in Sizilien mag ich wegen dieser Mischung aus Süße, Säure und leichter Bitternis. Und natürlich Pink Grapefruits (Photo: We like the bittersweet taste).

    Granatapfel

Ein Genuss sind aber besonders Granatäpfel. Viele mögen diese Frucht nicht wegen der Kerne, die man mitisst. Natürlich kann man den Saft aus den leuchtend roten und saftigen Kerne pressen. Ich esse die Frucht aber pur direkt aus der Schale heraus mit dem Löffel. Geschmacklich verbindet der Granatapfel auf exotische Weise Süße und Säure. Ich finde sie einfach köstlich. Natürlich gibt es jede Menge Rezepte mit Granatäpfeln. Sie passen u.a. vorzüglich zu Wild oder Geflügel.


Granada und der Flamenco

Übrigens: Der Granatapfel gab der Granate und dem scharlachroten Halbedelstein Granat den Namen, möglicherweise auch der spanischen Stadt Granada; die umliegende Landschaft ist heute noch ein wichtiges Anbaugebiet.

Reise durch alle Länder der Welt in 203 Wochen (ohne Flieger)

Mit seiner Einreise in den Südsudan hat ein 33-jähriger Brite nach eigenen Angaben als erster Mensch alle Länder besucht, ohne ein Flugzeug zu benutzen. Nach knapp vier Jahren habe er insgesamt 201 Staaten bereist, darunter neben den 193 UN-Mitgliedern auch Nicht- Mitglieder wie das Kosovo, Vatikanstadt, Taiwan und die Palästinensergebiete, sagte Graham Hughes. „Ich bin nun 1.426 Tage gereist, das sind 203 Wochen oder fast vier Jahre“. I Did It – The Odyssey Expedition

The Odyssey Expedition: Graham Hughes – in 203 Wochen um die Welt

Das erste Land seiner ungewöhnlichen Tour war am 1. Januar 2009 Uruguay, seitdem sei er quasi ununterbrochen unterwegs gewesen, berichtete der aus Liverpool stammende Globetrotter weiter. Zu dem Zeitpunkt gab es den Südsudan noch gar nicht, er wurde erst anderthalb Jahre später unabhängig.

Während all der Jahre hielt sich Hughes nach eigenen Angaben strikt an vier Grundsätze: Er durfte weder fliegen noch eigene Fortbewegungsmittel nutzen, musste sich auf öffentliche Verkehrsmittel verlassen und durfte erst dann ein Land von seiner Liste streichen, wenn er «seinen Fuss auf trockenen Boden» gesetzt hat.

«Die meisten Leute dachten, ich sei verrückt, viele glaubten, es sei unmöglich», sagte Hughes. Sie sorgten sich, wie er in Krisengebieten wie etwa Afghanistan und Somalia klarkommen wollte. Diese seien aber wegen der seltenen Grenzkontrollen kein Problem gewesen, versicherte der 33-Jährige. Selbst nach Nordkorea habe er sich «auf Zehenspitzen» einschleichen können.

Eine wahre Herausforderung hingegen boten die «kleinen Inselnationen, die zu den Olympischen Spielen mit einer Fahne und zwei Athleten auftauchen». Um zu ihnen zu kommen, musste er manchmal auf ein Versorgungsschiff warten, das nur einmal im Monat fuhr, oder – wie im Falle der Kapverden – tagelang in einem lecken Holzboot über den Ozean gondeln.

Mit seiner Tour sammelte Hughes Spenden für WaterAid, eine britische Hilfsorganisation, die sich für sauberes Wasser weltweit einsetzt. Auf seiner Internetseite zeigt der Globetrotter Aufnahmen von sich aus jedem der bereisten Länder sowie Fotos seiner unzähligen Visa. Sie füllen insgesamt vier Pässe. (Quelle: blick.ch)


The Odyssey Expedition: Videopräsentation

Playlist der Videos: The Odyssey Expedition (2009-2012) von Graham Hughes

Natürlich ist der Globetrotter nicht zu verwechseln mit Howard Hughes Jr., einem bekannten amerikanischen Unternehmer, Filmproduzent und Luftfahrtpionier, der übrigens 1976 in einem Flugzeug starb und dessen Leben öfter verfilmt wurde, u.a. 2004 von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio als Hughes und dem Titel Aviator.

Tuiavii aus Tiavea: Der Papalagi

Papalagi – wer in etwa in meinem Alter ist, der wird irgendwann einmal über dieses Buch, das angeblich die (nicht gehaltenen) Reden des Südsee-Häuptlings Tuiavii aus Tiavea enthält, gestolpert sein, vielleicht sogar gelesen haben. Aber wohl auch heute noch erfreut sich das Buch einer gewissen Beliebtheit: Der Papalagi

Tuiavii aus Tiavea: Der Papalagi

Der eigentliche Verfasser ist wohl Erich Scheurmann, ein deutscher Maler und Schriftsteller. 1914 erhielt dieser von seinem Verleger einen Vorschuss über 2.000 Mark für eine Südsee-Geschichte. Scheurmann fuhr nach Samoa, das zu dieser Zeit noch deutsche Kolonie war. Er wurde dort vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überrascht und verließ Samoa 1915, um in die USA zu reisen. Dort schrieb er den fiktiven Reisebericht „Der Papalagi“, der 1920 zu ersten Mal als Buch erschien. Ich habe das Buch als eine reich illustrierte Ausgabe aus dem Tanner + Staehelin Verlag, Zürich (220.-260. Tausend November 1980 – erweiterte Neuauflage der Originalausgabe von 1920 – Felsenverlag, Buchenbach/Baden), vorliegen.

