Archiv für den Monat: September 2024

Colin Hogkinson (‚Back Door‘): 32-20 Blues

Komme ich heute zu einen der besten Bassisten, die ich kenne (habe ja selbst den E-Bass gezupft): Colin Hodgkinson (Jahrgang 1945), der mit vielen der großen Musiker aus Rock, Blues und Jazz zusammen musiziert hat (okay, auch bei Plattenaufnahmen von Peter Maffay). Am 14. April 1975 haben wir ihn in der Halle II der Bremer Stadthalle mit der Gruppe ‚Back Door‘ als Vorgruppe von Alexis Korner & Friends gehört und gesehen. Hodgkinson ist bekannt wegen seiner ungewöhnlichen Spielweise eines schwer handzuhabenen Akkordspiels und seiner ausgewiesenen Virtuosität. Hier ein Beispiel (mit Gesang): 32-20 Blues (von Robert Johnson)

Vorgruppe ‚Back Door‘ von Alexis Korner – Bremer Stadthalle (Halle II) – 14.April 1975
Vorgruppe ‚Back Door‘ von Alexis Korner – Bremer Stadthalle (Halle II) – 14.April 1975

Hier das Konzert von ‚Back Door‘ – 10 Tage nach dem Bremer Konzert – vom 24. April 1975: Ansage übrigens von Alexis Korner, der hervorragend Deutsch spricht. Die Gruppe ‚Back Door‘ spielte in einer ungewöhnlichen Besetzung: Saxofon, Keyboard – Schlagzeug – Bass, also ohne Gitarre

Alexis Korner – April 1975 in Bremen (Stadthalle Halle II)

Alexis Korner (* 19. April 1928 in Paris als Alexis Andrew Nicholas Koerner; † 1. Januar 1984 in London) war ein englischer Blues-Musiker mit griechisch-österreichischen Wurzeln. Er gilt neben den vor wenigen Tagen erst verstorbenen John Mayall als Schlüsselfigur der britischen Bluesrockszene der 1960er Jahre. In seiner Band ‚Blues Incorporated‘ spielten britische musikalische Stars wie z. B. Mick Jagger (vertretungsweise 1962), Ginger Baker, Dick Heckstall-Smith, Charlie Watts, Cyril Davies, Jack Bruce, Brian Jones, Duffy Power – also ¾ von den ‚Rolling Stones‘ und 2/3 von ‚Cream‘ (das letzte Drittel, Eric Clapton, wurde bekanntlich bei John Mayall bekannt).

Am 14. April 1975 haben wir Alexis Korner & Friends in der Halle II der Bremer Stadthalle mit der Vorgruppe ‚Back Door‘ gehört und gesehen.

Alexis Korner & Friends – Bremer Stadthalle (Halle II) – 14.April 1975
Alexis Korner & Friends – Bremer Stadthalle (Halle II) – 14.April 1975

Hier ein Konzertausschnitt aus der Rheingoldhalle in Mainz vom 24.04.1975, also 10 Tage nach dem Konzert in Bremen: Ain’t That Peculiar? (Ist das nicht eigenartig?). Den Bass spielte übrigens Colin Hodgkinson, der bereits mit der Vorgruppe ‚Back Door‘ auf der Bühne stand (zu Hodgkinson demnächst mehr)

Alexis Korner sprach übrigens hervorragend Deutsch. 1972 moderierte Korner eine dreizehnteilige Sendung zur Geschichte von Rock und Blues namens „Sympathy for the Devil“. Diese Sendereihe wurde auch im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Schweiz, Österreich) international ausgestrahlt. Hier ein Ausschnitt aus einer der Folgen dieser Sendereihe. Alexis Korner interpretiert hier Blues in deutscher Sprache (gewissermaßen eine musikalische Perle): Wenn Sorgen Geld wären

Musik von und mit Alexis Korner [Amazon]

Kafka 2024: Kafka in Riva am Gardasee (5) – Klaus Wagenbach: Dr. von Hartungen, Sanatorium und Wasserheilanstalt – Riva am Gardasee

Ab Mitte 1979 erschien für 20 Jahre im Wagenbach-Verlag Freibeuter, eine Vierteljahreszeitschrift für Kultur und Politik – herausgegeben u.a. von Klaus Wagenbach. Die Nr. 16 aus 1983 hatte als Schwerpunktthema Franz Kafka nachgestellt.

