Was ist bloß mit Ian los? Teil 9: Ians Geschäftstüchtigkeit

Hallo Wilfried,

Zu den Out-Takes:
Sicher ist es denkbar, dass auf älteren Alben durch den technischen Fortschritt neue Songs Platz finden. Dass das einen zusätzlichen Kaufanreiz bietet, wird dabei gerne in Kauf genommen. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, eine Remastered-Version zu kaufen, nur um an die Studioaufnahme von Jack-a-Lynn zu kommen. Und ich denke, so wie ich denken Einige (zumindest in diesem Punkt). Wirf mal einen Blick auf die neue Version von ‚Warchild`. Hier sind die Bonus-Tracks fast besser als die originär vorhandenen Songs. Vor allem ‚Rainbow Blues‘ finde ich klasse ! Bei diesem Lied wird besonders deutlich, wozu die Stimme des Meisters in der Lage war ! Eine so gewaltige Singstimme ist mir in der Rockmusik nie wieder begegnet.

Mein Hinweis auf die Geschäftstüchtigkeit des Mr. Anderson scheint Dir nicht zu behagen. Ich sehe in einem Musiker auch lieber den Künstler als den Direktor. Jedoch: Lt. Wikipedia zählt Mr. Anderson zu den wohlhabendsten Rockmusikern Großbritanniens. Ich denke, diesen Status erreicht man nicht, wenn man sich ausschließlich auf die Musik konzentriert. Lass es mich etwas positiver formulieren: zu den Qualitäten, die wir bisher beim Meister festgestellt haben, kommt der Geschäftssinn als Sahnehäubchen noch obendrauf.

Zu Jack-a-Lynn:
Wenn man sich die Rockmusik der vergangen 50 Jahre anhört, wird man feststellen, das sich viele der Texte um Themen drehen wie Liebe, Verlust der Liebe, Herzschmerz, Eifersucht, unerfüllte Liebe und dergleichen mehr. Ganz wie beim Schlager. Ganz anders bei JT: Hier gibt es kaum Liebeslieder. Außer Jack-a-Lynn vielleicht noch Budapest, viel mehr will mir auf Anhieb nicht einfallen. Du hast einen besseren Überblick als ich; habe ich entscheidende Songs übersehen ? Auf der einen Seite kann die gute Shona sich also freuen, das Thema eines der wenigen Liebeslieder ihres Gatten zu sein, auf der anderen Seite könnte sie ihm vorhalten, genau diesen Song als Out-Take zu führen.

In dem Jack-a-Lynn – Video, dass Du mir geschickt hast, konnte ich dank der guten Bildqualität ein Detail entdecken: Der Meister hat tatsächlich Probleme mit der rechten Hand. Der kleine Finger lässt sich nicht strecken. Damit erübrigt sich meine Frage, die ich Dir schon immer stellen wollte, ob Mr. Anderson die Gitarre auch pizzikato spielen kann. Nee, Moment, braucht man zum Zupfen den kleinen Finger ? Die Bass-Saiten werden mit dem Daumen bedient und die anderen 3 Saiten mit Zeige- Mittel- und Ringfinger. Oder ? Möglicherweise ist die gehandicapte rechte Hand der Grund dafür, dass Mr. Anderson keine Hände schüttelt. Es wäre auch denkbar, dass der Meister noch weitere körperliche Defizite hat, von denen die Masse der Fans nichts weiß; einen eingewachsenen Fußnagel, z.B.. Ich sollte sachlich bleiben. Wenn die ganzen technischen Details zur Basis, den Kommentaren etc. geklärt sind, sollten wir unser Augenmerk wieder auf Tull und Anderson legen; sonst geht der neuen Rubrik vorzeitig die Luft aus.

