Lange ist es ja nicht mehr hin. Aber je näher das Ziel kommt, umso anstrengender wird es. Marathonläufer kennen das bestimmt: Zehn Kilometer sind hinter sich gebracht worden, dann zwanzig, gar dreißig. Aber längst schmerzen die Muskeln, und statt sich mit jedem Meter dem Ziel zu nähern, scheint es sich von einem zu entfernen.
Ich sehe mich schon torkelnd und taumelnd der Ziellinie nähern. Noch einmal tief Luft holen. Vielleicht auch noch ein kräftiger Schluck aus der Buddel! Das Ziel heißt: Rente!
Es sind gerade noch 70 Tage, die ich – ziehe ich Urlaub, Wochenend- und Feiertage ab – noch zu arbeiten habe. Wäre im März 2007 von einer schwarz-roten Bundesregierung nicht die Rente mit 67 Jahren beschlossen worden, dann wäre ich längst im Ziel. So aber darf ich dank einer Übergangslösung zu meinen 65 Lenzen noch acht weitere Monate den Bleistift schwingen resp. die Computermaus schütteln.
Natürlich gibt es viele Faktoren, die mir diese letzten Tage wie eine nicht enden wollende Durststrecke vorkommen lassen, z.B. schönstes Sonnenwetter, das mich lieber im Garten verweilen sähe als in einem muffigen Büroraum. Die vertane Zeit für Fahrten zwischen Heim und Arbeit. Vom Generve auf der Arbeit ganz zu schweigen (genug ist genug!).
Ich sehe mich wie der Wanderer in der Wüste, der nahe der Quelle in der rettenden Oase doch noch zusammenbricht, um zu verdursten. Wie der angeschlagene Boxer, den nur der nächste Gongschlag vor dem K.O. retten kann, für den aber jede Sekunde wie eine Unendlichkeit vorkommt. Es ist Strafarbeit wie Steineklopfen, die längst nicht mehr freiwillig getan wird. Selbst Jesus flehte am Ende seiner Qualen darum, den Kelch an sich vorbeiziehen zu lassen.
Ich übertreibe? Erst wenn ich im Ziel bin, werde ich von meinem Leiden erlöst sein. Hier ist der Weg längst nicht mehr das Ziel. Das Ziel ist der Weg, der dann erst kommt! Der Weg fern vom alltäglichen Trott, weg von Problemen, die nicht die meinen sind. Sich nicht mehr mit Dingen beschäftigen müssen, die mich eigentlich nicht betreffen.
Aber bis dahin sind es noch 70 lange Tage (eher weniger!), 70 viel zu lange Tage …
Moin Willi, da hast Du wohl die 45 Pflichtklebejahre nicht zusammenbekommen. Sonst wärest Du ja schon seit deinem 63. Lebensjahr plus 4 Monate im mehr als wohl verdienten Ruhestand. Aber bald ist es geschafft!! Der erste Tag an dem Du an einem Werktag per pedes oder per Bike durch Wald und Flur schreitest/radelst – ein Freiheits-Traum! Der Tag an dem Du die erste Rente auf deinem Konto hast – ein Finanz-Albtraum!
Hast Du schon einmal ausgerechnet wie viele Tage Du in deinem Leben bereits am Arbeitsplatz verbracht hast – was sind da noch 70 Tage. In 70 Tagen kommst Du einmal um die Welt. Ein Klacks. Schönen Gruß und schalte deinen Kleinhirnschalter auf den Modus „Vorfreude“. Dein KaD Graue
Moin Hajo,
Du hast natürlich recht. Die wenigen Tage sind natürlich nur noch ein Klacks. Aber es ist schon so: Ich habe keinen BOCK mehr. Vielleicht ist es mir erst jetzt richtig klar geworden, wieviel Zeit ich durch die Maloche vergeudet habe. Irgendwie muss man allerdings seine Brötchen verdienen.
Was die Rente betrifft, so ist es mir schon bewusst, dass ich damit keine allzu großen Sprünge mehr machen kann. Aber ich habe bisschen vorgesorgt. Am Hungertuch nagen werde ich wohl nicht müssen.
Spätestens am 30.10. ist es dann soweit: Meine Arbeitskollegen können mich dann ‘mal … (auf dem Weg nach Hause gehen sehen!).
Gruß an die werte Gattin! Dein Dich hochschätzender Willibald