Jener Häuptling Tuiavii (was ein Titel und kein Name ist) lebte dem Buch zufolge auf der Insel Upolu in dem Dorf Ti’avea. Ich habe nachgeschaut; den Ort gibt es tatsächlich auf der Insel, die im Jahr 1899 Teil der Kolonie Deutsch-Samoa geworden war. Während des Ersten Weltkriegs wurde die Insel dann von Großbritannien besetzt.


Größere Kartenansicht
Ti’avea auf der Insel Upolu (Samoa)

Was ist der Grund für die Beliebtheit dieses Buchs? Es ist eine Zivilisationskritik in elf „Reden“, die Scheurmann jenem Südseehäuptling in den Mund legte. Dieser berichtet von seiner Reise nach Europa und warnt sein Volk vor den dort herrschenden Wertvorstellungen. Real hatte jedoch nicht ein Südsee-Häuptling Europa bereist, sondern Scheurmann das polynesische Samoa. Bei seinem in etwa einjährigen Aufenthalt auf Samoa wird er viele Gespräche mit den Einwohnern geführt und deren Lebensumstände erforscht haben, was zur Idee zu diesem Buch führte.

    Tuiavii aus Tiavea: Der Papalagi

Die „Reden“ üben ohne Zweifel einen gewissen Reiz aus, wenn sich Scheurmann auch oft einer Sprache bedient, die die Dinge umschreibt, für die es aber auf Samoa schon längst Worte gab. Aber das erhöht natürlich die romantisch geprägte Exotik dieser Zivilisationskritik. Sicherlich regen die „Reden“ uns zum Nachdenken an – über unsere Stellung in der Gesellschaft, über unser Tun und Trachten. Aber wir sollten auch bedenken, dass „im Falle des Papalagi sich Scheurmann nicht der samoanischen Gesellschaft [widmet], sondern in den europäisch geprägten Vorstellungen von der Südsee als einem Paradies auf Erden [verharrt]. Die samoanische Lebenswelt ist dem reisenden Autor keine Zeile wert, seine Augen richten sich allein auf den europäischen Alltag durch die Brille des so hellsichtigen ‚Wilden’.“ Und weiter: „Dass dieser Ethnokitsch dann immer noch so populär ist, gibt zu denken – besonders angesichts der doch selten fremdenfreundlichen Tendenzen in unserem Alltag.“ (Quelle: literaturkritik.de)

Ganz so hart mag ich mit dem Buch nicht umgeben. Scheurmanns konstruierte Perspektive des Außereuropäischen hätte sich vielleicht nicht so konkret in Person eines Samoaner finden sollen. Das ist wohl der damaligen Zeit geschuldet, die dann tatsächlich in der Südsee ein Paradies vermutete. Wahrscheinlich wird aber auch Scheurmann selbst Samoa als heile Welt empfunden haben – angesichts der Hetze der Vorkriegszeit in Europa kein Wunder.

Der neue deutsche Bildungstest

Am letzten Samstag fragte das ZDF in einem ‚neuen deutschen Bildungstest’, was jemand heute wissen muss. Im Vorfeld der Show wurde in einer repräsentativen Forsa-Umfrage ganz Deutschland befragt: „Was ist Bildung?“ und „Was muss ein gebildeter Mensch heute alles wissen?“. Aus den Ergebnissen dieser Umfrage, zusammen mit einer Einschätzung führender Bildungsforscher und -experten, wurde ein Fragenkatalog entwickelt, der die 50 wichtigsten Fragen auflistet, die ein gebildeter Deutscher heute wissen muss. „‚Der neue deutsche Bildungstest’ wirft ein Schlaglicht auf einen neuen ‚Bildungskanon’, zu dem alles das gehört, was man benötigt, um sich in der modernen Welt zu orientieren.“

Das, was wir als Bildungskanon ansehen, ist ohne Zweifel wandelbar, so wie sich Wissen ständig erweitert und sich damit Bildung in andere Richtungen orientiert. Sicherlich kann man das in der Sendung abgefragte Wissen zu einem aktualisierten Wissenskanon zählen, aber eigentlich geht es bei den 50 Fragen im Wesentlichen um Alltagswissen, das jemand besitzen sollte, „um sich in der modernen Welt zu orientieren“, wie es heißt.

    Bildung

Aber Bildung beinhaltet dann doch mehr als dieses Alltagswissen. Ob Goethe und Beethoven ‚out’ sind, wie in der Sendung behauptet, muss bezweifelt werden. Ich will mich gar nicht so sehr auf eine klassische Bildung beziehen, aber um die Welt zu verstehen und um ‚gebildet’ zu sein, bedarf es mehr als das Wissen um die uns täglich begegnenden Dinge. Hier liegt eben der Knackpunkt dieser Sendung: Alltagswissen allein wird bereits als Bildung verkauft. Auf der anderen Seite, auch das ist klar, sollte sich jemand, der viele der Fragen nicht beantworten kann, fragen, ob er wirklich so gebildet ist, wie er meint (bekanntlich ist auch Einbildung eine Art von Bildung).

