Heiner Geißler war und ist eine streitbare und daher umstrittene Persönlichkeit der Politik. 1977 beschuldigte er viele linke und liberale Kulturschaffende und Politiker der Bundesrepublik Deutschland als „Sympathisanten des Terrors“ (der RAF). Willy Brandt warf Geißler 1985 vor, der „schlimmste Hetzer seit Goebbels zu sein“. Auf der anderen Seite konnte er auch seine eigene Partei, die CDU, als „führerkultische Partei“ (auf die Rolle Helmut Kohls anspielend) bezeichnen.
Von daher überrascht der 78-Jährige (oder überrascht auch wieder nicht), wenn er sich seit Mai 2007 in der globalisierungskritischen Organisation Attac engagiert. Zu 10 Jahre Bestehen von Attac äußerte sich Herr Geißler nun gegenüber zdf.de: „Der reine Kapitalismus ist krank“ – CDU-Politiker Geißler über zehn Jahre Attac
Hier einige Auszüge aus dem Interview. Den Aussagen von Herrn Geißler kann ich nur meinen vollen Respekt zollen:
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Es ist ja nun kein Geheimnis, dass die jährliche Spekulationsblase der Finanzindustrie 90 Billionen Dollar beträgt. Erst diese Immobilienkrise, die das Eigentum von Millionen Menschen zerstörte, hat manchen jetzt die Augen geöffnet.
Das derzeitige Wirtschaftssystem definiert sich im Moment rein kapitalistisch – das ist krank und unsittlich. Wie kann es sein, dass der Börsenwert eines Unternehmens steigt, sobald Angestellte wegrationalisiert werden?
Die Globalisierung an sich ist natürlich nicht mehr rückgängig zu machen. Und natürlich sitzt die Wirtschaft, weil sie global agiert, da am längeren Hebel. Deswegen wird es notwendig, dass die Politik sich internationalisiert und damit wieder mit der Ökonomie auf eine Augenhöhe kommt.
Entscheidend wäre außerdem eine internationale Börsenumsatzsteuer [die so genannte Tobin-Steuer], um mit diesem frei werdenden Geld den Entwicklungsländern zu helfen. Bei 0,02 Prozent Tobin-Steuer bei einem börsentäglichen Umsatz von zwei Billionen würden 500 Milliarden Euro frei. Damit könnten wir die gesamten Infrastrukturprobleme in Afrika und Südostasien lösen. Dann bräuchten wir unser Geld nicht mehr so stark in klassische Entwicklungshilfe stecken, sondern könnten mehr in Bildung investieren. Außerdem müsste eine internationale Börsen- und Bankenaufsicht eingeführt, die Steueroasen geschlossen und die Weltinstitutionen IWF, WTO und Weltbank demokratisiert werden.