Multikulturelle Gesellschaft und Leitkultur

Ist es Dummheit oder Ignoranz – oder allein politisches Kalkül, die multikulturelle Gesellschaft für gescheitert zu erklären? Was da CSU-Chef Seehofer und CDU-Chefin Merkel von sich geben, ist an Ignoranz UND Dummheit nicht mehr zu überbieten.

Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft und haben das immer getan. Es sind immer Menschen nach Deutschland eingewandert, so wie Deutsche ins Ausland ausgewandert sind. Das ist ein Prozess, der nicht erst seit einigen Jahrzehnten besteht. Und zusammen mit diesen Menschen aus anderen Nationen entfaltete sich auch eine kulturell vielfältige Gesellschaft. Wohin eine ‚Monokultur’ führt, sehen wir in der Landwirtschaft – sie führt zur Verödung der ‚Landschaft’!

Wenn Menschen aus anderen Nationen und auch anderen Kulturkreisen zu uns kommen, so sollten wir das als Bereicherung sehen und die Angst vor ‚Überfremdung’ ablegen. Wohin diese Angst führt, belegt die deutsche Geschichte leider zur Genüge.

Das Gerede um eine europäische, gar deutsche Leitkultur ist genauso töricht. Kommt sie zur Sprache, so ist sie auf jeden Fall nicht so eng zu fassen, wie es konservative Politiker gern tun. Wie sollte diese auch definiert sein: christlich und abendländisch oder basierend auf westlichen Wertvorstellungen?

„Die Werte für die erwünschte Leitkultur müssen der kulturellen Moderne entspringen, und sie heißen: Demokratie, Laizismus, Aufklärung, Menschenrechte und Zivilgesellschaft.” (Bassam Tibi) und sind unabhängig von unterschiedlichen Muttersprachen, verschiedenen Traditionen und Religionen. Wenn von einer Leitkultur gesprochen wird, so sollte sie nicht mit der Forderung nach einer Integration von Einwanderern verknüpft sein. Beides hat nichts unmittelbar miteinander zu tun. Daher ist die aktuelle Debatte um Zuwanderung und der Verweis auf eine Leitkultur schädlich und verantwortungslos.

Überhaupt Integration?! Sicherlich macht es Sinn, die Sprache eines Landes zu beherrschen, wenn man in diesem auf Dauer verweilt. Wenn ich in ein bestimmtes Land auswandere, so tue ich das auch, weil ich die Lebensweise der Menschen dort akzeptiert habe. Je länger ich bleibe, um so mehr werde ich mich um Integration bemühen. Damit muss und werde ich aber nicht meine Herkunft zu leugnen trachten. Wenn ich Kinder habe, so werde ich sie möglichst zweisprachig aufwachsen lassen. Traditionen aus meinem Mutterland werde ich genauso pflegen wie ich vielleicht die eine oder andere Traditionen des neuen Landes übernehme. Ich werde also bis zu meinem Lebensende auch mit meiner Herkunft verbunden bleiben – und meine Kinder in einem sicherlich verkleinerten Rahmen auch. Umgekehrt ist es denkbar, dass ich meine alten Traditionen mit meinen neuen Freunden pflege, die so auch deutsche Gepflogenheiten kennen und vielleicht lieben lernen werden. Vielleicht wäre Assimilation das richtige Wort.

Integration ist ein Prozess, der auf Gegenseitigkeit beruht. Integration beschreibt einen dynamischen, lange andauernden und sehr differenzierten Prozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens.

Nun Europa ist in der Krise – es droht ein beispielloser Identitätsverlust, der es den europäischen Regierungen immer schwerer macht, ihre wahren Interessen zu erkennen. Da wird schnell nach Schuldigen gesucht – und gefunden. Sicherlich ist der islamische Fundamentalismus eine Gefahr, da er seinen universellen Anspruch auf Weltherrschaft nicht aufgegeben hat. Aber sind es nicht auch die europäischen Nationen samt den USA, die ihre Wertvorstellungen in jedes andere Land – ohne Rücksicht auf nationale Gegebenheiten – exportieren wollen?

Und: Gehört nicht auch der Kapitalismus zur europäischen Leitkultur? Ist nicht er mit seiner zügellosen Raffgier der Verursacher globaler Krisen und damit auch der weiterhin bestehenden Krisen bei uns?

Der jetzigen Regierungskoalition laufen scharenweise die Wähler weg. Da beruft man sich gern auf Grundwerte, die die anderen angeblich nicht vorweisen. Aber was ist das anderes als purer Populismus, als Wählerfang nach der Methode des Rattenfängers von Hameln. Noch drei Jahre will diese Regierung weiterwerkeln? Das kommt für mich einer Zumutung gleich.

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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