Bevor ich hier weitere Philosophen früherer Jahrhunderte wie Descartes, Kant usw. vorstelle, mache ich zunächst einen Sprung ans Ende des Buchs Jostein Gaarder: Sofies Welt – Roman über die Geschichte der Philosophie. So landen wir in der Neuzeit (genauer im 20. Jahrhundert) und bei Jean-Paul Sartre, dem Begründer des Existentialismus. Mit Sartre endet dann auch Sofies Welt.
Ich ziehe Sartre den anderen Philosophen deshalb vor, weil an verschiedenen Stellen in diesem „Seminar“ die Frage nach der Tauglichkeit der Philosophie für unser Leben mit seinen Alltagsproblemen gestellt wurde, also ob die Philosophie so etwas wie eine Überlebenshilfe bieten kann.
Nun Sartre wird uns mit seinen Ansichten sicherlich nicht helfen, jedes kleine Problem zu lösen. Aber er gibt uns eine Art Gerüst, wie ich finde, dass uns im Grundsätzlichen „auf die Sprünge“ helfen kann. Sartre hat die Philosophie auf jeden Fall ganz und gar auf die Erde zurückgeholt: Im Mittelpunkt findet sich die menschliche Existenz. Als Atheist klammert Sartre religiöse Fragen allerdings vollständig aus. Daher hat das Leben im Allgemeinen auch erst einmal keinen Sinn. Trotz der atheistischen Ausrichtung glaube ich (sic!), dass Sartres Ansichten für jedermann interessant sind.
Neben Sartre ist Albert Camus ein wichtiger Vertreter des Existentialismus. Mit Camus habe ich mich in diesem Blog schon öfter beschäftigt (Mythos Kafka – Mythos Camus — Albert Camus: Der Fremde — Licht und Schatten). Sartre und Camus waren zunächst freundschaftlich verbunden; ihre Wege trennten sich dann aber wegen grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten. So wollen beide Philosophen gegen die „Sinnlosigkeit des Lebens“ revoltieren. Für den Marxisten Sartre endet die Revolte im Endziel Kommunismus, bei Camus ist die Revolte ‘endlos’.
Jean-Paul Sartre |
Albert Camus |
Hier aber zunächst Ausschnitte aus „Sofies Welt“ von Jostein Gaarder:
Sartre hat gesagt: ‚Existentialismus ist Humanismus.’ Er meinte damit, daß der Existentialismus ausschließlich vom Menschen selbst ausgeht.
… für Sartre hat .. die Frage nach dem Sinn des Lebens so ganz allgemein keinen Sinn. Mit anderen Worten, wir sind zum Improvisieren verdammt. Wir sind wie Schauspieler, die ohne einstudierte Rolle, ohne Rollenheft und ohne Souffleuse, die uns ins Ohr flüstert, was wir zu tun haben, auf eine Bühne gestellt werden. Wir müssen selbst entscheiden, wie wir leben wollen.
Sartre sagt, daß der Mensch sich in einer Welt ohne Sinn fremd fühlt. … Das Gefühl des Menschen, auf der Welt ein Fremder zu sein, meint Sartre, führt zu einem Gefühl von Verzweiflung, Langeweile, Ekel und Absurdität.
…
Sartre selbst erlebte die Freiheit des Menschen auch als Fluch. ‚Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt’, schrieb er. Er ist verurteilt, weil er sich nicht selber erschaffen hat, und ist dennoch frei. Denn wenn er erst einmal in die Welt geworfen ist, dann ist er für alles verantwortlich, was er tut.
… wir sind freie Individuen, und unsere Freiheit verdammt uns unser ganzes Leben lang dazu, uns zu entscheiden. … Sartre weist gerade darauf hin, daß der Mensch niemals seine Verantwortung für das, was er tut, leugnen kann. Deshalb können wir unsere Verantwortung auch nicht vom Tisch fegen und behaupten, wir ‚müßten’ zur Arbeit oder ‚müßten’ uns nach gewissen bürgerlichen Erwartungen darüber, wie wir zu leben haben, richten. Wer auf diese Weise in die anonyme Masse gleitet, wird zum unpersönlichen Massenmensch. Er ist vor sich selber in die Lebenslüge geflohen. Aber die Freiheit des Menschen befiehlt uns, etwas aus uns zu machen, eine ‚authentische’ oder echte Existenz zu führen.
… Sartre … ist kein Nihilist.
… Sartre meint, daß das Leben eine Bedeutung haben muß. Das ist ein Imperativ. Aber wir selber müssen diese Bedeutung, diesen Sinn für unser eigenes Leben schaffen. Existieren heißt, sich sein eigenes Dasein zu erschaffen.
[zuletzt heißt es in „Sofies Welt“:]
Eine philosophische Frage ist per definitionem eine Frage, die sich jede einzelne Generation – ja, jeder einzelne Mensch – immer wieder neu stellen muß. … war es nicht immer schon so, daß die Menschen gerade dann klare und endgültige Antworten auf ‚kleine’ Fragen gefunden haben, wenn sie nach Antworten auf die ‚großen’ Fragen suchten?
aus: Jostein Gaarder: Sofies Welt – Roman über die Geschichte der Philosophie – S. 537-546 – Carl Hanser Verlag 1995
Etwas respektlos zu philosophischen Fragen habe ich mich einmal in einer kleinen Abhandlung geäußert, in der die Sprache auch auf Sartre kommt: „Eingelegte Gurke“
(wenn auch Sartre nicht helfen sollte, dem Leben Sinn einzuhauchen, dann vielleicht das von mir Verfasste mit der einfachen Botschaft: Man sollte im Leben nie den Humor verlieren!).