Selbst umfangreiches Wissen ist nicht immer mit Bildung gleichzusetzen. Ich habe Menschen kennen gelernt, die geradezu ein enzyklopädisches Wissen aufwiesen, die man die unmöglichsten Sachen fragen konnte – und die ich doch nicht unbedingt als gebildet bezeichnen möchte. Sie haben sich das Wissen angelesen (z.B. Wikipedea), viel mehr nicht.

Gebildet ist für mich ein Mensch, der ein Mindestmaß an Wissen aufweist, der gleichzeitig im Stande ist, dieses Wissen auch bei komplexen Zusammenhängen anzuwenden. Erst im Zusammenspiel zwischen Wissen und analytischer Befähigung ‚bildet’ sich Bildung. In meinem Beitrag Bildung, ein angefressener Bauch habe ich das Buch Bildung – Alles, was man wissen muss von Dietrich Schwanitz vorgestellt. Auch dieses Buch ist natürlich nicht der Bildung letzter Schluss.

Übrigens: Man muss nicht ‚alles’ wissen. Oft genügt es zu wissen wo ‚etwas’ steht.

Die 50 Quizfragen aus der Sendung

siehe auch meinen Beitrag: Bildungsnotstand in Deutschland?

Heute Ruhetag (29): Lewis Carroll – Alice im Wunderland

Lewis Carroll (1832 – 1898, eigentlich Charles Lutwidge Dodgson) war ein britischer Schriftsteller des viktorianischen Zeitalters, Fotograf, Mathematiker und Diakon.
Er ist der Autor der berühmten Kinderbücher Alice im Wunderland, Alice hinter den Spiegeln (oder Alice im Spiegelland) und The Hunting of the Snark. Mit seiner Befähigung für Wortspiel, Logik und Fantasie schaffte er es, weite Leserkreise zu fesseln. Seine Werke, als sogenannte Nonsenseliteratur bezeichnet, sind bis heute populär geblieben und haben nicht nur die Kinderliteratur, sondern ebenso Schriftsteller wie James Joyce, die Surrealisten wie André Breton und den Maler und Bildhauer Max Ernst oder den Kognitionswissenschaftler Douglas R. Hofstadter beeinflusst.

Bei manchem alten Kinderbuch fragt man sich schon, ob das wirklich für Kinder geeignet ist – oder ob es vielleicht doch eher für Erwachsene geschrieben wurde. Unterschätzt unsere lieben Kleinen nicht …!

Übrigens: Heute in einer Woche, am 2. Dezember (1. Advent), zeigt der Sender Pro7 die schräge Verfilmung ‚Alice im Wunderland’ in der Regie von Tim Burton aus dem Jahre 2010 mit Mia Wasikowska als Alice, Johnny Depp als verrückter Hutmacher und Helena Bonham Carter aus böse Königin.

Heute Ruhetag = Lesetag!

Alice fing an sich zu langweilen; sie saß schon lange bei ihrer Schwester am Ufer und hatte nichts zu thun. Das Buch, das ihre Schwester las, gefiel ihr nicht; denn es waren weder Bilder noch Gespräche darin. »Und was nützen Bücher,« dachte Alice, »ohne Bilder und Gespräche?«

Sie überlegte sich eben, (so gut es ging, denn sie war schläfrig und dumm von der Hitze,) ob es der Mühe werth sei aufzustehen und Gänseblümchen zu pflücken, um eine Kette damit zu machen, als plötzlich ein weißes Kaninchen mit rothen Augen dicht an ihr vorbeirannte.

Dies war grade nicht sehr merkwürdig; Alice fand es auch nicht sehr außerordentlich, daß sie das Kaninchen sagen hörte: »O weh, o weh! Ich werde zu spät kommen!« (Als sie es später wieder überlegte, fiel ihr ein, daß sie sich darüber hätte wundern sollen; doch zur Zeit kam es ihr Alles ganz natürlich vor.) Aber als das Kaninchen seine Uhr aus der Westentasche zog, nach der Zeit sah und eilig fortlief, sprang Alice auf; denn es war ihr doch noch nie vorgekommen, ein Kaninchen mit einer Westentasche und einer Uhr darin zu sehen. Vor Neugierde brennend, rannte sie ihm nach über den Grasplatz, und kam noch zur rechten Zeit, um es in ein großes Loch unter der Hecke schlüpfen zu sehen.

    Lewis Carroll: Alice im Wunderland

Den nächsten Augenblick war sie ihm nach in das Loch hineingesprungen, ohne zu bedenken, wie in aller Welt sie wieder herauskommen könnte.

Der Eingang zum Kaninchenbau lief erst geradeaus, wie ein Tunnel, und ging dann plötzlich abwärts; ehe Alice noch den Gedanken fassen konnte sich schnell festzuhalten, fühlte sie schon, daß sie fiel, wie es schien, in einen tiefen, tiefen Brunnen.

Erstes Kapitel. Hinunter in den Kaninchenbau.

