Ohne Zweifel hat Thomas Gottschalk mit der Moderation der Sendung „Wetten, dass ..?“ im ZDF, durch die er seit 1987 (mit kurzer Unterbrechung) führt, Fernsehgeschichte geschrieben. Kein Unterhaltskünstler präsentiert dermaßen das, was deutsche Familien im Fernsehen sehen wollen wie Gottschalk. Mit der Sommersendung am 18. Juni aus Mallorca endete das Kapitel „Wetten, dass ..?“ und Gottschalk. Am letzten Samstag war noch einmal ‚große Party’ angesagt. Gottschalk ließ sich feiern (und feierte sich auch einwenig selbst).
Irgendwie dachte ich zunächst, dass Thomas Gottschalk damit ganz aus dem deutschen Fernsehen verschwindet. Aber dem ist natürlich nicht so. Mindestens drei Sondersendung zum 30-jährigen Bestehen von „Wetten, dass ..?“ wird Gottschalk moderieren. Und sollte man der „Bild“-Zeitung glauben, dann wird Gottschalk bald sogar täglich über dem Bildschirm flimmern. Warum also diese Aufregung?
Gottschalk ist der Glamourboy des deutschen Fernsehen. Er glänzt durch schrille Outfits und eine saloppe Redensweise, die anfangs das deutsche Fernsehvolk zu verschrecken drohte. Aber als man sah, dass er gar nicht so schlimm, sondern eigentlich völlig harmlos ist, gewann er die Herzen vieler Familien. Er verkörpert ‚heile Welt’ mit einer großen Portion Naivität, die besonders in schwereren Zeiten dankend angenommen wird. Bis heute ist er wie man sich einen großen Bruder wünscht, etwas infantil, aber immer positiv – das kommt nun einmal bei der Masse bestens an. Apropos infantil: meine Söhne, als sie noch klein waren, haben sich nicht nur zu Fasching oder Halloween, sondern auch außerhalb dieser Zeiten immer wieder gern ‚verkleidet’. Gottschalk zeigt sich als das Kind, wie es im Manne steckt.
Wie kein anderer versteht es Gottschalk, sich im Lichte der vieler Prominenten aus dem Showbusiness (besonders die Filmstars aus Hollywood sind zu nennen), die sicherlich auch aufgrund seiner guten Kontakte (Gottschalk hat seinen Zweitwohnsitz in Malibu/Kalifornien) den Weg in die Sendung fanden, zu präsentieren. Er ist ein Selbstdarsteller par excellence, dem man ein gewisses Charisma nicht abstreiten kann. Anders als ein Frank Elstner, dem Vorgänger und Erfinder dieses TV-Formates, der in dieser letzten Sendung natürlich nicht auf dem Sofa fehlen durfte und der eher durch seine spröde, manchmal oberlehrerhafte Art ‚glänzte’. Auf Wolfgang Lippert, der vom 26. September 1992 (Folge 76) bis 27. November 1993 (Folge 84) neunmal „Wetten, dass ..?“ moderierte, verzichtete man wohlweißlich. Ähnlich wie Gottschalk versuchte er seine Gäste zu duzen und soll sich angeblich den Fauxpas „You can say you to me …!“ geleistet haben.
Manchmal frage ich mich, ob diese Gottschalk’sche Selbstinszenierung gewollt arrangiert ist. Ob dahinter so etwas wie Selbstironie oder gar eine leichte Form von Sarkasmus stecken könnte. Aber inzwischen glaube ich es nicht. Gottschalk gibt sich wie er ist: Nett und freundlich, etwas selbstzufrieden und möglichst entspannt. Was zählt, ist das Gute im Menschen, nur kein Streit und kein Neid. Friede, Freude, Eierkuchen!
Manchem Gast (aber nur wenigen, mir fällt da nur Götz George ein) wurde die gelanglose Laberrunde manchmal zuviel (in der letzten Sendung erfahren wir, dass Formel-1-Weltmeister Vettel privat lammfromm Auto fährt, Hollywoodstar Cameron Diaz doch nicht solo ist und Superstar J.Lo Bratwurst und Dieter Bohlen kennt – belangloser geht es nicht). Aber dieser setzte sich natürlich gleich ins Unrecht und hatte gegenüber dem Charme von Gottschalk keine Chance. So kann es nicht verwunderlich sein, wenn sich selbst die hohe Politik nicht zu schade war, bei Gottschalk aufzutreten. Neben dem Ex-Bundeskanzler Schröder war das zuletzt der Freiherr zu Guttenberg, dem jedes Mittel recht erschien, sich in den öffentlichen Medien zu präsentieren.
