Was nun, Herr Löw?

In diesen Tagen gibt es wieder mehr Fußball-Bundestrainer als aktive Fußballspieler auf dem Feld in Deutschland. Ja, die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika steht vor der Tür und jeder meint, mitreden zu müssen. So will auch ich mich aller Hemmungen erledigen und wenigstens einen Artikel lang Bundestrainer spielen.

Fangen wir gleich mit dem Ballack-Ausfall an. Das Foul von Kevin-Prince Boateng war wirklich mehr als rüde und daher ist die Frage natürlich berechtigt, ob Boateng versätzlich gefoult hat. Er bestreitet das und hat sich inzwischen auch schon bei Ballack entschuldigt. Dem nützt das natürlich wenig: die WM kann er abhaken. Was also tun? Boateng solange sperren wie Ballack verletzt ist? Keine Spielerlaubnis für Boateng für die WM? Alles Quark. Die Ghanaer sollten nur so schlau sein und ihn bei der WM im Gruppenspiel gegen Deutschland, falls er die Spielerlaubnis bekommt, nicht auflaufen lassen. In diesem Zusammenhang möchte ich den äußerst interessanten Artikel bei zeit.de zum Lesen empfehlen.

Nun stellt sich die Frage, wie Joachim Löw den Ausfall des Kapitäns kompensieren will. Der 33-Jährige nimmt aufgrund seiner Klasse und internationalen Erfahrung eine Ausnahmestellung ein. „Seine Präsenz ist für unsere junge Mannschaft von großer Wichtigkeit, sowohl auf als auch neben dem Platz“, unterstrich Löw. Fakt ist, dass nach der verletzungsbedingten Absage von Simon Rolfes, der formbedingten Nichtnominierung von Thomas Hitzlsperger und der Ausbootung von Torsten Frings kaum noch Kandidaten für die Sechser-Position im Kader stehen. Sami Khedira wäre die einzige ernsthafte Alternative; Christian Träsch und Heiko Westermann sind höchstens Notlösungen. Oder nun doch Frings nachnominieren? Da Joachim Löw viel auf Disziplin hält, wird er diesen mit Sicherheit nicht wieder an Bord holen. Frings, dieser Voll-Pfosten (so nennt man einen Trottel wie ihn wohl im Fußballer-Jargon), hat sich mit seiner gelb-roten Karte im DFB-Pokalfinale selbst das Wasser abgegraben. Das schlägt bis Löw durch.

Mit Ballack (und natürlich auch mit Frings) fehlt ein wichtiger Routinier in der Mannschaft, der selbst in einem aufgescheuchten Hühnerhaufen wieder Ruhe einkehren lässt. Kaum eine Mannschaft ist so jung wie die deutsche. Aus der U21-Mannschaft haben bereits Torwart Manuel Neuer, Dennis Aogo, Andreas Beck, Jerome Boateng, Sami Khedira und Mesut Özil den Sprung in Löws erweitertes WM-Aufgebot geschafft. Und doch kommt die WM wohl zu früh für das deutsche Team. Joachim Löw fehlt jene breite Basis an Spielern, die zur körperlichen Topform auch bereits über die nötige Erfahrung verfügen, die deutsche Mannschaften stets ausgezeichnet hat. In Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger stehen dem Bundestrainer nur noch zwei unumstrittene Führungsspieler zur Verfügung. Besonders dem Schweinsteiger wird der Löw einen Großteil der Verantwortung auf die Schultern laden.

Apropos Schweinsteiger: Noch haben er und seine Bayern das Finalspiel in der Champions League am Samstag in Madrid gegen Inter Mailand nicht ungeschadet überstanden. Die Italiener sind nicht nur für ihren Sperrriegel bekannt, sondern auch für ihre äußerst rustikale Spielweise, der manch gegnerische Spieler bereits zum Opfer fiel. Was Boateng kann, können Materazzi und Co. notfalls auch. Also Vorsicht!

Kommen wir zur leidigen Torhüterfrage: Löw und Torwart-Trainer Andreas Köpke hatten sich kaum für René Adler als die Numero eins im Tor der deutschen Nationalmannschaft entschieden, da musste dieser verletzungsbedingt seine Teilnahme an der WM absagen. So wurde Hans-Jörg Butt (wird demnächst 36 Jahre alt) von Bayern München neben Tim Wiese und Manuel Neuer nominiert. Wer soll nun bei der WM im deutschen Kasten stehen? Dass es Tim Wiese überhaupt geschafft hat, von Löw für die Nationalmannschaft berufen zu sein, grenzt schon fast an ein Wunder. Außerhalb Bremens ist sein Beliebtheitsgrad nicht sehr groß. Butt ist trotz seiner Erfahrung für mich zu alt (will man auf junge Spieler im Nationalteam setzen, dann sollte man es auch wirklich tun). Bleibt also Neuer, auch wenn ihm schon mancher Schnitzer unterlaufen ist.

Und der Angriff? Wenn es nach der Leistung in der Bundesliga geht, dann bleiben da nur Cacau und Stefan Kießling. Geht es nach den Leistungen in der Nationalmannschaft dann sind da der Klose und Podolski. Der Rest ist für die Tonne. Wen also nehmen? Cacau schaffte es immerhin, gegen Malta zwei Dinger zu versenken. Und Podolski, der Instinktfußballer, war in der Liga so schlecht, sodass er im Nationaltrikot eigentlich nur noch besser sein kann.

Ja, der deutsche Kader ist merklich geschrumpft (und könnte noch mehr schrumpfen). Da könnte mir der Löw fast Leid tun (aber auch nur fast). Also, was nun, Herr Löw? Ich übergebe an Sie. Sie verdienen (sic?) schließlich die Kohle.

Ach übrigens: Der Löw begann ja bereits, laut über seine weitere Zukunft nachzudenken. Und da es mit dem WM-Titel nichts werden wird, Louis van Gaal, sollten die Bayern das Triple mit dem Gewinn der Champions League komplett machen (was kann man als Spieler und Trainer mehr erreichen), sich vorstellen könnte, eines Tages DFB-Trainer zu sein … Vielleicht haben wir nach der WM tatsächlich einen Niederländer als Löw-Nachfolger – ich würde nicht dagegen wetten!

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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