Wer ins Alter kommt, der beginnt Denkmäler zu bauen – meist für sich selbst. Ry Cooder, der Musiker und Musikethnologe, ist nun auch schon 60 Jahre alt. Aber die Denkmäler, die er baut, sind die für andere. Was die Gebrüder Grimm für die deutsche Märchenwelt waren, das ist Ry Cooder für die amerikanische Musiktradition. Er zeichnet auf, und da er so nebenbei noch ein außergewöhnlicher Musiker ist, entstehen Musikalben, die es in sich haben.
Zurück in seiner Heimatstadt Los Angeles erzählte Cooder in seinem 2005 erschienenen Album „Chávez Ravine“ die Geschichte des gleichnamigen mexikanischen Viertels, das in den 50er Jahren in der L.A. Hillside blühte – und Stadtplanern und ihren Bulldozern weichen musste. Heute steht dort das Stadion der „Dodgers“. Es ist ein Konzeptalbum über klassische L.A./Hispanic/Pachuco-Legenden um Not, Korruption, Politik, die ‚Rote Gefahr‘, groß und klein, Nachbarschaft gegen große Companys – alles auf einmal.
Pünktlich zu Weihnachten jetzt sein neuestes Album: My Name Is Buddy mit dem Untertitel „Another Record by Ry Cooder“. Es ist wieder ein Konzeptalbum geworden und eine Fabel besonderen Ausmaßes: Buddy, die Katze, und Lefty, die Maus (oder Ratte, wie man es nimmt) werden Freunde – und anhand dieser beiden werden die Geschichten der Arbeiter und der Armen Amerikas erzählt, die ansonsten langsam dem Vergessen anheim fallen würden. Nur soviel: Es ist eine komisch-ernste und traurig-fröhliche Geschichte. Schon allein die Texte sind ein Geniestreich von Ry Cooder. Alles weitere wird in zahlreichen Rezensionen näher erläutert: [1] [2] [3] [4]
Komme und bleibe ich bei der Musik: Ry Cooder ist nach diversen Ausflügen in die Weltmusik in seine Heimat zurückgekehrt: das Amerika des Folks und des Bluegrass, des Blues und des Rocks. Aber Cooder wäre nicht Cooder, würde er das neue Album nicht auch mit musikalischen Exkursionen wie TexMex, Pop-Soul-Gospel oder Jazz schmücken. Alles in allem sind es scheinbar „alte“ Songs aus einem Repertoire, das Cooder Zeit seines Lebens faszinierte. Aus der Feder Ry Cooders werden die Lieder allerdings zu einer „Modern Folk Music“ von seiner besten Seite.
Der Blues-Heroe Pops Staples meinte einmal über Ry Cooder: “Immer, wenn ich ihn höre, bekomme ich eine Gänsehaut. Er gräbt einen alten Song aus, den meine Eltern mir einst beibrachten, und ich habe das Gefühl, die Zeit dreht sich zurück.”
Und anderswo las ich über Cooder: „Seine Saitenarbeit weist alle anderen Gitarristen in die Schranken und ist dabei so unauffällig, dass es schon unverschämt ist.“ Dem kann ich mich nur anschließen. Für mich ist Ry Cooder einer der größten Gitarristen dieser Welt. Seine Musik ein Bestandteil meines Lebens. Und schön ist es zu wissen, dass es mit ihm auch noch den ‚anderen‘ US-Amerikaner gibt.
Da Weihnachten vor der Türe steht, hier das Lied „Christmas in Southgate“, in dem es aber u.a. heißt: „I’d even give up drinking whiskey and gin – If Jesus and Santa ever get back down to Southgate again“, ein Lied in einem 3/4-Takt, selbst für Cooder eher ungewöhnlich:
Ry Cooder: Christmas in Southgate
Lyrics mit Akkord-Angaben (zum geneigten Mitklampfen): My Name is Buddy
siehe auch meinen Beitrag: Ry Cooder: Stand by Me