Manchem Wahlspruch traut man nicht eine solche Allgemeingültigkeit zu (der Spruch stammt übrigens von Sir Alf Ramsey: „Never change a winning team.“). Nach dem eher glücklichen Sieg gegen Portugal setzte Bundestrainer Joachim Löw bei der Fußballeuropameisterschaft auf die gleiche Startelf auch im Spiel gegen die Niederlande – und lag damit richtig. Zuvor gab es nämlich reichlich Kritik an der Aufstellung: Podolski, Schweinsteiger und Lahm zeigten gegen die Portugiesen nur einen Bruchteil ihrer möglichen Leistung. Und Co-Kommentator Mehmet Scholl hatte sich besonders Mario Gomez vorgenommen. Er warf dem Stürmer mangelnden Einsatz vor: „Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wundliegt und mal gewendet werden muss.“
Obwohl Schütze des einzigen Tores des Spiels sprechen die Fakten übrigens für Scholl: Laut dem Fußballdaten-Spezialisten Opta hatte Gomez im Spiel gegen Portugal nur 17 Ballkontakte in 72 Minuten – mit weitem Abstand die wenigsten bei den Deutschen (exkl. Einwechselspieler). Außerdem gewann er nur 18.2% seiner Zweikämpfe (2 von 11, schlechtester Wert aller Startelfspieler). Gomez ist eher der klassische Mittelstürmer, der vorn auf die Bälle wartet, um sie dann zu verwerten (Scholl: „Dass ein Stürmer nicht nach hinten arbeitet, das gibt’s eigentlich im modernen Fußball nicht mehr. Dass einer auf die eine Flanke, auf eine freie Straße wartet. Das ist zu wenig.“). Ein Stürmer wie Klose geht eher weite Wege, um sich notfalls den Ball auch selbst zu holen. Und er schießt nicht nur Tore, sondern bereitet auch viele vor.
Nun gestern im Spiel gegen die Niederlande gab es eine deutliche Leistungssteigerung. Besonders die gescholtenen Schweinsteiger (er gab die Vorlagen für beide deutschen Tore) und Lahm (er schaltete seinen Teamkollegen bei den Bayern, Robben, fast vollständig aus) zeigten sich wieder von ihrer guten Seite. Und Mario Gomez? Nun er markierte die Treffer zwei und drei für das deutsche Team und avanciert so langsam zum Torschützenkönig dieser EM. Lediglich Lukas Podolski kommt in der Ukraine nicht so richtig in Schwung. Vielleicht wird’s ja etwas im Viertelfinale, das in Polen ausgetragen wird (Warschau oder Danzig).
Wer es noch nicht weiß: Deutschland gewann mit 2:1 gegen den Vizeweltmeister Niederlande und steht damit mit anderthalb Beinen bereits im Viertelfinale. Die Holländer dagegen müssen nach zwei Niederlagen das letzte Spiel gegen Portugal mit mindestens zwei Toren Differenz gewinnen (und die Dänen gegen Deutschland verlieren), sonst sind sie ‚weg vom Fenster’. Die Niederlande begann das Spiel in Charkiw (Charkow) im Osten der Ukraine druckvoll und hatten bald schon eine gute Torchance. Dann übernahmen aber die Deutschen das Zepter und erzielten die beiden Tore durch Gomez. In der zweiten Halbzeit hatten weiterhin die Deutschen deutliche Vorteile. Nach dem Anschlusstreffer durch Robin van Persie kippte das Spiel zugunsten der Holländer, die sich aber bei den hohen Temperaturen nur wenige Torchancen erspielten. Zuletzt spielte die DFB-Truppe geschickt gegen die Niederländer auf Zeit und rettete die Führung ins Ziel.
Da die Niederlande sämtliche Vorrundenspiele im tropisch heißen Charkiw auszutragen haben, wäre es wohl aus Akklimatisierungsgründen besser gewesen, sie hätten dort in der Nähe ihr Quartier aufgeschlagen statt in Krakau. Vielleicht ein Grund für das bisher schlechte Abschneiden?
Meine Tipperei kann ich mir wieder ‚in die Haare’ schmieren. Immerhin liege ich in der Tendenz noch nicht völlig falsch („Für mich wäre aber ein Halbfinale mit dem deutschen Team, Russland (vielleicht doch den Niederlanden), Spanien und Frankreich denkbar.“). Hier noch einmal meine Tipps für den zweiten Spieltag der Gruppenphase:
Gruppe A
12.06. 18:00 Griechenland – Tschechien 0:1 (Ergebnis 1:2)
12.06. 20:45 Polen – Russland 1:2 (Ergebnis 1:1)
Gruppe B
13.06. 18:00 Dänemark – Portugal 1:1 (Ergebnis 2:3)
13.06. 20:45 Niederlande – Deutschland 1:1 (Ergebnis 1:2)
Gruppe C
14.06. 18:00 Italien – Kroatien 2:2
14.06. 20:45 Spanien – Irland 3:1
Gruppe D
15.06. 18:00 Ukraine – Frankreich 1:2
15.06. 20:45 Schweden – England 1:2
Am Sonntagabend geht es dann für die deutsche Mannschaft um die Wurst – gegen Dänemark genügt ein Unentschieden. Hier schon einmal meine wagemutigen Tipps für den 3. und letzten Spieltag der Vorrunde (erst einmal nur für die Gruppen A und B):
Gruppe A
16.06. 20:45 Griechenland – Russland 0:2
16.06. 20:45 Tschechien – Polen 1:2
Gruppe B
17.06. 20:45 Portugal – Niederlande 1:2
17.06. 20:45 Dänemark – Deutschland 1:3
In Gruppe A wäre dann Russland Gruppenerster, Zweiter die Polen. In Gruppe B natürlich Deutschland 1. – und Gruppenzweiter? Portugal! Denn Portugal, Dänemark und die Niederlande wären punktgleich. Nach dem Austragungsmodus würde am Ende die höhere Anzahl der erzielten Tore im direkten Vergleich gelten: Portugal hätte dann 4, Dänemark 3 und die Niederlande 2 Treffer. Die Niederlande muss auf jeden Fall mit einer zwei Toren Differenz gegen Portugal gewinnen, wenn sie noch das Viertelfinale erreichen will. Aber was interessiert uns die Niederlande?! Was wäre, wenn Portugal gegen die Niederlande gewinnt und Deutschland gegen Dänemark verliert? Dann hätten drei Mannschaften 6 Punkte: Deutschland, Dänemark und Portugal. Und wer käme weiter? Verlören die Deutschen 0:1, dann hätten im direkten Vergleich bei gleicher Anzahl Punkte Deutschland 1:1, Dänemark und Portugal jeweils 3:3 Tore – die höhere Anzahl der Tore würde entscheiden – zu ungunsten der deutschen Mannschaft. Bei einer 2:3-Niederlage kämen auch noch die jeweiligen Spiele von Deutschland und Portugal (Dänemark wäre Gruppenerster) ins Spiel … Erst ab einem 3:4 wäre Deutschland Zweiter.