Lewis Carroll: Alice’s Abenteuer im Wunderland

WilliZ kleines Philosophie-Modell

Vor über vier Jahren habe ich versucht, meine Gedankenwelt zu ordnen und zu einem kleinen Philosophie-Modell zusammenzufügen. Hier noch einmal in leicht modifizierter Form das damals Verfasste:

Während es anscheinend schon beim wortwörtlichen Begriff keine klare Definition für Religion (lat. für Gottesfurcht, Frömmigkeit, aber auch Rücksicht, Skrupel, Aberglaube usw.) gibt, so ist Philosophie aus dem Altgriechischen immerhin mit Liebe zur Weisheit zu übersetzen. Beide beschäftigen sich mit der Frage nach dem Sinn des Lebens. Philosophie und Religion schließen sich dabei bis heute nicht aus. Während in der Religion das Transzendente (Überstreiten von Grenzen, also z.B. vom irdischen ins himmlische Leben) eine wesentliche Rolle spielt, so ist die heutige Philosophie eher erdverbunden, also auf die menschliche Existenz auf Erden bezogen.

Ich habe mich im Laufe meines Lebens immer wieder mit Religion und Philosophie beschäftigt. Irgendwie tut das wohl jeder Mensch, der sich die Frage aller Fragen, eben die nach dem Sinn des Lebens, stellt (nicht nur Monty Python).

Mit Religion, hier der christlichen Religion, wurde ich von Kindesbeinen an durch meine Eltern konfrontiert (ich berichtete bereits ausführlicher darüber: Salvation à la mode). Ich wurde quasi zum Christentum zwangsrekrutiert. Später beschäftigte ich mich auch mit anderen Religionen, vor allem dem Buddhismus. Dieser interessiert mich auch heute noch, wenn ich in ihm auch eher ein philosophisches System erkenne. Dazu später mehr.

In religiöser Hinsicht bin ich im Wesentlichen ein Agnostiker. Wie man es auch sehen mag, Gott ist keine physikalische Größe, also nicht messbar oder wahrnehmbar. Ich bewundere Menschen, die anscheinend einen sechsten oder siebten Sinn haben, den ich die Fähigkeit zum Gotteserlebnis nennen möchte. Ich habe nie ein solches Gotteserlebnis gehabt und kann also nicht sagen, ‚Gott erlebt’ zu haben. Ich schließe die Existenz Gottes dabei nicht gänzlich aus. Dafür habe ich einen anderen Gedankenansatz gefunden. Für mich ist Gott bezogen auf das einzelne menschliche Individuum als etwas wie Atman (das Selbst, die unzerstörbare, ewige Essenz des Geistes, auch Seele übersetzt) zu verstehen. Womit ich auch schon fast beim Buddhismus bin. Buddha (eigentlich Siddhartha Gautama) selbst verneinte Atman, also die Seele als individuelle und konstante Einheit, weil sie in beständigem Werden, Wandel und Vergehen begriffen ist, was ich nur unterstützen kann. Ohne zu sehr auf fernöstliche Religionen einzugehen, so will ich wenigstens noch einen Begriff einführen: Brahman. Damit wird gewissermaßen eine kosmische Weltenseele bezeichnet, in die Atman, also die Einzelseele, zurückfließt, wenn der Mensch stirbt. Anders ausgedrückt: So wie die Summe der Energie konstant bleibt, so bleibt auch die Summe der geistigen Essenz (Gott oder wie immer man es benennen will) gleich.

    Willi 'Mahatma'

Vielleicht ist es etwas wie Anmaßung, wenn ich dem Menschen eine Seele zuspreche. Aber an so etwas wie an einen ‚göttlichen Funken’ vermag ich schon zu glauben, wenn auch nur wenige, wie es scheint, damit ‚gesegnet’ sind. An der Formel „Leben = Materie + Energie + Gott (sprich: geistige Essenz)“, bezogen auf den Menschen (bei Tieren, und noch weniger bei Pflanzen, bin ich mir nicht so sicher, das mag aber auch für mich dahingestellt sein), könnte ich also Gefallen finden.

Komme ich noch auf einen wesentlichen Aspekt fernöstlicher Religionen, auch des Buddhismus, zu sprechen: die Wiedergeburt. An eine Wiedergeburt, wie es sich wohl die meisten vorstellen, vermag ich nicht zu glauben. Trotzdem beziehe ich diese in mein bescheidenes Modell mit ein.

Somit sind wir jetzt auch schon mitten bei dem, was ich für mich als philosophisch-religiöses Gedankengebäude errichtet habe. Oft spricht man vom Schlaf als den kleinen Bruder des Todes. Und so wie ich aus dem Schlaf erwache, beginnt für mich, wenn man so will, mit jedem Tag ein neues Leben. Zumindest versuche ich es so zu ‚erleben’. Jeden Tag werde ich also (wenn auch nicht im religiösen Sinne) ‚wiedergeboren’.

Ansonsten habe ich mir einige philosophische Ideen bei Sartre, mehr wohl noch bei Camus geklaut. Dazu habe ich ja schon einiges in meinem Blog zum Besten gegeben. Im Grunde halte ich das Leben wie die beiden, (Sartre und Camus), für sinnlos. Es gibt keinen eigentlichen, allgemeingültigen Sinn des Lebens. Man muss sich und seinem Leben ‚selbst’ einen Sinn geben. Ähnlich dachte auch Buddha, der das Leben für leidvoll hielt. Man muss gegen diese allgemeine Sinnlosigkeit, gegen das Leid revoltieren. Diese Revolte ist ein tägliches sich Aufbäumen gegen die Absurdität des Lebens.

