Was ist bloß mit Ian los? Teil 23: London Symphony Orchestra

Hallo Wilfried,

Den Kommentar von Stefan habe ich gelesen. Er schreibt etwas sehr Wichtiges: JT – Alben muss man häufiger hören, damit ihre Qualität offenbar wird. Es ist keine leichte Kost. Ich erinnere mich, dass ich anfangs von Thick as a Brick enttäuscht war. Mittlerweile zähle ich dieses Album zu den Besten.

Die JT-Skins finde ich stark ! Ist es Zufall, dass die Designer Bilder des Meisters gewählt haben, die ihn während seiner besten Zeit zeigen ? Sie hätten genau so gut Kopftuch-Bilder verwenden können. Rein theoretisch.

Meine Desktop-Hintergrundbilder wechseln sehr häufig. Meist sind es Fotos von meinen Kindern. Entweder Originalfotos oder bearbeitete. Hin und wieder ist auch ein Bild von Mr. Anderson zu sehen.

Ich wünsche Euch allen schöne Ferien und einen goldenen Oktober !

Lockwood

12.10.2006

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Hallo Lockwood,

Jethro Tull – AQUALUNG – Chrysalis ILPS 9145

Auf diesem Album gibt Ian Anderson in neun Thesen seine (nicht sehr originelle) Meinung zum Thema Gott zum besten. AQUALUNG ist die Bezeichnung für lesser men, die unterprivilegierten Menschen. Die Texte der elf Songs zu diesem Thema sind auf dem Innenumschlag abgedruckt.

Während bisher die Musik Jethro Tull’s meines Erachtens von Platte zu Platte bedeutungsloser wurde, scheint mir AQUALUNG ziemlich gut gelungen zu sein. Das Auffälligste: Anderson gebraucht die Flöte nur noch sparsam bei einzelnen Stücken. Allgemein ist die Musik leiser geworden. Mehrere Stücke werden mit akustischer Gitarre und Tabla an Stelle des Schlagzeugs vorgetragen. Zwei Stücke haben Streicherarrangements. Neu dabei ist Bassist Jeffrey Hammond-Hammond.

Aus: Sounds – Michael Wallossek

Also den Kritikern wollen wir hier wirklich kein Denkmal bauen. In dem erwähnten Buch mit Plattenkritiken aus der Zeitschrift „Sounds“ – immerhin über 1500 Seiten und über 1800 Kritiken stark – findet sich keine Kritik zu „Thick as a Brick“ oder „A Passion Play“. „Aqualung“ findet sich (siehe oben), auch „War Child“, von den beiden Konzeptalben aber schlechthin keine Spur. Zur Blütezeit von Jethro Tull hatte ich mir regelmäßig Musik-Zeitschriften gekauft. Und so habe ich immerhin aus der Zeitschrift „Pop“ Kritiken zu „Thick as a Brick“ und „A Passion Play“ in meinem kleinen Tull-Archiv vorliegen (dazu später mehr).

Nun was soll man zu der Kritik zu Aqualung sagen. Dem Autor scheint (warum scheint?) das Album ziemlich gut gelungen zu sein. Und was heißt ziemlich? Ich habe einmal im Internet nach weiteren Werken eines Herrn Wallossek gesucht und bin eigentlich überrascht: Es gibt zwei Bücher, die er mit dem Dalai Lama verfasst hat (Das Herz der Liebe, Inneren Frieden finden). Hoffen wir, dass er seinen inneren Frieden gefunden hat.

Ich habe den Eindruck, dass viele Kritiker (und nicht nur die) mit der Tull-Musik nicht viel anfangen können. Oder sie erkennen sehr schnell der ‚Kern’ – und sind begeistert. Ich habe da z.B. eine Kritik zum 2. Album Stand up und da heißt es u.a.:

Jethro Tull ist endlich mal wieder eine Gruppe mit ganz eigenem Stil und Sound. … Es praktisch gibt nichts, was es in der Musik der Jethro Tull nicht gibt. Sie verwenden Elemente des Beat und des Rock ‚n’ Roll, des Bossa Nova und des Jazz, der afrikanischen und der orientalischen Folklore … Und diese Bestandteile verbinden sie auf eine persönliche Art miteinander. … Jethro Tull ist seit langem das Beste, was auf der Pop-Szene passierte!

Leider habe ich mir nicht vermerkt, aus welchem Blättchen diese Kritik stammt. Ich ‚fürchte’ es war die Bravo. Aber ist ja auch egal. Der Kritiker hat von Musik (und zwar von Musik insgesamt) mehr Ahnung als diese Schreiberlinge, die sich von morgens bis abends voll dröhnen lassen. Und wenn sie auf ungewohnte Klänge stoßen, meinen, diese niedermachen zu müssen. Musik von Jethro Tull ist, wie Du sagst, keine leichte Kost. Genug für heute von uralten Kritiken.

Zu den Schubläden, die uns der Meister öffnet: Für den, der sich für die Musik von Herrn Anderson und seinen Jungs interessiert, aber noch nicht vieles von der Gruppe kennt, ist diese Zuordnung schon sehr hilfreich. Wer seinen Schwerpunkt auf Folk setzt, wird so davon abgehalten, sich zunächst ein Album wie z.B. „Under Wraps“ zu kaufen. Natürlich hat dieses Schubladendenken immer seine Haken. „Thick as a Brick“ ist sicherlich zunächst ein Konzeptalbum und lässt sich dem Progressive oder Art-Rock zuordnen. Aber es ist am Ende doch etwas mehr.

Kennst Du eigentlich das Album mit dem London Symphony Orchestra von 1985? Bemerkenswert ist u.a. daran, dass David Palmer alle Stücke nicht nur arrangiert hat, sondern das Orchester auch dirigiert. Eine kleine Anekdote hierzu am Rande: Meine Frau suchte ein Geschenk für ihre Freundin. Nun wusste ich, dass diese ganz gern Musik von Symphonieorchestern hört, die z.B. Soundtracks von Filmen usw. nachspielen. So kam an Ende die gute Freundin zu einer Scheibe mit der Musik von Herrn Anderson. Sie fand die Musik übrigens ganz gut.

London Symphony Orchestra: A Classic Case

Nun, das Album habe ich noch als alte Vinyl-Scheibe. Inzwischen bin ich wenigstens an MP3-Dateien gelangt. Daher im Anhang eine kleine Hörprobe: Thick as a Brick.

Schönes Wochenende noch.
Wilfried

14.10.2006

English Translation for Ian Anderson