Heute Abend läuft der letzte Teil der insgesamt 6-teiligen Historienreihe Borgia (Gemeinschaftsproduktion Tschechien/Deutschland/USA 2011) im ZDF. In der ZDFmediathek sind alle (anderen) Teile zz. auch online zu sehen. Ich selbst habe mir die am Ende 600 Minuten dauernde TV-Reihe allein schon aus Zeitgründen nicht angeschaut. Dafür habe ich aber den gleichnamigen Roman von Klabund gelesen: Borgia
„‚Roman einer Familie’ nannte Klabund dieses fesselnde und brillant geschriebene Buch. Die ‚Familie’ ist das berühmt-berüchtigte Adelsgeschlecht der Borgia, das zeitweise ganz Italien und in der Person zweier Päpste das ganze Abendland unter seine Herrschaft zwang. Grausamkeit und Verschlagenheit, die absolute Unbedenklichkeit in der Wahl der Mittel halfen ihnen, ihre Macht zu festigen und auszuweiten.
Mord an den nächsten Verwandten, Liebe als Machtspiel, Blutschande zwischen Vater-Papst Alexander VI. und seinen Kindern bezeichnen die Maßlosigkeit im Leben der Borgia.
Giftkelch und Meucheldolch regieren unangefochten. Doch auf diesem Gipfel der Macht fallen die Borgia ihnen selber zum Opfer.“
„Klabund, eigentlich Alfred Henschke, wurde 1890 in Crossen a. d. Oder geboren. Nach dem Studium der Literatur und Philosophie in München und Lausanne lebte er als freier Schriftsteller in München, Berlin und in der Schweiz.
Er war ein ungestümer, aufsässiger Mensch, der sich in viele Skandale verwickelte, erotische Themen bevorzugte, wenig Freunde hatte – bis auf Gottfried Benn.
Der Roman Borgia erschien zum ersten Mal nach Klabunds Tod im Jahre 1928.“
Aus dem Klappentext zu Klabund – Borgia – Roman einer Familie – Fischer Taschenbuch Verlag – 16. – 20. Tausend: August 1980
Natürlich dürfte sich die TV-Serie kaum mit diesem kleinen Büchlein von gut 100 Seiten vergleichen lassen. Die Bezeichnung Roman ist sicherlich nicht ganz richtig, nicht ausreichend. Es ist eine Erzählung in Episoden verfasst, die gleichsam Dialoge wie in einem Theaterstück und Szenen wie in einem Film enthält. Schon allein daraus ergibt sich eine besondere Spannung. Im Mittelpunkt stehen natürlich die Borgias, vor allem Rodrigo Borgia, der als Papst Alexander VI. in die Geschichtsbücher einging, Cesare Borgia, der Niccolò Machiavelli als Vorbild für seinen Il Principe („Der Fürst“), den rücksichtslosen Machtpolitiker, diente, und Lucrezia Borgia, die oft als Instrument der Politik ihres Vaters herhalten musste. Daneben spielt Fra Girolamo Savonarola aus Ferrara in dem Roman eine größere Rolle, Savonarola, der von Florenz aus mit seiner Kritik am Lebenswandel des herrschenden Adels und Klerus, hier besonders an dem Papst, den er bezichtigte, der Antichrist zu sein, für Aufsehen sorgte – und nachdem er von Papst Alexander VI. als ‚Häretiker, Schismatiker und Verächter des Hl. Stuhles’ exkommuniziert wurde, vor einer riesigen Menschenmenge auf dem Scheitelhaufen landete. Aber auch der Florentiner Bildhauer und Maler Michel Angelo erscheint in einem Treffen mit Lucrezia Borgia und malt sie als „Leda vom Schwan geliebkost. [Als] Venus von Amor geliebkost.“ (S.74). Und der Christus in der römischen Pietà, „trägt er nicht die Züge jenes in Florenz verbrannten Fra Girolamo – jenes unseligen Ketzers –“? (S. 74). Natürlich treffen wir in dem Buch auch Cesare Borgia im Gespräch mit Niccolò Machiavelli.
Klabund („KLAbautermann und VagaBUND“) gelingt mit Borgia „ein grausiger Alptraum von Macht und Schicksal, Mord und Blutschande.“ „Marcel Reich-Ranicki nannte ihn – vielleicht mit Bedauern – vierzig Jahre nach Klabunds Tod »nur noch eine literarhistorische Erscheinung«. Inzwischen kann Klabund allerdings neu entdeckt werden, denn er wird in der ganzen Breite seines Schreibens wieder zugänglich gemacht: Im kleinen Heidelberger Eifenbein-Verlag liegt eine achtbändige Lese- und Studienedition der Werke Klabunds nach dem Text der Erstdrucke vor.“ (aus: KLABAUTERMANN UND VAGABUND: Eine Einführung von Christian von Zimmermann).