Gabriel García Márquez: Augen eines blauen Hundes

Die frühen Erzählungen von Gabriel García Márquez, zwischen 1947 und 1955 verfasst, jugendlich-schwermütige Texte, sind in einer phantastischen Wirklichkeit angesiedelt und führen thematisch zum Macondo-Mythos hin. Schlaflosigkeit, irrationale Ängste und Alpträume peinigen die Personen der Geschichten. Einsamkeit und Tod sind allgegenwärtig. Da wächst ein Kind 18 Jahre lang in seinem Sarg und führt das Dasein eines Toten, ein Junge legt Rosen auf sein eigenes Grab, eine Frau überlegt, in wessen Leib sie weiterleben könnte.

Die literarischen Anfänge von García Márquez sind beherrscht von fernliegenden Einflüssen, von intellektuellen Kunstgriffen, von schwieriger Selbstbetrachtung. Lesefrüchte (Faulkner, Virginia Woolf, Kafka) verdrängen Bezüge der Familien- und Landesgeschichte, fremde Kulturwerte ersetzen den Genius loci, die Erforschung persönlicher Erfahrungen. Offenbar glaubte der beginnende Schriftsteller, nur das Ausgefallene, die erstaunliche Erfindung sei originell, keinesfalls das erlebte, gesehene, gehörte Ereignis. Seine Personen sind Fremdlinge in der eigenen Umwelt. Die Titel seiner Stücke klingen rätselhaft, gesucht – vielleicht um zu verblüffen, zu befremden. Die Themen sind Tod, Tod im Leben, Leben im Tod, Traum im Leben, Leben im Traum, Traum im Traum. Sie spielen außerhalb von Raum und Zeit, eine konkrete Umwelt lässt sich schwerlich erkennen. Der Autor scheint Zeitlosigkeit anzustreben; und die erinnert an ein keimfreies Wortlaboratorium; an die dünne Luft des L’art pour l’art.

(Aus dem Nachwort von Carl Meyer-Clason, dem Übersetzer)

Gabriel Garcia Marquez

Wie gut, dass García Márquez zu den wunderbaren Geschichten der berühmten Großmutter, auf die der Autor sich später als Arsenal seiner Protagonisten berufen wird, gefunden hat. So wurden Meisterwerke wie „Hundert Jahre Einsamkeit“ erst möglich.

Er lag in seinem Sarg, bereit, beerdigt zu werden, und wusste trotzdem, dass er nicht tot war. Hätte ersich aufrichten wollen, er hätte es mit aller Leichtigkeit zu tun vermocht. Zumindest „geistig“. Doch es lohnte nicht der Mühe. Es war besser, sich hier sterben zu lassen; am „Tode“ zu sterben, der seine Krankheit war.

aus: Die dritte Entsagung (La tercera resignación – 1947)

Sein Körper, im Wasser der Träume untergetaucht, konnte sich regen, konnte leben, sich in andere Existenzformen entwickeln, in denen seine wirkliche Welt für seine innere Notwendigkeit eine gleichwertige, wenn nicht höhere Emotionsdichte besitzen würde, mit denen die Notwendigkeit zu leben ohne Schaden für seine körperliche Unversehrtheit vollauf zufriedengestellt sein würde. Dann würde die Aufgabe, mit den Wesen, den Dingen zusammenzuleben, viel leichter sein, nebenbei noch in der gleichen Form wie in der wirklichen Welt.

aus: Zwiesprache mit dem Spiegel (Diálogo del espejo – 1949)

siehe auch meine Beiträge
Die Memoiren von Gabriel García Márquez
Die Memoiren von Gabriel García Márquez – Teil 2
Alterssex in der Literatur

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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