Zu Wikipedia:
Diese Seite rufe ich noch häufiger auf als WilliZ. Mit der Vielzahl und vor allem der Aktualität der Beiträge kommt auch mein Online-Brockhaus nicht mehr mit. In der kritisierten Fehleranfälligkeit sehe ich keine große Gefahr. Ich denke, in vielen Printmedien findet sich eine dichtere Konzentration von Scheiße. Meine Ergänzung des Ian-Anderson – Artikels war übrigens mein erster Eintrag. Ich wollte einfach nur sehen, ob das wirklich so einfach funktioniert. Tut es tatsächlich. Mein Satz ist dort heute immer noch finden. Ich wundere mich nur, dass mir niemand von den Laufi-Leuten zuvorgekommen ist.

Mein Sohn dankt Dir für die Information über Dein Treffen mit dem Meister. Er sitzt also alleine im Abteil. Weit weg vom Fußvolk. Ich glaube, es war irgendwo auf Deinen Tull-Seiten, wo ich gelesen habe, dass Mr. Anderson bei den Konzertproben ein richtiger Drecksack sein kann und dort Dinge bietet, die mit Streben nach Perfektion nicht mehr zu erklären sind. Als „Arbeitgeber“ könnte er mir gestohlen bleiben. Vielen anderen übrigens auch, wenn man die Fluktuation bei den Tulls betrachtet.

Zu meinem Bild:

Lockwood

Ich habe mit Bedacht ein Foto ausgewählt, dass meinen Typ am besten wiedergibt: Ernst, fast melancholisch, grüblerisch, den Blick in die Vergangenheit gerichtet. Und was heißt „freundlicher gucken“ ? Das, was Du auf dem Foto siehst, ist seit 1980 mein natürlicher Gesichtsausdruck, quasi die Nullstellung. Seit dem Erscheinen des Albums ‚A‘ habe ich nicht mehr gelächelt. Das Foto hat mein ältester Sohn vergangenen Samstag aufgenommen. Im Garten, er hatte die Sonne im Rücken. Danach habe ich das Bild freigestellt und noch nicht einmal eingefügt, sondern einfach mit Füllfarbe voll laufen lassen. Das Folgende wirst Du mir wahrscheinlich nicht abkaufen: Bei der Wahl der Füllfarbe war mir nicht bewusst, dass Du die Gleiche verwendest !! Du weißt sicher, dass Corel PhotoPaint einige Millionen Möglichkeiten bieten, sich eine Farbe selber zu mischen. Das vorliegende Ergebnis ist purer Zufall und hat nichts mit Deiner Homepage zu tun. Anscheinend habe wir beide mehr gemeinsam als Bart, Brille, JT, Jan & Lukas. Keine Angst, ich will nicht auf eine Seelenverwandtschaft hinaus; dazu sind die Unterschiede in den technischen Ambitionen zu gravierend. Dein Lästern über meine Erscheinung, ob mit oder ohne Kopftuch, verbitte ich mir ! Das Foto zeigt das, was Sorge um Familie, Arbeit und krächzende Musiker von einem einst strahlenden Jüngling übrig gelassen haben.

Ian Scott Martin Lancelot – mein Gott, das arme Kind ! So weit würde ich nie gehen ! Ich bin mir auch nicht sicher, ob die so geehrten Musiker daran ihre reine Freude haben würden, wenn sie es wüssten. Der Junge kann froh sein, dass sein Vater kein Tic-Tac-Toe- Fan ist.

Zur Flöte:
Wahr ist, dass ich JT nicht wegen, sondern trotz der Flöte schätze. Wahr ist aber auch, dass einige Stücke, wie Bouree oder Elegy, nur von oder für die Flöte leben. Und Elegy ist ein Klasse-Lied !! Von diesen beiden Stücken abgesehen: Welches Lied von JT ist existenziell von der Flöte abhängig ? Doch, Thick as a brick und Passion Play wären ohne Flöte nicht denkbar. Aber sonst ? Viele Lieder ließen sich meiner Meinung nach auch ohne Flöte gut anhören, wenn man sie vorher ein wenig umarrangiert.