Zeitschrift ‚Freibeuter‘ Nr. 16 aus 1983: Franz Kafka
Zeitschrift ‚Freibeuter‘ Nr. 16 aus 1983: Franz Kafka

Der Verleger und Kafka-Kenner, Klaus Wagenbach, verfasste u.a. auch einen Artikel zu Kafkas Aufenthalt 1913 in dem Sanatorium und der Wasserheilanstalt des Dr. von Hartungen:

In Riva, das damals zu Österreich gehörte, war Kafka zweimal: im September 1909 für zehn Tage, gemeinsam mit Max und Otto Brod, in einer kleinen Pension unterhalb der Ponalestraße, und im September/Oktober 1913 für drei Wochen, allein, im Sanatorium Dr. von Hartungen.

'Sanatorium und Wasserheilanstalt Dr. von Hartungen' in Riva am Gardasee: das Haupthaus
‚Sanatorium und Wasserheilanstalt Dr. von Hartungen‘ in Riva am Gardasee: das Haupthaus

Kafka kam mit dem Schiff (aus Desenzano) in Riva an, wie der „Jäger Gracchus“, und wie er fühlte er sich (nach dem Bruch mit Felice [Verlobte in Berlin]) „leer und sinnlos“. „Mein einziges Glücksgefühl besteht darin, daß niemand weiß, wo ich bin.“ Der Jäger Gracchus sagt: „… niemand weiß von mir, und wüßte er von mir, so wüßte er meinen Aufenthalt nicht, und wüßte er meinen Aufenthalt, so wüßte er mich dort nicht festzuhalten, so wüßte er nicht, wie mir helfen. Der Gedanke, mir helfen zu wollen, ist eine Krankheit und muß im Bett geheilt werden.“

Die Krankheit, die Kafka mit nach Riva brachte und die noch immer „Neurasthenie“ hieß, war auch im Sanatorium Hartungen nicht zu heilen. Und sie überschattete auch das zweite (nach dem in Zuckmantel) große Liebeserlebnis: die Begegnung mit einer achtzehnjährigen Schweizerin, die ebenfalls im Sanatorium wohnte. Auch über diese Liebe hat Kafka fast vollständiges Stillschweigen bewahrt, es gibt kaum mehr als eine kurze Notiz im Tagebuch nach der Rückkehr aus Riva: „Die Süßigkeit der Trauer und der Liebe. Von ihr angelächelt werden im Boot. Das war das Allerschönste. Immer nur das Verlangen zu sterben und das Sich-noch-Halten, das allein ist Liebe.“ Auch dies ist Gracchus: Er lebt nicht, er kann nicht sterben.

In einem Prospekt aus dem Jahr 1910, verfaßt von Dr. Erhard und Dr. Ch. E. von Hartungen, hat sich eine Beschreibung des Sanatoriums und seiner Möglichkeiten erhalten:

Das Anstaltsgebäude liegt inmitten eines grossen Parkes, unmittelbar am Gardasee. 60 Zimmer und eine Lufthütten-Kolonie (20 Lufthütten) mit vornehmen, hygienischen Einrichtungen, mit herrlichem Ausblick auf den Gardasee. Zur Durchführung von Freiluftkuren dient ein grosses, geschlossenes Luftbad im Anstaltsparke, ebenso ein Luft- und Sonnenbad für Herren und Damen am Dach-Plateau der Wasserheilanstalt und die Liegehalle.

… und die Strandliegehalle
… und die Strandliegehalle

Licht-, Luft- und Sonnenbäder, Nacktgymnastik und schwedische Freiluftspiele in gedeckten und freien Luftbädern das ganze Jahr hindurch.

See-, Sonnen- und Sandbäder am Strande unmittelbar vor der Anstalt während der Sommermonate.

Aseptisch ermolkene Kur- und Kindermilch von tuberkelfreien, nur trocken gefütterten Kühen, ebenso auch pasteurisierte Kefir- und Yoghurt (bulgarische Sauermilch).
Auch dieses Sanatorium rühmte sich der Behandlung von „Nervenleiden“ an erster Stelle, erinnerte an die „segensvolle Bedeutung des Lichts, speziell des Sonnenlichts bei Nervenschwäche“ und erinnert die „Bewegungsfreunde“ (zu denen Kafka ohne Zweifel gehörte) daran, daß „die malerische Umgebung Rivas an Abwechslung zu Wasser und zu Lande mehr bietet, als irgend ein anderer Kurort zu bieten vermag“.

