Seit über 28 Jahren arbeite ich nun beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) Suchdienst in der IT. Der jüngere meiner beiden Söhne arbeitet nach seiner Ausbildung als Erzieher in einer Kita des DRK in der Nähe unseres Wohnortes. Meine Frau ist seit vielen Jahren Mitglied des DRK-Ortsvereins in Tostedt. Und der ältere meiner Söhne ist regelmäßiger Blutspender – beim DRK. Das heißt nun nicht, dass sich meine Familie mit dem Roten Kreuz besonders verbunden fühlt. Es ergab sich einfach so …
Nun erhebt das Magazin Stern in seiner Ausgabe 45/2017 vom 02.11.2017 schwere Vorwürfe: „Das Deutsche Rote Kreuz ist ein erfolgreiches, aber wenig transparentes Multimilliarden-Imperium mit größter politischer Macht und überquellenden Konten, das seine Manager fürstlich entlohnt, seine Interessen mit größter Härte durchsetzt und sich die Gesetze selbst macht.“
Berlin – Titelgeschichte in der neuen Ausgabe des „Stern“: „Das scheinheilige Imperium. Wie das Deutsche Rote Kreuz mit Blutspenden Millionengewinne macht.“ Die Vorwürfe: Marktbeherrschung, fehlende Transparenz, hohe Managergehälter.
Der Stern wirft dem Unternehmen vor, ein „undurchsichtiger Konzern der Wohltätigkeit“ zu sein. Der Handel mit Spenderblut sei eine der lukrativsten Abteilungen. Blut ist ein begehrter Rohstoff, ein Beutel Spenderblut kann für bis zu 110 Euro vermarktet werden. Ein Stern-Reporter hat den Test gemacht und Blut gespendet. Er erlebte „das Bild eines harmlosen Vereins ohne Reichtümer, ohne Interessen, lebensfähig durch mildtätige Spenden“. Und stellt fest, dass das eine „perfekte Tarnung“ sei.
Seine Erkenntnis: „Meine Spende wird vom DRK in ihre Bestandteile aufgespalten und getrennt vermarktet. Nur einen Teil benötigen die Krankenhäuser bei Operationen oder Notfällen. So wird das Plasma überwiegend an internationale Firmen verkauft, die es in Fabriken im Ausland weiterverarbeiten. Über eine halbe Milliarde Euro setzt die Branche in Deutschland pro Jahr um. Rund 70 Prozent des Markts beherrscht das DRK.“
Das DRK in Zahlen: 500 Kreisverbände, 19 Landesverbände. 165.000 Mitarbeiter, 410.000 freiwillige Helfer. Der Jahresumsatz der DRK-Blutspendedienste liegt bei 467 Millionen Euro jährlich. 1,7 Millionen Menschen spenden regelmäßig Blut. Alle Blutspendedienste des DRK zusammen verfügen laut Stern-Recherche über ein Vermögen von fast 600 Millionen Euro. Die Gewinne tendieren gegen Mini-Summen, so nimmt zum Beispiel der größte DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg-Hessen im Jahr 115 bis 120 Millionen Euro ein. Gewinn 2011: 297,94 Euro.