Zum Flötenheini:
Heute Morgen erzählte ich einem Kollegen, von dem ich weiß, dass er Mr. Anderson kennt, dass eben dieser die Ehrendoktorwürde für Literatur erhalten habe. Darauf meinte der Kollege: „Aha. Er kann also literarisch flöten.“ Das fand ich sehr ernüchternd. Zeigt es doch, dass Mr. Anderson vom überwiegenden Teil der Menschheit als Flötist und nicht als Texter wahrgenommen wird. Wie Du schon sagtest. Ein Jammer ist das !

Die Instrumente der britischen Folklore sind mir größtenteils geläufig. Auch die Tin-Whistle habe ich schon einige Male live gehört (in unserem Städtchen gab es bis vor zwei Jahren eine Gruppe von Feierabend-Musikern, die sich der britischen Folklore verschrieben haben). Die Tin-Whistle passt vom Klang zur Folklore. Was ich über Querflöte und Rockmusik nicht immer behaupten kann. Die Querflöte ist ein sehr wohlklingendes Instrument, das auf einigen Tull-Platten wunderbar zum Einsatz kommt. Aber bei einigen anderen Liedern finde ich sie einfach deplatziert, störend, nervend, total daneben.

Den Song ‚Broadford Bazaar‘ kann ich trotz Deiner links nicht finden und das Album Nightcap habe ich nicht. Allerdings kann ich mich dunkel erinnern, dass ich zu einem früheren Zeitpunkt auf Deinen Seiten war und das Lied irgendwo im Hintergrund lief. Ich assoziiere damit Bilder von schottischen Landschaften, kann das sein ? Dieser Song gefiel mir sehr gut.

Wie gesagt, ich bin nicht grundsätzlich gegen Flöten. Sie müssen nur zum Song passen. Um ein Extrem zu bemühen: Stell‘ Dir vor, in Queen’s „We will rock you“ wäre eine Harfe oder eine Tuba zu hören. Es gibt Dinge, die gehen einfach nicht.

Das war jetzt wieder einmal mehr als ein paar Stichworte. Ich schreibe einfach gern.

Bis bald !

Lockwood

05.09.2006

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Hallo Lockwood,

nach einem Tag Pause melde ich mich wieder. Erhöht die Erhaltungswartung! Quatsch, ging einfach nicht anders. Aber sonst können wir auch bald unser erstes Buch herausgeben. Eine Art Briefroman a la Die Leiden des jungen Werther, ähhh Willi.

Zu Bildchen: Gleich oben in meinem Weblog gibt es ja auch ein Bildchen, wo ich so verschämt nach unten schaue (ich hoffe, das Bildchen unten kommt an – ich meine: erreicht Dich …). Ich habe nur noch eine leicht modifizierte Version davon. Das Original ist auf irgendeiner Scheibe gebrannt, die ich nicht wiederfinde.

WilliZ

Fragespielchen 2. Teil: Warum schaue ich so verschämt? Gucke ich überhaupt verschämt? Vielleicht gucke ich mir etwas Bestimmtes an, aber was?

Den ‚Rainbow Blues’ muss ich mir einmal in Ruhe anhören. Bei mir ist der eigentlich unter ‚Ferner-Liefen’ angesiedelt. Aber manchmal achtet man ja nicht immer auf die Feinheiten und dann geht einem etwas ‚durch die Lappen’. So ging es mir u.a. mit ‚Pibroch’ von der LP/CD ‚Songs from the Wood’. Damit konnte ich nie etwas richtig anfangen. Gut der Mittelteil ging noch so. Bis mir im letzten Jahr, als ich mich wegen unserer Schottlandreise eingehender mit den Wurzeln der Musik von Jethro Tull befasste, klar wurde, dass sich dahinter ein schottisches Klagelied verbirgt. Diese langgezogenen, übersteuerten Gitarrentöne imitieren einen Bagpipe, also einen Dudelsack. (siehe zu Reisevorbereitung Schottland 2005). Plötzlich hört man so ein Lied mit anderen Ohren.