Als Kuren – neben den diätetischen – werden angeboten:

Hydriatische Kuren in Form von Teil- und Vollbädern, verschieden temperierten Halbbädern, Abreibungen, Güssen, Teil- oder Ganzpackungen, Dampf- und trockenheissen Luftbädern, des elektrischen Bogenlichtbades. Klinisch erprobte Mineral-, Kräuter- und Schlammbäder, sowie die Behandlung mit Radium in verschiedenster Form wurden schon seit vielen Jahren mit sehr günstigem Erfolge gehandhabt.

Atmosphärische Kuren durch methodischen Gebrauch von Sonnen-, Luft-, Marsch- und Ruderlichtbädern mit und ohne folgende Wasseranwendung.

Heilgymnastik, d.h. leichte Leibesübungen, werden unter Aufsicht den Indikationen entsprechend ausgeführt.

Elektrotherapie wird mittelst Vierzellenbades (nach Dr. Schnee) faradischer und galvanischer Ströme und Bäder, der Influenzmaschine etc. etc. angewendet; die Anwendung derselben findet nur durch die Ärzte statt.

Ein weiteres Therapieangebot zeigt, daß das Sanatorium Hartungen damals zu den modernsten Anstalten gehörte:

Die Psychotherapie spielt im Sanatorium keine untergeordnete Rolle, da die Ärzte täglich mit den Patienten verkehren, sich auf das intimste über deren Befinden informieren, so dass ausser der streng individuell diätetisch-physikalischen Behandlung gleichzeitig eine seelische Einwirkung als Korrektiv möglich wird, welche die Krankheitsfurcht oder andere schädliche Vorstellungen, wie Gemütsbeschwerden, beseitigt, und den Kranken einer gesundheitsfreudigen und daseinsfrohen Stimmung entgegenführt.

Spezialärztlich durchgeführte psychoanalytische Behandlung.

Die meisten Gebäude des Sanatoriums stehen heute noch und dienen, nach einem Besitzerwechsel, ähnlichen Zwecken.

siehe auch: Kafka „kehrt zur Natur zurück!“

Louis Malle: Fahrstuhl zum Schafott (1958) – Musik (Score): Miles Davis

Jeanne Moreau auf der Suche nach ihrem Freund im nächtlichen Paris des Jahres 1958. Ich habe ein Faible für französische Filme. So habe ich jetzt den Film ‚Fahrstuhl zum Schafott‘ vom Regisseur Louis Malle eben aus dem Jahr 1958 gesehen. Als der Jazz-verrückte Malle sich um die Filmmusik bemühte, war es ein Glücksfall, dass sich gerade zu dieser Zeit Miles Davis in Paris aufhielt. Boris Vian, Schriftsteller, Jazztrompeter und Direktor der Jazzmusikabteilung des Plattenlabels Philips, war Malle dabei behilflich, den Kontakt zu Davis herzustellen. In nur einer Nacht, zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens, spielte Davis den Soundtrack in einem Studio an den Champs-Élysées komplett improvisiert ein.

Louis Malle
Louis Malle

Louis Malle bewertet den Beitrag von Miles Davis zum Film sehr hoch: „Was er machte, war einfach verblüffend. Er verwandelte den Film. Ich erinnere mich, wie er ohne Musik wirkte; als wir die Tonmischung fertig hatten und die Musik hinzufügten, schien der Film plötzlich brillant.“

Miles Davis ist nicht jedermanns Sache. Aber der Filmausschnitt ist schon eine Besonderheit: Jazz trifft französischen Film – Miles Davis trifft Louis Malle

Filme von Louis Malle [Amazon]
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Kafka 2024: Kafka in Riva am Gardasee (4) – Der Jäger Gracchus

    „Eine Barke schwebte leise, als werde sie über dem Wasser getragen, in den kleinen Hafen. […] Auf dem Quai kümmerte sich niemand um die Ankömmlinge […]“
    FRANZ KAFKA: Der Jäger Gracchus

aus Kafkas Werken: Die Aeroplane in Brescia – Erzählungen – Beschreibung eines Kampfes
aus Kafkas Werken: Die Aeroplane in Brescia – Erzählungen – Beschreibung eines Kampfes

    „A boat lightly slid into the small harbour, as if it were hovering over water. […] On the pier no one noticed the people who had just arrived“
    lt. Google Translater: A barge floated quietly, as if it were being carried over the water, into the small harbor. […] On the quay, no one paid any attention to the arrivals
    FRANZ KAFKA: The Hunter Gracchus

Zwischen 1916 und 1917 entstanden die Fragmente zum Thema ‚Der Jäger Gracchus‘, zu denen sich Franz Kafka durch seine Aufenthalte in Riva inspirieren ließ.