In Sofies Welt ist zu lesen:

Sartre weist gerade darauf hin, daß der Mensch niemals seine Verantwortung für das, was er tut, leugnen kann. Deshalb können wir unsere Verantwortung auch nicht vom Tisch fegen und behaupten, wir ‚müßten’ zur Arbeit oder ‚müßten’ uns nach gewissen bürgerlichen Erwartungen darüber, wie wir zu leben haben, richten …

aus: Jostein Gaarder: Sofies Welt – Roman über die Geschichte der Philosophie – S. 540 – Carl Hanser Verlag 1995

Sicherlich empfinden wir vieles als Zwang. Aber wir müssen uns klar werden, dass wir es sind, die sich diese Zwänge auferlegen. Wir sind verantwortlich für uns – und können eigentlich tun und lassen, was wir wollen. Natürlich gibt es kausale Zusammenhänge, die in Zwänge münden. Wenn ich z.B. behaupte, ich müsste zur Arbeit, dann ist das die Konsequenz, die ich ziehe, weil ich mich für eine Familie entschieden habe und für sie (und mich) zu sorgen habe.

Oft ist es auch so, dass scheinbare Zwänge nichts anderes sind, als der Weg des geringsten Widerstandes. Wenn ich mich nach „bürgerlichen Erwartungen richte“, dann doch nur, weil ich bestimmte Auseinandersetzung scheue. Es sei denn, ich akzeptiere die Rolle und erfülle die Erwartungen aus eigenem Willen.

Mein kleines Philosophie-Modell müht sich also um Praxis-Nähe. Gegen einen theoretischen Unterbau habe ich nichts einzuwenden, aber das ist dann eher wie Spiel, sich mit den verschiedensten philosophischen Modellen auseinander zu setzen. Wenn Sartre schreibt: „Die Existenz geht dem Wesen voraus“, so mag das die Quintessenz des Modells Existenzialismus sein. Was dahinter steckt, nämlich der Gedanke, dass dem Menschen einzig sein nacktes Dasein vorgegeben ist; er dann aber selbst erfinden muss, was ihn am Ende ausmacht – so ist das vielleicht nicht so prägnant, aber verständlicher (aber jeder ‚echte’ Philosoph sucht nach der ‚Formel’, der kürzesten Beschreibung seines Modells wie z.B. Descartes und sein „Cogito ergo sum“).

Zusammenfassend und erläuternd: Jeder Tag gilt mir wie ein neues Leben. Das heißt nicht, dass ich in den Tag hineinlebe. Es gibt immer Dinge, die einer Planung bedürfen. Nur müssen wir wachsam sein und sollten nicht zu viel ‚verplanen’. Schnell vergisst man über zuviel Planung das eigentliche Leben. Der eigentliche Grundsatz meine Philosophie ist: Bewusst zu leben! Sich bewusst werden, was man eigentlich will! Sich auch hinterfragen, ob man mit dem, was man hat, ist und will, zufrieden sein kann. Und ich muss immer bereit sein, mich zu ‚entscheiden’. Gerade die heutigen Menschen lassen sich oft nur noch treiben, und schaffen es nicht, sich in bestimmten (entscheidenden!) Momenten zu entscheiden. Und: Manchmal muss man auch einmal nein sagen können.

Nur als Trost: Natürlich gelingt mir das auch nicht immer. Oft genug tue auch ich mir Zwang an.

Nun, das klingt alles fast banal, was ich da als eigenes Lebensmodell mit philosophischer Grundlage vorgelegt habe. Aber ich neige nun einmal nicht dazu, nach dem Sternen zu greifen. Das Naheliegende hilft uns manchmal mehr. So versuche ich in kleinen Schritten voran zu kommen. Jeden Tag aufs Neue. Und jeden Tag versuche ich, aus dem „göttlichen Funken“ ein kleines Feuer in mir zu entfachen. Das Leben ist ein Weg – und der Weg ist das Ziel!

Natürlich gibt es viele noch offene Fragen, Fragen der Moral, die Frage nach gut und böse usw. Diese muss sich jeder nach eigenem besten Wissen und Gewissen selbst beantworten. Man muss sich dabei u.a. fragen, ob man mit den Antworten leben kann (Gewissen). Und es gibt sicherlich Fragen (z.B. Gen- und Stammzellenforschung), für deren Beantwortung man ohne größeres Wissen nicht auskommt. Es ist sicherlich schon wichtig, überhaupt Fragen zu stellen (wie heißt es schon im Sesamstraßen-Lied: „… wer nicht fragt, bleibt dumm!“).

Design for Obama

2008 führte Obama den Wahlkampf der Zukunft. Nie war der Grad des Involvements sowie der kreative Ausstoß seitens der Wähler so hoch, nie zuvor engagierten sich derart viele junge Menschen basisdemokratisch. Auf designforobama.org luden tausende prominente Grafiker, Street Artists, Designer oder Zeichner ihre Plakatentwürfe hoch. Dieser Band hat die besten ausgesucht. Von Shepard Faireys ikonischem Hope-Plakat bis zu Ron Englishs Entwurf von Obama als Abraham Lincoln im Warhol’schen Pop-Art-Stil – eine Sammlung historischer Dokumente. Text Englisch, Deutsch, Französisch. 200 Abbildungen. 182 Seiten. Großformat 24 x 28 cm: Design for Obama

The Incredible Obamas
The Incredible Obamas

siehe auch meine Beiträge: Ry Cooder: Election SpecialRy und ‚Sandy’ sei Dank? Obama bleibt US-Präsident!