Kurz zu den Links, die ich immer wieder als Textlinks in meinen Mails anlege. Es kann natürlich sein, dass ich mich verschrieben habe (Broadford Bazaar). Ansonsten klappt das doch, oder? Ich will mir hier nicht auf die eigene Schulter klopfen, aber es hat doch schon etwas, wenn man seine Ausführungen durch Beispiele belegen kann. Zu Hause würde ich ein Fotoalbum zücken oder ein Videoband einlegen. Hier liegt vieles im Internet parat, man muss nur dahin verlinken.

Zu ‚Jack-a-Lynn’ und ob der Meister Probleme mit seiner rechten Hand hat … Wenn ich das richtig sehe, dann zupft Herrn Anderson (pizzikato/Finger picking, wie auch immer – siehe Wikipedia) die Saiten nicht, er spielt mit einem Plektrum, das er zwischen Daumen und Zeigefinger hält. Die anderen Finger hält man dabei gewöhnlich leicht gekrümmt. Ich erinnere mich aber an das Konzert 2005 in Lugano. Da machte er in kleinen Pausen immer Fingerübungen mit der rechten Hand. Im Video ‚Beggar’s Farm’ so ziemlich am Anfang, wenn er singt und das Mikro mit der rechten Hand umklammert, wenn er dann das Mikro loslässt, pumpt er immer mit der Hand. Das können aber auch nur leichte Durchblutungsstörungen sein (die Hand ist ‚eingeschlafen’). Dass er den kleinen Finger nicht strecken kann, glaube ich nicht, dann hätte er massive Probleme mit dem Flötenspiel, denn da muss er die kleinen Finger beider Hände einsetzen.

Herr Anderson ist sicherlich geschäftstüchtig. Früher unterhielt er auf der Isle of Skye eine Lachsfarm, die sicherlich einiges Geld abwarf. Als ich in Schottland war, habe ich eine solche ‚Farm’ gesehen. Das sind eigentlich nichts anderes als mit Netzen verkleidete Käfige, die in einer Bucht verankert sind und abertausende Fische beherbergen. Die Fütterung geschieht, wenn ich das richtig gesehen habe, maschinell. Man braucht also wenig Personal. Weshalb er die Lachszucht aufgegeben hat, weiß ich nicht. Irgendwie gibt es dazu auch ein Video, wo Anderson als Landlord oder so angesprochen wird. Auch bin ich einmal im Internet über ein Interview gestolpert. Aber das war ein Endlostext.

Lachsfarm von der Isle of Skye
Lachsfarm bei Kylakin/Isle of Skye (mit einer analogen Kamera aufgenommen und gescannt)

Wie Anderson als Chef ist, kann man nur erahnen. Auch darüber gibt es einige Aussagen im Internet, die aber größtenteils auf Vermutungen beruhen. Ob nun Martin Barre bei Anderson angestellt ist, oder wie sonst das ‚geschäftliche’ Verhältnis geregelt ist, keine Ahnung. Das werden die Herrn (und Damen) unter sich ausmachen. Die Fluktuation der Bandmitglieder hat sicherlich die unterschiedlichsten Gründe. Immerhin hat es Martin Barre 38 Jahre und mehr bei Anderson ausgehalten.

Nur als Zwischendurch-Frage: Kennst Du eigentlich die holländische Gruppe Focus? Und auch das Lied „Sieben Tage lang“ von der Gruppe Bots (ebenfalls NL)? Wie ich gesehen habe liegt Dein Heimatstädtchen unmittelbar an der holländischen Grenze.

Das soll es für heute gewesen sein.

Bis bald
Wilfried

06.09.2006

English Translation for Ian Anderson