Diese Erzählung ist einzigartig unter allen Werken Kafkas, denn zum ersten Mal wird eine Stadt mit Namen erwähnt: Riva, das sein Schicksal als Landeplatz in seinem Namen trägt. Die Geschichte spiegelt die Erinnerung an Stätten und Denkmäler der kleinen Stadt wider: den alten Hafen, Piazza Benacense und ihre Arkaden, die „schmalen, stark abfallenden Gäßchen“, den Stadtturm Torre Apponale, Palazzo Pretorio, den Brunnen daneben – und nicht zuletzt das Standbild des Hl. Johannes Nepomuk, Schutzpatron von Prag und zugleich von Riva. Franz hatte das Gefühl, die Luft von zu Hause zu atmen und hier vielleicht ein neues Leben beginnen zu können.

Informationsschild in Riva

Ein Bezug des Namens Gracchus zu den Persönlichkeiten der römischen Geschichte, den Konsuln und Volkstribunen, ist nicht ohne weiteres erkennbar. Die Bedeutung des lateinischen Namens („der Gnadenreiche“) wird hier auf jemanden angewendet, dem ausdrücklich die Gnade des ersehnten Todes versagt ist. Kafka wird eher auf gracchio, das italienische Wort für Dohle (im Tschechischen: Kavka = Dohle), angespielt haben, um so eine Identifizierung seiner eigenen Person mit der Gestalt des Jägers literarisch ins Spiel zu bringen.

Hier der Text der Erzählung ‚Der Jäger Gracchus‘

Kafka 2024: Kafka in Riva am Gardasee (3) – 1913

Franz Kafka (Prag, 1883 – Kierling, 1924) liebte Riva auf den ersten Blick. Er war im September 1909 zum ersten Mal in Urlaub am Gardasee.

Im September 1913 kam er an den Gardasee wieder, getrieben von dem „Wunsch nach besinnungsloser Einsamkeit“. Diesmal wohnte er in dem vom berühmten Wiener Naturarzt Dr. Christoph von Hartungen in Riva gegründeten Reform-Sanatorium, das von einer kulturellen Elite aus ganz Mitteleuropa besucht wurde. Dort lernte Kafka eine junge Schweizerin kennen und verliebte sich in sie. Zwischen 1916 und 1917 entstanden die Fragmente zum Thema ‚Der Jäger Gracchus‘, zu denen er sich durch seine Aufenthalte in Riva inspirieren ließ.

Quelle: u.a. Informationsschild in Riva

Riva am Gardasee (Hafen)
Riva am Gardasee (Hafen)

Riva am Gardasee (Hafen)
Riva am Gardasee (Hafen)

21. SEPTEMBER [1913]

Desenzano am Gardasee ...
Desenzano am Gardasee (Die Mehrheit der Einwohner hat sich am 21. September 1913 zum Empfang des Vicesekretärs der Anstalt, Dr. Kafka, versammelt. Der aber liegt am Seeufer im Gras, „leer und sinnlos, selbst im Gefühl meines Unglücks. Ginge es doch jetzt statt ins Sanatorium auf eine Insel, wo niemand ist“)

-> DESENZANO
Tagebuch_ (2 Notizbuchblätter) „Mein einziges Glücksgefühl besteht darin, dass niemand weiss, wo ich bin.“ „Das Geniessen menschlicher Beziehungen ist mir gegeben, ihr Erleben nicht.“
-> GARDONE

22. SEPTEMBER
-> RIVA
Ankunft im ‚Sanatorium und Wasserheilanstalt Dr. von Hartungen‘. K. bezieht eine Lufthütte.
Ludwig Ullmann, Rezension von ‚Der Heizer‘, in: ‚Wiener Allgemeine Zeitung‘.

