Waren die antiken Griechen farbenblind?

Nach und nach lese ich zz. Colin Wilsons „Das Okkulte“ zum wiederholtem Male. Es gilt als Standardwerk über Okkultismus und gibt dabei eine lesenswerte Übersicht über die Geschichte der Magie. Wie das zugrundeliegende Thema selbst, so bleibt natürlich auch in diesem Buch vieles nebulös. Einiges mag wissenschaftlich falsch oder inzwischen überholt sein. Insgesamt finde ich es aber sehr interessant, weil es Einblicke in die Denkweisen des Okkulten vermittelt, die hier verständlich beschrieben wurden.

Ziemlich am Anfang stieß ich auf eine Textstelle, deren inhaltliche Behauptung (Die alten Griechen waren partiell farbenblind!) ich versucht habe zu verifizieren. Hier zunächst der Text:

Schon 1887 sagte Max Müller (The Schience of Thought, New York 1887, Bd. 1; auch zitiert bei R.M. Bucke, Cosmic Consciousness, New York 1901), der Herausgeber der Heiligen Bücher des Ostens, daß unsere Vorfahren vor zweitausend Jahren praktisch farbenblind gewesen seien – wie die meisten Tiere: „ Xenophanes kannte nur drei Farben des Regenbogens – Purpur, Rot und Gelb; selbst Aristoteles sprach von dem dreifarbigen Regenbogen, und Demokrit kannte nicht mehr als vier Farben – Schwarz, Weiß, Rot und Gelb.“ Homer schien zu glauben, daß das Meer von der gleichen Farbe sei wie der Wein. Und in der indo-europäischen Ursprache gibt es gar keine Farbenwörter. Da begreifen wir gern, warum Alexander von Makedonien, der Schüler des Aristoteles, sein Leben damit verbrachte, die Welt zu erobern. Es muß eine außerordentlich dumpfe Welt gewesen sein, ohne Unterschiede zwischen dem Rot des Weins, dem Blaugrün des Meeres, dem Smaragdgrün des Grases und dem tiefen Blau des Himmels. Biologisch betrachtet, ist dies verständlich. Das Leben war hart und voller Gewalt, und die Fähigkeit, feinste Denk- und Farbunterschiede zu erkennen, wäre für das Überleben wertlos gewesen. Alexander war ein energischer, einfallsreicher Mann; was hätte er anderes tun sollen, als die Welt zu erobern und dann, als nichts mehr zu erobern gab – zu weinen?

Colin Wilson: Das Okkulte, März Verlag, Berlin und Schlechtenwegen, 1. Aufl., Sept. 1982 – S. 34

Bei der Suche nach Bestätigungen dieser Aussage, bin ich über Goethes Farbenlehre gestolpert. Heute sieht man dieses Werk von Goethe eher als metaphysische denn als physikalische Abhandlung, zumal es schon zu seiner Zeit den Erkenntnissen von Issac Newton entgegenstand. Dort steht über die Farbenbenennungen der Griechen und Römer u.a.:

Die Alten lassen alle Farbe aus Weiß und Schwarz, aus Licht und Finsternis entstehen. Sie sagen, alle Farben fallen zwischen Weiß und Schwarz und seien aus diesen gemischt.

[…]

Fangen wir von der untersten Stufe an, wo das Licht so alteriert erscheint, daß es die besondre Empfindung dessen, was wir Farbe nennen, erregt, so treffen wir daselbst zuerst ôchron (blaß), dann xanthon (gelb, gelblich), fer ner pyrrhon (feuerfarbig, rot), dann erythron (rot, rötlich), sodann phoinikoun (purpurrot), zu letzt porphyroun (purpurfarbig) an. Im gemeinen wie im poetischen Sprachgebrauch finden wir herauf- und herabwärts öfter ein Genus für das andre gesetzt. Das porphy roun (purpurfarbig) steigt abwärts in das halourges (mit Meerpurpur gefärbt), kyanoun coeruleum (blau), glaukon caesium (blaugrau), und schließt sich durch die ses an das prasinon porraceum (lauchfarbig), poôdes herbidum (grasgrün), und zuletzt an das chlôron viride (hellgrün) an, das sowohl ein mit Blau vermischtes Gelb, das ist ein Grünes, als das reine Gelb anzeigt und so das Ende des Farbenkreises mit dem Anfange verbindet und zuschließt.

Die Farbe Purpur wird hier auch für die Farbe des Meeres gesetzt. Allerdings tauchen auch Farben wie blau und grün auf. Leider ist nicht genau zu durchschauen, wie eine bestimmte Farbe tatsächlich ‚empfunden’ wurde (lauchfarbig sagt lange nicht aus, ob die Farbe tatsächlich als grün gesehen wurde). Ich kann mir also durchaus vorstellen, dass bestimmte Farben nicht in dem Maße wahrgenommen werden, wie wir es heute tun. Waren die alten Griechen also tatsächlich zum Teil farbenblind?

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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