So harmlos Gottschalk und die Sendung „Wetten, dass ..?“ daherkam, so sehr hatte sie in meinen Augen Einfluss auf die Bildung von Meinungen, Geschmack usw. Der positive Funke springt schnell über und lässt auch andere im hellen Lichte erscheinen. Aber das zu erörtern, ist hier nicht der Raum.
Nach dem tragischen Unfall eines Wettkandidaten (nach einem Sturz zog dieser sich eine komplexe Verletzung an der Halswirbelsäule zu und wird wohl für immer gelähmt bleiben) bekam die ‚heile Welt’ von „Wetten, dass ..?“ und damit die von Thomas Gottschalk einen gehörigen Riss. Zum ersten Mal wurde die Sendung abgebrochen. Und nur wenige Tage darauf verkündete Thomas Gottschalk seinen Rückzug. Mir erschien das so, als hätte man dem Gottschalk sein geliebtes Spielzeug zerbrochen, sodass er jetzt ‚bockte’. Ich will damit seine Betroffenheit nicht in Frage stellen. Aber dadurch, dass durch diesen Unfall der Sinn und Zweck dieser Sendung, nämlich Spiel und Spaß in den Vordergrund zu stellen, in Frage gestellt wurde, die ‚Erkenntnis’, dass alles auch ‚böse’ enden kann, hatte sich die ‚Sendung’ (sic!) erübrigt: „Schluss mit lustig!“
Noch einige Sätze zu Gottschalk und Michelle Hunziker, seit Oktober 2009 die Co-Moderatorin.der Sendung. Obwohl über 25 Jahre jünger als Gottschalk gab sich die gebürtige Schweizerin oft wie die gute, nachsichtige Ehefrau, die ihrem Göttergatten Gottschalk manchen Flirt mit den prominenten Damen nachsah. Eine tolle Rolle, die mancher Gatte vor dem Fernsehgerät auch auf seine Ehefrau übertragen würde. Erschreckend und immer wieder nervig war dabei dieses muttihafte „Ach, Thomas …!“
Man mag von „Wetten, dass ..?“ halten, was man will. Manchem stört die unnütze Verschwendung von Gebührengeldern. Allein die Sendung auf Mallorca dürfte Millionen verschlingen, da die ganze Ausstattung von Deutschland dorthin transportiert werden muss und viele Mitarbeiter wochenlang damit beschäftigt sind, alles aufzubauen. Und ob man die Sendung mag oder nicht, so steht eines doch fest: ohne Thomas Gottschalk wäre „Wetten, dass ..?“ wohl längst Geschichte. Nicht umsonst holte das ZDF Ende 1992, als Wolfgang Lippert die Sendung an die Wand zu fahren drohte, Gottschalk zurück.
Obwohl ich denke, dass das Konzept der Sendung längst verbraucht und die Zeit für ein Ende gekommen ist, will das ZDF weiterhin an „Wetten, dass ..?“ festhalten. So sucht man natürlich fieberhaft nach einem geeigneten Nachfolger von Thomas Gottschalk (es war ja wohl nur ein Witz, als Gottschalk selbst in der letzten Sendung Dieter Bohlen oder Frank Elstner vorschlug). „Als mögliche Kandidaten werden Entertainer Hape Kerkeling und ZDF-Moderator Jörg Pilawa gehandelt. Die Beliebtheit von Kerkeling sei gigantisch. ‚Und wir verstehen uns gut’, sagte Bellut [Programmdirektor und ab März 2012 Intendanten des ZDF]. Aber auch Pilawa gehöre ‚zur Top-Riege unserer Moderatoren. Ich würde ihn bei so einer Frage nie übergehen’.“ (Quelle: zdf.de)
Wer auch immer die Nachfolge antreten wird, er (oder sie) wird es schwer haben. So könnte es vielleicht sein, dass man (wie 1992) den Gottschalk wieder aus der Versenkung hervorholt – wenn bis dahin die Sendung nicht längst von sich aus gestorben ist.