Was ist bloß mit Ian los? Teil 18: Familienmitglieder

Hallo Wilfried,

zuallererst bedanke ich mich für die beiden Sound-Dateien in Deiner letzten Anlage ! Die Studioaufnahme von Jack-a-Lynn hat ist besonders hörenswert. Sie muss aus einer Zeit stammen, in der Mr. Anderson’s Stimmbänder diese Bezeichnung noch verdienten. Mann, der konnte wirklich singen ! Der Double-Pegg-Version von Life’s a long song bekommt die Vielzahl der akustischen Instrumente sehr gut; allerdings kann ich mich mit dem Gesang nur schwer anfreunden. Das liegt (ausnahmsweise) nicht daran, dass ich der Meinung wäre, Mr. Pegg könne nicht singen, sondern an der Art, wie er das Lied interpretiert. Natürlich bin ich hierbei durch die Version des Meisters beeinflusst; ein objektives Urteil ist mir gar nicht möglich.

In YouTube werde ich mich künftig öfter aufhalten, Nachtruhe hin oder her. Dann muss ich eben hin und wieder etwas schneller schlafen. Deine letzte mail ist wieder mit Links gespickt, die diese Entwicklung nur unterstützen. Aber, wie Ihr im Norden sagt: „Wat mut, dat mut!“

Mit Deiner Vermutung, dass mich von JT nur Mr. Anderson und Mr. Barre interessieren, liegst Du fast richtig. Aus der Legion ehemaliger Bandmitglieder haben nur einige den Weg in mein Bewusstsein geschafft:

John Evan: durch die gleichnamige Band, seine lange Zugehörigkeit, die Grimassen, die Kontinuität seines Bühnenoutfits

Jeffrey Hammond: durch die lange Freundschaft mit Mr. Anderson. Möglicherweise ist er der Jeffrey aus den Liedtiteln wie A Song for Jeffrey, For Michael Collins, Jeffrey… and so on.

John Glascock: leider durch seinen frühen Tod

Dave Palmer: durch seine Geschlechtsumwandlung und als Komponist von Elegy, eines Bachs würdig !

Eddie Jobson: durch sein androgynes Auftreten während der „A“ – Tour. Absolut daneben.

Clive Bunker: netter Kerl. Kumpeltyp

Glenn Cornick: durch seine Homepage und seine auffälligen Bewegungsabläufe bei Konzerten

Mick Abrahams: durch seine Gründungsmitgliedschaft, seine Kontroversen mit dem Meister

Ich hoffe, dass ich keinen vergessen habe.

Interessanterweise hörte ich eben in einem Deiner letzten zugelinkten Beiträge, dass Mr. Palmer Ian wie Eian ausspricht. Ist vielleicht auf den Inseln regional verschieden.

Dass Du mich bei lyrics.de gefunden hast, hat mich überrascht. Mir war gar nicht mehr bewusst, was ich da alles eingegeben habe bzw. eingeben musste. Durch das Netz sind wir von Orwell’s Visionen gar nicht mehr so weit entfernt. Und alle machen mit. Allerdings bin ich von Deiner Omnipräsenz im Netz noch weit entfernt.

Die Übersetzung von Too old… ist zwar in eine geläufige deutsche Sprache erfolgt, allerdings gefällt mir die Übersetzung einiger Begriffe nicht. „Light“ mit „schal“ gleichzusetzen halte ich für unzutreffend. Ich bin wie Du der Meinung, dass „wir“ zuerst das Netz nach Übersetzungen durchstöbern sollten. An die Lieder, die wir dort nicht finden, können wir uns immer noch herangeben. Eine Aufgabe für lange Winterabende.

Deine Äußerungen zu Mr. Anderson, dem Alter, dem Rocker-Image und der ganzen Too-old – Thematik habe ich einige Male gelesen. Es klingt gut, was Du schreibst. Es ist schlüssig argumentiert und beschrieben. Ich wünsche mir, dass Du mit dieser Einschätzung Recht haben mögest: Dass Mr. Anderson in seinem Alter Kopftuch und Schweißbänder nur deshalb trägt, um Jugendlichkeitswahn und Rocker-Image ad absurdum zu führen. In mancherlei Hinsicht ist er ein Eulenspiegel, der seiner Umwelt einen Spiegel vorhält und sie an der Nase herum führt. Ja, diese Möglichkeit liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Das ist wirklich sehr weise, Herr WilliZ !
Es ist wirklich ein Jammer, dass Mr. Anderson unseren Gedankenaustausch nicht verfolgen kann. Vielleicht würde er uns als Biographen autorisieren.

Zu Bob Dylan las ich irgendwann, irgendwo, dass er als Kind wegen seiner sehr auffälligen Stimme in derselben Freak-Show auftreten musste, die schon dem armen Joseph Merrick als Elefantenmensch zu trauriger Berühmtheit verholfen hat. Das halte ich allerdings für blanken Unsinn; so herzlos werden Eltern nicht sein.

Es geht mir ebenso wie Dir, dass ich für Musik in der richtigen Stimmung sein muss. Loreena McKennit, Jethro Tull, Kate Bush könnte ich mir nicht im Autoradio anhören. Dort muss es fetzen: Springsteen, BAP, Pogues, …

Blodwyn Pig kannte ich nicht.