'Sanatorium und Wasserheilanstalt Dr. von Hartungen' in Riva am Gardasee: das Haupthaus
‚Sanatorium und Wasserheilanstalt Dr. von Hartungen‘ in Riva am Gardasee: das Haupthaus

… der Speisesaal
… der Speisesaal

… und die Strandliegehalle
… und die Strandliegehalle

nach 22. SEPTEMBER
[an Alfred Löwy]: (Karte) Glaubt, er sei seinem Onkel eine Erklärung schuldig.

24. SEPTEMBER
an Oskar Baum: (Ansichtskarte)
an Ottla Kafka: (2 Ansichtskarten) Bittet sie, den kostenlosen Katalog ‚Das Buch des Jahres 1913‘ zu besorgen.

vor 27. SEPTEMBER
[Max Brod an K.]: (2 Karten)

28. SEPTEMBER
an Max Brod: Bezeichnet die Beziehung zu Felice [Bauer] als „seit 14 Tagen vollständig beendet“. Muss dennoch zwanghaft daran denken. Bedürfnis nach Einsamkeit. „… die Vorstellung einer Hochzeitsreise macht mir Entsetzen“.
an Ottla Kafka: (Ansichtskarte) Über Malcesine.
Schiffsausflug nach Malcesine. K. sucht die Stelle auf, wo Goethe beim Zeichnen einer Schlossruine der Spionage verdächtigt wurde.

ANFANG OKTOBER
an Felix Weltsch: „Manchmal glaube ich, dass ich nicht mehr auf der Welt bi, sondern irgendwo in der Vorhölle herumtreibe.“ Über Schuldbewusstsein und Reue. Hat über Brod einen Brief an Felice Bauer erhalten, den er jedoch nicht beantworten will. Eine junge Russin hat einigen Sanatoriumsgästen die Karten gelegt, wobei K. Einsamkeit prophezeit wurde.
K. übersiedelt ins Hauptgebäude des Sanatoriums. Beginn der Freundschaft mit der jungen Schweizerin „G.W.“.

2. OBTOBER
an Ottla Kafka: (Ansichtskarte) Verspricht für den folgenden Tag einen Brief an die Eltern, die ihm schon mehrfach schrieben.

3. OKTOBER
K.s Tischnachbar, der 66-jährige Generalmajor Ludwig von Koch, begeht in seinem Zimmer im Sanatorium Selbstmord.

VOR 10. OKTOBER
K. trifft den in Nago bei Riva lebenden Carl Dallego.

10. OKTOBER
Carl Dallogo an Ludwig von Ficker: Über K.: „Ein wirklich sehr netter Mensch, der Wertvolles schafft.“

11.-12. OKTOBER
-> MÜNCHEN -> PRAG
K. hält sich einen Tag in München auf.

15. OKTOBER
Tagebuch: Über Riva: „Ich verstand zum ersten Mal ein christliches Mädchen und lebte fast ganz in seinem Wirkungskreis.“ […]

aus: Reiner Stach: Kafka von Tag zu Tag – Dokumentation aller Briefe, Tagebücher und Ereignisse – S. Fischer, Frankfurt am Main 2017

Kafka 2024: Kafka in Riva am Gardasee (2) – Die Aeroplane in Brescia

aus Kafkas Werken: Die Aeroplane in Brescia – Erzählungen – Beschreibung eines Kampfes
aus Kafkas Werken: Die Aeroplane in Brescia – Erzählungen – Beschreibung eines Kampfes

Vom 5. – 13. September 1909 fand bei Brescia ein „Flugmeeting“ statt (das erste internationale in Italien), das Kafka und die beiden Brüder Brod von Riva aus besuchten. Kafkas Bericht „Die Aeroplane in Brescia“, der in der Prager Zeitung „Bohemia“ erschien, ist der erste über diese ‚Apparate‘ in der deutschen Literatur.

Im Oval: Louis Blériot ...
Im Oval: Louis Blériot, der kurz zuvor den Ärmelkanal überquert hatte, fliegt an den Tribünen vorbei. Im unteren Teil vorne rechts ein Curtiss-Flyer, mit dem Curtiss den ‚Großen Preis von Brescia‘ gewann: 50 Kilometer in 49 Minuten und 24 Sekunden.