100 Jahre Kafkas Verwandlung

Nein, es ist nicht 100 Jahre her, dass sich Franz Kafka in einen Käfer verwandelte, oder doch? Es war immerhin vor 100 Jahren, dass Kafka eine seiner bekanntesten Erzählungen verfasst hat: Der Verwandlung. Diese erschien erst im Oktober 1915 in der Zeitschrift „Die weißen Blätter“, kurz darauf auch als Buch im Kurt Wolff Verlag.

„‚Die Verwandlung’ entstand ab Mitte November 1912 und gehört damit derselben intensiven Schaffensphase an wie ‚Das Urteil’ und ‚Der Verschollene’. Zur Niederschrift benötigte Kafka knapp drei Wochen, unterbrochen durch eine zweitägige Dienstreise: eine Störung, die seiner Ansicht nach sichtbare Spuren im Text hinterließ. Beflügelt fühlte sich Kafka dann allerdings durch seine einzige öffentliche Lesung in Prag, zwei Tage vor Fertigstellung der Erzählung.“
(Quelle: franzkafka.de)

Franz Kafka: Die Verwandlung - 1916

Fundstücke zu Kafkas Verwandlung:

1. Der Text: Franz Kafka – Die Verwandlung

Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglich dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen.

»Was ist mit mir geschehen?«, dachte er. Es war kein Traum. Sein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten Wänden. Über dem Tisch, auf dem eine auseinandergepackte Musterkollektion von Tuchwaren ausgebreitet war – Samsa war Reisender – hing das Bild, das er vor kurzem aus einer illustrierten Zeitschrift ausgeschnitten und in einem hübschen, vergoldeten Rahmen untergebracht hatte. Es stellte eine Dame dar, die mit einem Pelzhut und einer Pelzboa versehen, aufrecht dasaß und einen schweren Pelzmuff, in dem ihr ganzer Unterarm verschwunden war, dem Beschauer entgegenhob.

[…] der gesamte Text der Erzählung

2. Franz Kafka – Die Verwandlung (vollständige Lesung):

3. Die Wohnung der Samsas

4. Kafka: Die Verwandlung als Wordcloud

5. Das Faksimile (vorletzte Seite des Manuskripts)

Bl. 41v von »Die Verwandlung«. Vorletzte Seite des Manuskripts

6. Franz Kafkas Erzählung “Die Verwandlung”, redigiert von Vladimir Nabokov (der englischen Übersetzung)

Franz Kafkas Erzählung “Die Verwandlung”, redigiert von Vladimir Nabokov

7. Das Cartoon

Quelle: Darvins Illustrierte
Quelle: Darvins Illustrierte

30 Jahre & mehr TITANIC: das endgültige Satiremagazin

    „Die verbotenste Zeitschrift Deutschlands.“
    (Der Spiegel)

Am Anfang war der Nikel, Hans A. Nikel, Gründer und Herausgeber der literarisch-satirischen Zeitschrift Pardon (eigentlich kleingeschrieben: pardon), die 1962 zum ersten mal auf den Markt kam und in Spitzenzeiten bis zu 320.000 Exemplare verlegte und damit eine Zeitlang Europas größte Satirezeitschrift war. Man glaubt es kaum, aber Loriot gestaltete damals das erste Titelblatt und Literaten wie Hans Magnus Enzensberger, Martin Walser und Günter Grass waren als Autoren tätig. Heute bestens bekannte Schriftsteller und Zeichner wirkten mit: Robert Gernhardt, F.W. Bernstein, Kurt Halbritter, Hans Traxler, F.K. Waechter (Markenzeichen von Pardon war F. K. Waechters Teufelchen, das seine Melone lupft) und Chlodwig Poth, um nur einige zu nennen.

    Markenzeichen von Pardon war F. K. Waechters Teufelchen, das seine Melone lupft

„Die Zeitschrift Pardon, 1962 gegründet, befand sich nach einem guten Jahrzehnt verdienstvollen Satireschaffens (Aber hallo! Gesellschaftspolitische Aufmisch-Aktionen im glorreichen 68er-Schwung!) nun leider im Zustand des Siechtums. Jedenfalls sahen das all diejenigen so, die dort bereits längere Zeit mitgearbeitet und sich inzwischen einer nach dem anderen davongemacht hatten.

Es war ja nicht mehr zum Aushalten gewesen! Autoritäre Strukturen in antiautoritären Zeiten. Läppisch servile Servicebeiträge statt knallhart komischer Satire. Und schließlich […] auch noch der tiefe Fall des allmächtigen Ein Mann-Besitzers und Chefredakteurs aus den lichten Höhen rational aufklärerischer Satire in die Schleimgruben esoterischer Weltsicht.“
(aus: TITANIC – Das Erstbeste aus 30 Jahren – s.u.)

Hans A. Nikel konvertierte zu Johannes Nikel.