„20 Years of JT“ hielt ich bisher für einen von vielen Samplern. Mr. Anderson hat fast so viele Sampler auf den Markt geworfen wie Abba.

Heute war ich mit Söhnen auf dem Fußballplatz, der morgige Sonntag sieht uns im Tierpark. Grundsätzlich bin ich lieber im Freien als vor dem PC.

Bis bald
Lockwood

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Hallo Lockwood,

Was die Bandmitglieder von Jethro Tull betrifft, so würde ich Eddie Jobson schon gar nicht in den engeren Kreis aufnehmen. Er gehörte zu Tull in einer Zeit, die nicht die ruhmreichste war. Allerdings muss ich ihm bescheinigen, ein guter Musiker zu sein. Für kurze Zeit brachte er ja auch die elektrisch verstärkte Geige als Instrument bei Tull unter. Bei Glen Cornick möchte ich auf dessen höchst interessante Bildergalerie hinweisen, wenn Du sie noch nicht kennst.

Zu den markanteren Gesichter würde ich noch Barrymore Barlow zählen, der übrigens auch aus der John Evan Band-Zeit stammt. Etwas unrühmlich hat er sich in diesem Jahr durch die Mitwirkung an einem Lied hervorgetan, dass die englischen Fußballspieler wohl anfeuern sollte: Hansens Eyebrows. Der Misserfolg der englischen Mannschaft dürfte aber nicht allein diesem Lied zuzuschreiben sein (wie liebe ich diese Engländer – die machen jeden Scheiß mit):

Barrymore Barlow & Hansen 's Eyebrows

Dass Herr Anderson unseren so geistreichen Gedankenaustausch nicht verfolgen kann, würde ich nicht ausschließen. Ich werde IHM eine Übersetzungshilfe anbieten, die ich bereits auf anderen Seiten zum Thema Jethro Tull installiert habe. Die Übersetzungen erfolgen natürlich maschinell, sind aber manchmal gar nicht so weit von unserem Original entfernt (d.h. sie sind urkomisch – siehe unten).

Zu „Dante’s Prayer“ von Mrs. McKennitt und den russischen Männerchören. Als alter Tull-Fan zog es mich öfters auf die Insel, wenn es meist auch nur bis London reichte. Und wenn man in London ist, dann besucht man schon das eine oder andere Sehenswerte, so auch St. Paul’s. Diese Kathedrale hat eine unglaubliche Akustik. Ich war gerade dort, als ein Knabenchor einen Choral schmetterte. Und das war wirklich unbeschreiblich. Engelsgesang kann nicht schöner sein. Aber das nur nebenbei. Mit meiner heutigen Frau war ich zum Weihnachtsfest 1984 in Rumänien auf Winterurlaub. Damals herrschte noch Nicolae Ceau?escu wie ein König über sein Reich. Wir hatten uns für Rumänien entschieden, weil die Kosten für alles samt Flug nach Bukarest unheimlich niedrig waren. Es war in mancher Hinsicht wie eine Fahrt in die Zeit vor dem 1. Weltkrieg. Aber das ist ein Thema für sich. Auf jeden Fall gab in dem wirklich sehenswerten Ort Sinaia ein Kloster, das auch noch von rumänisch-orthodoxen Mönchen betrieben wurde. Am Vorabend zum Weihnachtsfest fand in der Klosterkirche nun ein weihnachtlicher Gottesdienst statt, an dem ich mit meiner Frau (damaligen Freundin) teilnahm. Das Ganze ging über zwei Stunden, wir saßen auf völlig klapprigen Holzstühlen, sodass uns am Ende wirklich die Hintern tierisch schmerzten. Aber was uns da geboten wurde, entschädigte uns dafür um vieles. In orthodoxen Kirchen gibt es ja keine Orgeln u.ä. Dafür sang ein Männerchor weihnachtliche Choräle, am Schluss auch das bei uns obligatorische „Stille Nacht“, natürlich auf Rumänisch. Das war in etwa das, was auch Don-Kosaken nicht besser hinbekommen dürften. Eines unserer schönsten Weihnachts(vor)abende!

Im Kopf lief das bei mir bisher unter Gregorianische Choräle. Aber das ist – ich weiß – eigentlich eine katholische Einrichtung, diese Art des einstimmigen Chors. Im Anhang eine kleine MP3 mit einem Choral, der bei Dir in der Nähe (Aachener Dom) aufgenommen wurde, ein Ave Maria (sind zwar mehr Knabenstimmen, klingt aber auch sehr schön).

Für heute muss es reichen!
Halt Dich gerade

Wilfried

P.S. Zur Religions- bzw. Konfessionsfrage bin ich immer noch nicht gekommen. Es gibt hierzu im Lied Aqualung eine kurze Textpassage, die damit etwas zu tun hat (Aqualung selbst ist ja gewissermaßen ein Konzeptalbum zum Thema Kirche usw.):

The army’s up the road
salvation à la mode and
a cup of tea.

Was fällt Dir hierzu ein?

P.P.S. Und dann noch eine Coverversion – von Herrn Anderson persönlich. Es ist ein Liedchen von Peter Green, dem ehemaligen Gitarristen von Fleetwood Mac, falls der Name Dir etwas sagt. Die Aufnahme ist von 1995 und auf dem Album Peter Green Songbook First Part erschienen.


Ian Anderson: Man of the World

26.09.2006

English Translation for Ian Anderson