Rougier bei seinem Höhenweltrekord: 198 m
Rougier bei seinem Höhenweltrekord: 198 m. Im Vordergrund der Signalmast und die Zielrichtertribüne

Rougier mit seinem Flugzeug
Rougier mit seinem Flugzeug

Situationsplan des Flugfeldes
Situationsplan des Flugfeldes

Die ersten Zeilen von Kafkas Artikel ‚Die Aeroplane in Brescia‘ in Prager Zeitung ‚Bohemia‘
Die ersten Zeilen von Kafkas Artikel ‚Die Aeroplane in Brescia‘ in Prager Zeitung ‚Bohemia‘

Quelle der Bilder: Klaus Wagenbach: Franz Kafka – Bilder aus seinem Leben – Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1983

Hier der Text des Artikels als PDF-Datei

Kafka 2024: Kafka in Riva am Gardasee (1) – 1909

Im Juli d.J. machte ein Sohn von mir mit seiner Freundin Urlaub in dem Örtchen Limone sul Garda am Gardasee (Lago di Garda) in Oberitalien Urlaub. Berühmt ist die Beschreibung der Zitronenhäuser von Limone durch J. Wolfgang Goethe in seiner „Italienischen Reise“ [Amazon], als er mit dem Schiff von Torbole nach Malcesine reiste; das Dorf, seine Gärten und Zitronen gingen plötzlich in die Weltliteratur ein. Natürlich fuhren die beiden auch nach Riva del Garda, das durch Franz Kafka in den Jahren 1909 und 1913 besucht wurde und somit auch ‚Geschichte‘ schrieb. So gibt es dort eine kleine Straße, die in die Nähe des Strandes gelegen ist mit dem Namen: Via Franz Kafka

Via Franz Kafka in der Nähe des Strandes von Riva del Garda (© Jan Albin)
Via Franz Kafka in der Nähe des Strandes von Riva del Garda (© Jan Albin)

Via Franz Kafka in der Nähe des Strandes von Riva del Garda (Quelle: Google Maps)
Via Franz Kafka in der Nähe des Strandes von Riva del Garda (Quelle: Google Maps)

Ich habe inzwischen nachgeforscht und in meinen Kafka-Büchern einiges an Material zu Kafkas zwei Urlaubsreisen nach Riva gefunden. Hier die Quellen:

Josef Čermák: Franz Kafka – Leben und Werk – Band: Dokumente – parthas berlin 2009

Klaus Wagenbach: Franz Kafka – Bilder aus seinem Leben – Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1983

Reiner Stach: Kafka von Tag zu Tag – Dokumentation aller Briefe, Tagebücher und Ereignisse – S. Fischer, Frankfurt am Main 2017

Zunächst einiges zur 1. Reise Kafkas 1909 mit den Brüdern Max und Otto Brod nach Riva (heute: Riva del Garda). Max Brod war der Freund, dem wir es zu verdanken haben, dass die Manuskripte Kafkas entgegen seinem Wunsch nicht verbrannt, sondern veröffentlicht wurden. Der heutige Artikel ist der Auftakt zu einer sechsteiligen Reihe – zum 100. Todestag von Franz Kafka in diesem Jahr.

aus Kafkas Werken: Die Aeroplane in Brescia – Erzählungen – Beschreibung eines Kampfes
aus Kafkas Werken: Die Aeroplane in Brescia – Erzählungen – Beschreibung eines Kampfes

Franz Kafka (Prag, 1883 – Kierling, 1924) liebte Riva auf den ersten Blick. Er war im September 1909 zum ersten Mal in Urlaub am Gardasee.

Den Urlaub, den der neue Arbeitgeber gewährte, verbrachte Kafka oft mit Freunden. Das erste Mal brach er im September 1909 mit den Brüdern Max und Otto Brod in den Süden auf, ins oberitalienische Riva am Gardasee. Sie verlebten an dessen Ufern und in der Umgebung sorglose Tage. Eine große Sensation war, besonders für Kafka, eine internationale Flugschau auf dem Flughafen Montechiari in der Nähe von Brescia. Erstmals im Leben sahen die Freunde dort vom Nahem die Vorbereitungen der Flieger in den Hangars und tatsächlich auch das Abheben der „Aeroplane“ und die Künste der Piloten in ihren fliegenden Wundermaschinen. Eine exklusive Gesellschaft, darunter der Opernkomponist Giacomo Puccini und der Flugfanatiker und Schriftsteller Gabrielle d’Annunzio, verliehen diesem großartigen Spektakel besonderen Glanz. Kafka schrieb unmittelbar danach unter dem Titel ‚Die Aeroplane in Brescia‘ eine der ersten Reportagen zu diesem Thema in Böhmen und veröffentlichte sie im Feuilleton der Prager ‚Bohemia‘, wo er bereits zuvor und auch später noch kleinere Beiträge publizierte.