„Ich vermute, dass die Gemeinnützigkeit des Blutspendedienstes von den Finanzämtern noch nie grundsätzlich geprüft wurde“, sagt Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Im Blutspendedienst sieht er ein „Paradebeispiel für den Missbrauch von Steuerschlupflöchern“. Er sagt: „Mit Gemeinnützigkeit hat das nichts mehr zu tun.“ Der Vorwurf des Stern: „Das Gesetz behandelt die Firma DRK nicht wie ein Wirtschaftsunternehmen, sondern wie einen Taubenzüchter- oder Karnevalsverein. Durch die Einstufung als gemeinnütziger Verein genießt der Gigant einzigartige Steuervorteile.“
Das Magazin schreibt: „Einsprüche von Fachleuten, öffentliche Kritik und selbst höchstrichterliche Entscheidungen können dem DRK nichts anhaben. Die Verflechtungen mit der Politik machen es unangreifbar.“ Und: „Das Deutsche Rote Kreuz ist ein erfolgreiches, aber wenig transparentes Multimilliarden-Imperium mit größter politischer Macht und überquellenden Konten, das seine Manager fürstlich entlohnt, seine Interessen mit größter Härte durchsetzt und sich die Gesetze selbst macht.“
Präsident Rudolf Seiters, seit 2003 im Amt, habe gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Kabinettstisch gesessen. „Für ihn sind alle Ohren offen.“ Im Dezember soll das DRK eine neue Präsidentin bekommen: Gerda Hasselfeldt. Sie saß 30 Jahre für die CSU im Bundestag.
DRK-Generalsekretär Christian Reuter bedauert in seiner Stellungnahme, dass durch den Artikel „die wichtige Arbeit von ehrenamtlichen Helfern und hauptamtlichen Mitarbeitern des Deutschen Roten Kreuzes und ihr Wirken für Menschen in Not erschwert und verunglimpft wird“. Der Bericht sei nicht nur stark tendenziös und einseitig, sondern enthalte auch Unwahrheiten. So treffe es zum Beispiel nicht zu, dass die DRK-Schwestern schlecht bezahlt würden und nur eine „Aufwandsentschädigung für karitativen Einsatz“ erhielten. „Die Vergütungen entsprechen der branchen- beziehungsweise marktüblichen Bezahlung vergleichbarer Arbeitnehmer.“ Gehälter für Geschäftsführer seien in der genannten Größenordnung ebenfalls keinesfalls üblich.
Der Autor unterschlage außerdem, dass die DRK-Blutspendedienste an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr flächendeckend die Blutversorgung in ganz Deutschland zu 70 Prozent sicherstellten. „Damit wird gewährleistet, dass jeder Mensch in Deutschland Zugang zu einer sicheren und umfassenden Blutversorgung erhält. Bei den Blutspendediensten etwa muss das DRK in der Lage sein, Erlöse in Personal, Technik, Ausstattung und in die Forschung zu investieren, um unsere Aufgaben in der Blutspende zum Nutzen der Allgemeinheit erfüllen zu können und eine maximale Sicherheit für die Menschen sicherzustellen.“
Das Deutsche Rote Kreuz und die Blutspendedienste erbrächten seit Jahren mit der Veröffentlichung von Jahresberichten, Geschäftsberichten und anderen Publikationen größtmögliche Transparenz, so Reuter. Die Kontrolle der Finanzen werde durch externe Wirtschaftsprüfer, Finanzämter und interne Verbandsgremien sichergestellt. „Das Deutsche Rote Kreuz hofft, dass sich weder die ehrenamtlichen Helfer, hauptamtlichen Mitarbeiter noch die freiwilligen Blutspender durch einen solchen einseitigen Bericht von ihrem Engagement abhalten lassen und weiterhin daran mitwirken, Menschen in Not zu helfen.” (Quelle: apotheke-adhoc.de).
Soviel ich weiß, ist das nicht der erste Bericht, der sich kritisch mit den Blutspendediensten des DRK auseinandersetzt. In gewisser Regelmäßigkeit glauben Redakteure, das Thema erneut aufwärmen zu müssen. Wenn es denn dabei um große Geldsummen in Verbindung mit einer gemeinnützigen Organisation geht, darf sich keiner wundern.
Ich kann hier nur kurz meine Sicht zu schildern versuchen, die nach verschiedenen Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen zusätzlich etwas aufgefrischt ist. Zunächst kann ich mich über mein Gehalt, das ich als hauptberuflicher Arbeitnehmer beim DRK bekomme, nicht beschweren. Zwar hat das DRK einen eigenen Tarifvertrag, der nicht mehr an den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes gekoppelt ist. Aber mein Gehalt entspricht in der Höhe in etwa dem eines Angestellten bei einer Bundesbehörde in der gleichen Vergütungsgruppe und Gehaltsstufe. Gleiches gilt auch für meinen Sohn.