Einige Mitarbeiter trennten sich also, fanden sich zur Neuen Frankfurter Schule zusammen und gründeten 1979 die TITANIC als Konkurrenzmagazin. Nikel beendete seine Herausgebertätigkeit Ende 1980 und verkaufte Pardon an den Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza. Chefredakteur mit neuer Redaktion in Hamburg wurde Henning Venske. Während dieser Zeit erschien das Blatt nicht mehr geklammert, sondern wie eine Zeitung gefaltet. 1982 wurde Pardon eingestellt. Im April 2004 begann der Jenaer Satiriker Bernd Zeller (eine Zeitlang auch Mitarbeiter bei der TITANIC) mit der Herausgabe einer gleichnamigen Zeitschrift, nachdem er die Namensrechte von Nikel erworben hatte. Ich habe mir ab und zu ein Heft gegönnt (siehe meinen Beitrag Eulenspiegel, pardon oder Titanic?), wenn ich im Zeitschriftenhandel über eines stolperte. Im September 2007 wurde die Zeitschrift mit nur noch 1.000 Abonnenten eingestellt, der Onlineauftritt wird unter dem Namen Darvins Illustrierte fortgeführt. Am 6. Dezember soll zum 50. Jahrestag angeblich eine einmalige Ausgabe der Pardon erscheinen.

Es gibt sicherlich eine Menge satirischer Blätter, meist aber nur in kleinen Auflagen. Neben Eulenspiegel (Website des Eulenspiegel), der 1954 aus dem Satireblatt Frischer Wind hervorging und in Ostdeutschland gegründet wurde, ist seit 1979 TITANIC das meist gelesene Satiremagazin.

„Als die TITANIC von Robert Gernhardt, Peter Knorr, Chlodwig Poth, Hans Traxler und F.K. Waechter 1979 gegründet wurde, da glaubte man, bestenfalls drei Jahre über die Runden zu kommen. Nachrückende neue Kräfte, hoffnungslose Jungsatiriker aus der Provinz und andere Totalversager würden das Blatt dann schon erfolgreich zugrunde richten. Doch bisher sind alle nachwachsenden Generationen an diesem Projekt gescheitert. Zur Verblüffung ihrer Gründer hat sich die TITANIC als unsenkbar entpuppt. Dieses Buch versammelt nicht nur die besten Geschichten, Cartoons und Fotowitze aus dreißig Jahren – vom Buntstiftlutscher bei ‚Wetten, dass ..?‘ über ‚Genschman‘ und die ‚Zonen-Gaby‘ bis zum Fresskorb, mit dem die Fußball-WM 2006 ins Land gelockt wurde -, sondern auch zahlreiche unveröffentlichte Originalbeiträge. Ein Muß für alle Fans von intelligenter Satire.“
(Klappentext aus: TITANIC – Das Erstbeste aus 30 Jahren)

TITANIC – Der Erstbeste aus 30 Jahren

TITANIC besteht also jetzt seit über 30 Jahren. Zum 30. Jubiläum erschien das Buch als gebundene Ausgabe. Und vor einigen Wochen ist es auch für schlappe 14 € 95 als großformatiges, gut 410 Seiten starkes Taschenbuch erhältlich: 30 Jahre TITANIC

Natürlich als Liebhaber der Satire (und in jungen Jahren zusammen mit meinem alten Kumpel Hajo Graue Verfasser satirisch angehauchter Texte – siehe u.a.: Der Idiot) habe ich mir neben dem einen oder anderen Heftchen auch dieses Buch begönnt. Es ist eine Zeitreise in die Politik, Kultur und das Sexualverhalten sowie die größten Saufgelagen der letzten drei Jahrzehnte, ironisch-gepfeffert, satirisch-gesalzen und sarkastisch in Gurkenwasser getränkt, dass einem die Spucke wegbleibt. Wie hieß es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Die TITANIC ist das Flaggschiff des deutschen Humors.“ Diese ironische Überspitzung trifft voll ins Blaue, also daneben: TITANIC ist das Ätzendste was einer/einem unter die Augen kommen kann. Also Vorsicht: Gefahrgut! Nichts für verzärtelte Gemüter! Daher nur heiß zu empfehlen.

Siehe auch meinen Beitrag: Titanic versus Blogger

TITANIC im sozialen Netzwerk: titanic@twittertitanic@google+titanic@facebook

Seltsame Methoden

Eigentlich sollte die Politik froh sein, mündige Bürger zu haben. Aber unser Herr Bürgermeister der Samtgemeinde Tostedt, Dirk Bostelmann, hat wohl genug von der Einmischung der Bürger in seine Entscheidungen und die des Samtgemeinderates. Nach einem ersten Bürgerentscheid in Tostedt 2007, in dem die Bürger gegen die zuvor getroffene Entscheidung der Politik votierte, kam der Samtgemeinderat einem weiteren Bürgerentscheid 2010 zuvor und hob einen Ratsbeschlusses zur Rathauserweiterung (Abriss und Neubau des Rathauses Tostedt) auf. In diesem Jahr durften die Bürger über den Erhalt des Freibades abstimmen. Und nun erdreisten sich Tostedter Bürger, ein Bürgerbegehren gegen den Bau eines Kindergartens in die Wege zu leiten: historisches-tostedt-erhalten.de

Hierzu einige Informationen aus der Presse in diesem Zusammenhang:

18.10.2012: Mütter wollen neue Kita verhindern – Mithilfe eines Bürgerbegehrens soll der geplante Neubau einer Kindertagesstätte an der Dieckhofstraße in Tostedt gestoppt werden. (vollständiger Text)
Quelle: (Hamburger) abendblatt.de

