Wütende Bäuerinnen und Bauern legen mit ihren Protesten das Land lahm. Sie streiten über Agrarsubventionen – dabei geht es um viel mehr: Unsere Landwirtschaft braucht faire Preise, mehr Natur- und Klimaschutz sowie Gelder für bäuerliche Betriebe statt für Agrarfabriken.
Blockade des Hafens im Bremerhaven durch protestierende Bauern
Viele der protestierenden Bäuerinnen und Bauern wissen: Damit es ihnen besser geht, muss sich die Landwirtschaft fundamental ändern. Sie sind bereit, ihre Tiere artgerecht zu halten, unser Trinkwasser zu schonen, die Artenvielfalt zu fördern und das Klima zu schützen. Doch dafür braucht es eine andere Agrarpolitik – die sie beim tierfreundlichen Umbau der Ställe unterstützt, für faire Preise und leichteren Zugang zu Ackerland sorgt. Wir brauchen eine sozial und ökologisch gerechte Agrarwende.
Es kann nicht allein um die Subventionen für Kfz-Steuer und Diesel gehen. Das Problem ist viel komplexer.
Faire Preise: Es braucht eine gesetzliche Regelung für gerechte Erzeugerpreise. Die Verträge zwischen Höfen und Abnehmern von Obst, Gemüse und tierischen Produkten müssen feste Mengen, Laufzeiten und Preise beinhalten. Nur so erhalten Bäuerinnen und Bauern wirtschaftliche Planungssicherheit.
Einführung einer Tierwohlabgabe: Eine Abgabe auf Fleisch könnte den Umbau der Tierhaltung endlich angemessen finanzieren – und den Bundeshaushalt zusätzlich entlasten.
Leichterer Zugang zu landwirtschaftlichen Böden: Kauf- und Pachtpreise für Ackerflächen steigen unaufhaltsam. Die Erhöhung der Grunderwerbsteuer für Großgrundeigner würde diese finanzielle Aufwärtsspirale stoppen und jungen Bäuerinnen und Bauern die Existenzgründung erleichtern.
Umverteilung der EU-Agrargelder: Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU müssen Bäuerinnen und Bauern für ihren Beitrag zum Umwelt-, Biodiversitäts- und Tierschutz angemessen entlohnt werden.
Und andere Themen spielen hinein:
Ich denke da an Glyphosat, ein Totalherbizid, dessen Unbedenklichkeit (u.a. krebserregend) nicht nachgewiesen ist. Ich denke an Patente auf Saatgut, für die die Bauern hohe Beträge zu zahlen haben. Dabei werde man immer abhängiger von wenigen Konzernen, das träfe am Ende auch die Verbraucherinnen und Verbraucher. „Denn die großen Konzerne entscheiden, was gezüchtet wird und mit welchen Methoden.“ Traditionelle Pflanzenzucht werde so unmöglich gemacht. Gentechnik ließe sich zwar patentieren. „Aber darum geht es den großen Konzernen nicht.“ Es gehe darum, diejenigen biologischen Ressourcen zu patentieren, die Züchter bräuchten, um ihre Pflanzen resistent gegen Klimawandel, Schädlinge und Krankheiten zu machen.
Wenn also solche Pflanzen gegen Schädlinge resistent sind, wozu dann noch Glyphosat?
Und wir Verbraucher sind gefragt. Wer sich scheinbar ’solidarisch‘ mit den Bauern zeigt, aber z.B. weiter Billigfleisch aus Massentierhaltung kauft, sollte sich überlegen, ob er auf den richtigen Zug gesprungen ist.
Lange Zeit wurden Bäuerinnen und Bauern von der Union geführten Regierungen begünstigt. So wurde ein notwendiger Strukturwandel unterlassen. Natürlich ist der Wegfall von Subventionen für Bäuerinnen und Bauern ein herber Schlag. So müssen endlich Anreize geboten werden, die zu einer umweltfreundlichen, dem Klima unschädlichen Landwirtschaft führt.
Dass Rechtsextreme Gruppen versuchen, die aktuellen Bauernproteste zu vereinnahmen ist nicht verwunderlich: Am Galgen baumelnde Ampeln (auch bi uns in Tostedt gesichtet), aggressive Hetze gegen Politikerinnen und Politiker, Demoschilder mit völkischen Symbolen. Immer wieder eskaliert die Lage. Trotzdem ruft der Bauernverband weiter zu Demos auf. Dass die Agrarlobby so rabiat für ein „Weiter so” trommelt, könnte den sozial-ökologischen Wandel auf Jahre ausbremsen.