Natürlich kommt jeder ins Grübeln, der liest, dass bei 115 bis 120 Millionen Euro Umsatz gerade einmal ein Gewinn von 297,94 Euro übrigbleibt. Nur als Beispiel: Die Deutsche Bank hatte z.B. 2016 bei einem Umsatz von 48 Milliarden € einen Verlust von gut 6 Mrd. € ‚erwirtschaftet‘.
Selbst wenn ein Beutel Blut für 110 € vermarket werden kann, so ist zu berücksichtigen, dass der hohe spezifische Aufwand für Sammlung, Prüfung, Aufbereitung, Lagerung und Verteilung viel Geld kostet. Zudem ist die geringe Haltbarkeit der Vollkonserve ein Kostenfaktor. Nach Ablauf der zulässigen Lagerzeit werden die Vollkonserven fraktioniert, die Fraktionen sind länger lagerfähig. Wichtig zu wissen: Das Blut wird erst nach der Entnahme untersucht. Der Aufwand hierfür ist wirklich nicht unerheblich. Und nicht jedes Blut kann z.B. für Bluttransfusionen genutzt werden. Zudem schreibt Herr Reuter in seiner Stellungnahme: Der Autor unterschlägt außerdem, dass die DRK-Blutspendedienste an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr flächendeckend die Blutversorgung in ganz Deutschland zu 70 Prozent sicherstellen. Damit wird gewährleistet, dass jeder Mensch in Deutschland Zugang zu einer sicheren und umfassenden Blutversorgung erhält. Bei den Blutspendediensten etwa muss das DRK in der Lage sein, Erlöse in Personal, Technik, Ausstattung und in die Forschung zu investieren, um unsere Aufgaben in der Blutspende zum Nutzen der Allgemeinheit erfüllen zu können und eine maximale Sicherheit für die Menschen (z.B. Schutz vor HIV, Hepatitis oder anderen Infektionskrankheiten) sicherzustellen.
Das Rote Kreuz führt in Deutschland täglich mit mobilen Einsatzteams etwa 130 Spendetermine durch (also ca. 15.000 Vollblutspenden), sowohl in Städten als auch in ländlichen Regionen. Darüber hinaus werden auch Blutspenden in Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen usw. durchgeführt.
Ich will hier keine Lanze für das DRK brechen, aber natürlich auch nicht an dem Ast sägen, auf dem ich sitze. Gern hätte ich mir vom Generalsekretär, Herrn Reuter, eine umfassendere Stellungnahme gewünscht, z.B.zum Vorwurf, dass das Plasma überwiegend an internationale Firmen verkauft wird. Oder was die Verflechtungen mit der Politik betreffen. Herr Seiters, zz. noch Präsident des DRK, war früher Bundesinnenminister und damit gewissermaßen der Gegenpol zum Suchdienst des DRK. Und seine Nachfolgerin soll im Dezember Frau Hasselfeldt werden, die u.a. bis September 2017 Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag war.
Fatal wäre es, wenn nach diesem Stern-Bericht die Blutspenden zurückgehen würden. Das hat auch der Autor erkannt. Sicherlich sind die DRK-Blutspendedienste ein riesiger Apparat. Aber wer, wenn nicht das DRK, stellt sonst sicher, dass der Zugang zu einer sicheren und umfassenden Blutversorgung gewährleistet bleibt. Die Rot-Kreuz-Bewegung ist weltweit tätig und trägt in ihrer Neutralität und Unabhängigkeit dazu bei, dass umfassend Hilfe für Menschen in Konfliktsituationen, bei Katastrophen und gesundheitlichen oder sozialen Notlagen geleistet wird, allein nach dem Maß der Not.