Um es gleich zuzugeben: Auch wenn man Thomas Mann für einen der größten Schriftsteller deutscher Sprache hält, so bin ich mit ihm nie so richtig ‚warm‘ geworden. Sicherlich ist „der Zauberberg“ geistreich und „Felix Krull“ amüsant, aber die Sprache Thomas Manns ist für mich zu aufgeblasen, zu schwulstig-pompös und manieriert, als dass sie mir auf Dauer gefallen könnte. Die Sprache Kafkas, klar und einfach, ohne ein überflüssiges Wort, sagt mir da viel eher zu.
„Felix Krull“ lernte ich vor vielen Jahren in meiner Jugendzeit als Film mit Horst Buchholz in der Titelrolle kennen. Der Film wurde 1957, nur wenige Jahre nach der Veröffentlichung ‚der Memoiren erster Teil‘, fertiggestellt. Und im Kopf habe ich immer noch Horst Buchholz bei der Musterung, als er durch vorgespielte epileptische Anfälle ausgemustert wird. Wirklich köstlich!
Das Buch lese ich nun zum zweiten Mal. Es ist Fragment geblieben, da Thomas Mann 1955, ein Jahr nach der Veröffentlichung des 1. Teils, starb. Der oben beschriebene Eindruck des Manieriertheit hat sich eher verstärkt, obwohl es ein von Thomas Mann bewusst gewähltes Stilmittel ist.
Interessant finde ich nun die immer wieder auftauchenden Hinweise auf die gleichgeschlechtiche Liebe. Wir wissen, dass Thomas Mann, obwohl verheiratet und Vater von einigen Kindern, als homosexuell galt. Felix Krull, der Titelheld, ist ein Adonis, ein Schönling, der den Frauen zugetan ist, den im Gegenzug die Frauen lieben, zu dem es aber auch gewisse Herren zieht.
>>Darum begegnete ich, etwa an den klebrichten Marmortischchen der kleinen Nachtlokale, … neugierigen Annäherungsversuchen und Zudringlichkeiten mit … Höflichkeit…
So war denn sie es auch, die ich zu Hilfe nahm bei unwillkommenen Vorschlägen, die meiner Jugend … je und je, mit mehr oder weniger Verblümtheit … von gewisser männlicher Seite unterbreitet wurden.< <
(S. 85 der Taschenbuchausgabe)
Und schon kurz darauf:
>>Ganz anders nun aber verhält es sich mit gewissen abseits wandelnden Herren, Schwärmern, welche nicht die Frau suchen, aber auch nicht den Mann, sondern etwas Wunderbares dazwischen. Und das Wunderbare war ich. …
Ich verschmähe es, die Moral gegen das Verlangen ins Feld zu führen, das mir in meinem Fall nicht unverständlich erschien.< <
(S. 86 der Taschenbuchausgabe)
Thomas Mann, Entschuldigung: Felix Krull ist nichts Menschliches fremd dabei. Und es ist eigentlich weniger die Suche nach dem Gleichgeschlechtlichen, als die Suche nach einem androgynen Doppelwesen, ein Wesen, das Mann und Frau in sich vereinigt. So fühlt sich Felix Krull einmal durch ein Geschwisterpaar, dann auch durch das Paar Mutter und Tochter angezogen.
Man kann dieses Werk in Teilen durchaus als ein humorvolles, vielleicht auch schon ironisches Betrachten der eigenen häretischen Geschlechtlichkeit ansehen.
Thomas Mann beim Fischerverlag
Thomas-Mann-Archiv der ETH Zürich