aus Josef Čermák: Franz Kafka – Leben und Werk – Band: Dokumente – parthas berlin 2009

4. SEPTEMBER [1909]
-> RIVA
Gemeinsam mit Max Brod, Abfahrt 13 Uhr. Brod überreicht K. auf dem Bahnhof ein Notizbuch mit der Bemerkung: „wir werden parallele Reisetagebücher führen“. Otto Brod folgt mit einem späteren Zug.

Kafka (rechts) mit Otto Brod
Kafka (rechts) mit Otto Brod (nach einem von Max Brod in seiner Biografie veröffentlichten Foto)

5. SEPTEMBER
10 Uhr Ankunft in Riva.

Riva am Gardasee
Riva am Gardasee

Riva am Gardasee
Riva am Gardasee

6. – 9. SEPTEMBER
Vormittägliches Bad in den >Bagni alla Madonnina< unterhalb der Ponalestraße. Kleinere Ausflüge in die Umgebung, u.a. Arco und Torbole. 7. SEPTEMBER an Elli Kafka [Kafkas älteste von drei Schwestern]: (Ansichtskarte) an Ottla Kafka [Kafkas jüngste Schwester/seine Lieblingsschwester]: (Ansichtskarte) Sie arbeitet im elterlichen Geschäft. Ansichtskarte an Ottla von der Reise mit Max Brod aus Riva (07.09.1909) Lago di Garda – Riva vom Hotel Lido aus: Ansichtskarte an Ottla von der Reise mit Max Brod aus Riva (07.09.1909)

Ansichtskarte an Ottla aus Riva … (07.09.1909)

9. SEPTEMBER
Aus der Zeitung ‚La Sentinella Bresciana‘ erfahren die Freunde von dem Flugmeeting im nahe gelegenen Brescia. K. drängt darauf, hinzufahren.

10. SEPTEMBER
-> BRESCIA
Ankunft spätestens 15 Uhr. Fahrt zum Komiteepalast in der Via Umberto I. Sehr schmutziges Hotelzimmer. Am späten Abend Streit mit dem Kutscher.

Uhrturm in Brescia (Stereoskopische Aufnahme)
Uhrturm in Brescia (Stereoskopische Aufnahme)

11. SEPTEMBER
Fahrt zum Flugfeld von Montichiari. Die Freunde beobachten die Piloten, darunter Louis Blériot und Glenn Curtiss, vor ihren Hangars; außerdem prominente Besucher, darunter Gabrielle d’Annunzio. Mahlzeit in einem riesigen Restaurant. Am Nachmittag verfolgen sie, auf Stühlen stehend, einige Flüge. K. und Max Brod vereinbaren, unabhängig voneinander Reportagen über das Flugmeeting zu verfassen.

Fotografie von der Flugschau in Brescia
Fotografie von der Flugschau in Brescia

-> DESENZANO
Übernachtung in einer Herberge am Hafen. Wegen zahlloser Wanzen verbringen die Freunde einen Teil der Nacht auf Bänken am Ufer.
AUVA [Arbeiterunfallversicherungsanstalt] an K.: Mitteilung der Beförderung zum Praktikanten zum 1. Okt. Mit einem jährlichen Gehalt von 1430 K.

12. SEPTEMBER
-> RIVA
Abfahrt mit dem Dampfer um 6 Uhr, Ankunft 11. 25 Uhr.

Dampfer der Linie Desenzano - Riva
Dampfer der Linie Desenzano – Riva

14. SEPTEMBER
-> PRAG
Abfahrt 6.12 Uhr

15. SEPTEMBER
7 Uhr Ankunft in Prag

aus: Reiner Stach: Kafka von Tag zu Tag – Dokumentation aller Briefe, Tagebücher und Ereignisse – S. Fischer, Frankfurt am Main 2017