Ich hab’ die Tat getan, wagte Macbeth zu sagen, als er König Duncan, angestachelt von seiner Frau, getötet hatte, um selbst König von Schottland zu werden. So verrät man Geheimnisse!
„… daß nicht existiert, was nicht ausgesprochen wird.“, schreibt Xavier Marías in seinem Roman „Mein Herz so weiß“ (S. 53 – Klett-Cotta Deutscher Taschenbuch Verlag 12507 – Juni 1998), dessen letzte Seiten ich zz. lese. Und. „Jemanden küssen oder töten sind vielleicht gegensätzliche Dinge, aber den Kuß erzählen und den Tod erzählen macht beides einander gleich …“ (S. 255). Ein erzählter Kuss unterscheidet sich kaum von einem erzählten Mord. Es sind real nur Wörter. Metadaten, Metataten. Es sind die Taten selbst, die Gegensätze schaffen.
Es geht um Sprache und um Erlösung. Wer Geheimnisse birgt, dunkle Geheimnisse, ist sich dieser Geheimnisse ein Leben lang bewusst. Selten vergisst man ein Geheimnis. Man trägt es mit sich herum. Äußert man eines Tages ein solches ‚dunkle’ Geheimnis, vielleicht weil der Seelendruck zu groß geworden ist, dann öffnet man sich und das Geheimnis der Welt. Es wird existent – und ist kein Geheimnis mehr. Damit geht man aber auch den ersten Schritt, schafft die Möglichkeit, es dem Vergessen anheim fallen zu lassen.
Wer hat keine Geheimnisse. Sie müssen nicht immer dunkel sein. Der Mann hat Geheimnisse vor seiner Frau, diese vor ihrem Mann. Eltern haben Geheimnisse vor ihren Kindern. In dem erwähnten Roman (zum Inhaltlichen komme ich in wenigen Tagen zu sprechen) geht es um solche Geheimnisse, manche sind so dunkel und handeln von Mord – wie bei Macbeth von William Shakespeare.
Geheimnisse beinhalten eine Tat (I have done the deed). Das Verbergen der Tat vor der Öffentlichkeit begründet das Geheimnis. Xavier Marías philosophiert in seinem Roman Mein Herz so weiß, der irgendwo eine neue Art von Kriminalroman zu sein scheint, seitenlang über Geheimnisse, auch über Verrat und Verdacht.
Wer jedem Menschen Geheimnisse unterstellt, wie ich es tue, hegt gleichsam einen Verdacht. Der Verdacht ist gewissermaßen das Pendant des Geheimnisses. Bei Menschen, die wir lieben und denen wir aus dieser Liebe heraus vertrauen, schalten wir jeglichen Verdacht sehr schnell aus. Wir sind ja nicht schizophren. Aber es wird immer auch Menschen geben, da nähren wir den Verdacht. Bei Menschen, denen wir oder die uns nicht wohlgesonnen sind, riechen wir Verrat.
Es ist ein seltsames Buch, dieser Roman von Xavier Marías (wie gesagt: später dazu etwas mehr). Selten hat mich ein Buch dermaßen beschäftigt und zu diesen Gedanken animiert. Es sind diese Gegensatzpaare, die unsere menschliche Existenz bestimmen und uns vom Tier unterscheiden: das Tun (die Tat) und das Unterlassen, Geheimnis und Verdacht, Vertrauen und Verrat und die Macht sprachlicher Einflüsterungen und die Anziehungskraft ihres Gegenteils, des Schweigens.