07.11.2012: Verschuldung in Tostedt explodiert – Die Grünen erneuern ihre Kritik an dem Neubau der Kindertagesstätte an der Dieckhofstraße (vollständiger Text)
Quelle: (Hamburger) abendblatt.de

08.11.2012: Tostedt in der Schuldenfalle? – Tostedts Grüne schlagen Alarm: Die Samtgemeinde werde bis Ende 2016 bei einem Schuldenstand von 22 Millionen Euro angelangt sein. Die Schuldenentwicklung war bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs im Finanzausschuss aufgezeigt worden. (vollständiger Text)
Quelle: han-online.de

11.11.2012: Tostedt – Kindergartenstreit spitzt sich zu – Die Samtgemeinde Tostedt wird sich in den kommenden Jahren massiv verschulden. Die Grünen, die – wie berichtet – dazu auffordern, alle Investitionen nochmals hinsichtlich ihrer Notwendigkeit zu überprüfen, finden bei den anderen Fraktionen wenig Verständnis. Insbesondere bei der Debatte um den an der Dieckhofstraße geplanten Kindergarten mit Krippe. Die Grünen sehen dafür keine Notwendigkeit, da der Kindergartenbedarfsplan des Landkreises Harburg mit weniger Kindern rechne als die Samtgemeinde. (vollständiger Text)
Quelle: han-online.de

weitere Pressemitteilungen siehe unter tostedt.de

Den Initiatoren geht es übrigens nicht darum, neue Kindergarten- und Krippenplätze zu verhindert, sondern sie halten den Standort für unglücklich und die Investitionen (2,5 Mio, Euro) für zu hoch. Das Familienservicebüro der Gemeinde versucht indessen zu suggerieren, dass sich die Initiatoren gegen den Kindergartenneubau generell aussprechen, was nicht stimmt.

„Ziel des Bürgerbegehrens ist es, den historischen Ortskern von Tostedt zu erhalten. Die Tösteniederung zwischen dem Sand, der Kirche und der Dieckhofstraße macht den besonderen Charakter von Tostedt aus und darf nicht durch eine Überbauung der weit über 100 Jahre alten Wegverbindung Stegen entwertet werden.

Der genaue Antragstext des Bürgerbegehrens lautet:

Sind Sie dafür, dass der Samtgemeinderatsbeschluss vom 11.09.2012 (Kindertagesstätten/Kinderkrippenbau am Standort Dieckhofstraße) aufgehoben wird und damit verbunden keine Kindertagesstätte/Kinderkrippe am Standort Dieckhofstraße erstellt wird?“ (Quelle: historisches-tostedt-erhalten.de)

Jetzt hat „der Bürgermeister […] Schreiben an Arztpraxen, Geschäfte und andere Stellen verschickt, wo die für das Bürgerbegehren nötigen Unterschriften gesammelt werden sollten. Er bittet darin, die Auslegung der Listen zu überdenken. Stattdessen sollen sich Ärzte und Geschäftsleute im Rathaus über die Gründe informieren, die den Gemeinderat zur Entscheidung für einen Kindergartenneubau im Ortskern bewogen haben.“ (Quelle: Kreiszeitung Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 17.11.2012)

    Kreiszeitung Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 17.11.2012 – Seite 1

Kreiszeitung Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 17.11.2012 – Seite 1

Herr Bostelmann „verweist auf die niedersächsische Kommunalverfassung, nach der er die Bürger über wichtige Angelegenheiten informieren müsse. ‚Wie ich das mache, steht da nicht.’“.

Herr Bostelmann, es geht Ihnen doch nicht darum die Bürger zu informieren, dann hätten Sie das lange vor dem Samtgemeinderatsbeschluss vom 11.09.2012 tun müssen. Sie wollen das Bürgerbegehren verhindern. Und dafür setzten sie auf Kosten der Bürger den Verwaltungsapparat ein. Nein, natürlich wollen sie niemanden unter Druck setzen oder gar nötigen. Komisch nur, dass das bei einigen Geschäftsleuten etwas anders aufgefasst wird. So bat ein Geschäftsmann darum, die Unterschriftslisten nicht auslegen zu lassen, weil er fürchtete, weiterhin vielleicht keine Aufträge mehr von der Gemeinde zu erhalten.

Inzwischen sind auch bereits vollgeschriebene Unterschriftslisten aus zwei Tankstellen und einem Geschäft verschwunden. Ich denke, solche ‚Unterstützung‘ wird auch Herr Bostelmann nicht mögen.

Kreiszeitung Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 17.11.2012 – Seite 8
Kreiszeitung Nordheide Elbe&Geest Wochenblatt vom 17.11.2012 – Seite 8

So oder so sind es mehr als problematische Mittel, die Herr Bostelmann glaubt, anwenden zu müssen, um das Bürgerbegehren zu verhindern. Welchen politischen Schaden er damit anrichtet, ist ihm bisher leider nicht klar geworden. Dass er sich zu einer Entschuldigung gegenüber den Initiatoren des Bürgerbegehrens aufrafft, damit ist nicht zu rechnen. Es ist nur zu hoffen, dass jetzt genügend Unterschriften (rd. 2300 müssen es sein) zusammenkommen, damit ein Bürgerentscheid durchgeführt wird.