Heute Ruhetag (22): Charles Baudelaire – Die Blumen des Bösen

Mit leisen Schritten nähern wir uns dem Herbst. Der Herbst ist für viele eine Zeit der Melancholie. Die Tage werden kürzer, die Temperaturen sinken merklich. Die Bäume trennen sich von ihren Blättern. Die Natur hält Rückzug.

Der Herbst ist auch eine Zeit des Lesens. Und – ich weiß nicht warum – eine Zeit der Gedichte mit desillusionistischen, pessimistischen Unterton. Charles Baudelaire, der heute als einer der größten französischen Lyriker überhaupt und als einer der wichtigsten Wegbereiter der europäischen literarischen Moderne gilt, schrieb solche Gedichte. Wesentliche Anregungen gewann er bei Edgar Alle Poe, dessen Werk er als erster ins Französische übersetzte. „1857 erschien Baudelaires Hauptwerk, der Gedichtzyklus ‚Les Fleurs du Mal‘ (Die Blumen des Bösen). Wegen sechs angeblich obszöner und gotteslästerlicher Gedichte in dieser Sammlung wurden Autor, Verleger und Drucker angeklagt und der ‚Beleidigung der öffentlichen Moral und der guten Sitten‘ für schuldig befunden, erst nach dem 2. Weltkrieg wurde dieses Urteil aufgehoben“. (Quelle: gutenberg.spiegel.de)

Heute Ruhetag = Lesetag!

[…]

Wie schön ist das Erglühn aus Nebelschwaden
Des Sterns im späten Blau, des Lichts in den Fassaden
Der Kohlenströme Flößen übers Firmament
Und wie das Land im Mondlicht fahl entbrennt.
Mir wird der Lenz der Sommer und das Spätjahr hier sich zeigen
Doch vor dem weißen winterlichen Reigen
Zieh ich den Vorhang zu und schließe den Verschlag
Und baue in der Nacht an meinem Feenhag.

Dann werden blaue Horizonte sich erschließen
Und weinend im Boskett Fontänen überfließen
Dann wird in Küssen und im Vogellied
Der Geist der Kindheit sein der durch Idyllen zieht.

Mag gegen’s Fensterglas sich ein Orkan verschwenden
Ich werde nicht die Stirn von meinem Pulte wenden;
Denn höchst gebannt in meine Leidenschaft
Ruf ich den Lenz herauf aus eigner Kraft
Und kann mein Herz zu Strahlen werden sehen
Und meines Denkens Glut zu lindem Wehen.

aus: Landschaft (Original: Paysage)

Signatur: Charles Baudelaire

Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen/Les fleurs du mal (Übertragungen von Walter Benjamin)

Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

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